Datenschutz an Potsdamer Schulen: Streit um Programme für Digitalunterricht
Disput zwischen der Landesdatenschutzbeauftragten und dem Schulamt in Potsdams Bildungsausschuss.
Potsdam - Im Ringen um einen möglichst guten Online-Unterricht in Corona-Zeiten haben das für Potsdam zuständige Schulamt und die Landesdatenschutzbeauftragte offensichtlich sehr unterschiedliche Auffassungen, welche Internet-Programme nun Lehrer nutzen sollten – und welche besser nicht.
Das wurde am Dienstagabend bei einer außerordentlichen digitalen Sitzung des Bildungsausschusses der Stadtverordneten deutlich. Das Hauptthema des Abends: Die Nutzung des vielfach erprobten Programms Microsoft Teams, das Landesdatenschutzbeauftragte Dagmar Hartge aber vehement ablehnt.
Unklarheit bei "amerikanischen Produkten"
Sie begründete diese Haltung mit einem in der Landesverfassung verankerten Datenschutzgrundrecht. Bei "amerikanischen Produkten" wie Microsoft sei unklar, was mit Daten der Nutzer passiere, für welche Zwecke sie verarbeitet würden und ob Sicherheitsdienste der Amerikaner darauf zugreifen könnten. Es gehe um die Datensouveränität und darum, „nicht mehr abhängig zu sein von amerikanischen Firmen“.
Gleichwohl spreche man seit dem vergangenen Dezember mit Microsoft – um zu klären, wie sich diese Produkte datenschutzkonform regeln lassen, wie es Hartge sagte. Doch seien Verhandlungen mit so einem Konzern kompliziert, so die Datenschützerin. Und: Das Land habe den Vorteil, dass es hier die vom Potsdamer Hasso-Plattner-Institut entwickelte Schulcloud gebe, die inzwischen 660 von den rund 900 Schulen in Brandenburg nutzen würden.
Dilemma der Cloud: Zu wenig Funktionen
Widerspruch kam von Carola Gnadt aus dem für Potsdam zuständigen Schulamt. Es gebe bei der Cloud das Dilemma, dass diese längst nicht alle Tools besitze, die für einen guten Digitalunterricht nötig seien, wie sie deutlich machte: „So ganz optimal ist dieses Instrument eben nicht.“ Zum Beispiel seien Eltern- oder Schulkonferenzen nicht möglich, auch bei anderen Anwendungen gebe es Stolpersteine. Hartge sagte, in solchen Fragen könne die Cloud doch noch verbessert werden – hier könne man das HPI bitten, neue Funktionen zu programmieren.
„Einfach aber die amerikanischen Produkte nehmen, weil das bequem ist, das wäre der falsche Weg“, sagte Hartge in Richtung der Schulen, die derzeit die Folgen der Pandemie für den Unterricht abfedern müssen. Sie räumte gleichzeitig ein, dass das eigene Handeln nur begrenzt Erfolg habe: „Es bleibt uns nicht verborgen, dass an manchen Schulen auch noch Microsoft- oder Google-Produkte zum Einsatz kommen“, sagte Hartge.
Bei Beschwerden von zum Beispiel Eltern über diese Praxis gehe man dann vor Ort und kläre den Sachverhalt auf. Man könne Schulen auch gern beraten, allerdings seien dem bei hunderten Einrichtungen im Land auch Grenzen gesetzt: „Wir sind nur eine kleine Behörde.“ Die Landesdatenschutzbeauftragte beteuerte, dass man Schulen bisher nie förmlich untersagt habe, zum Beispiel MS Teams nicht mehr nutzen zu dürfen, da habe eher ein „zähes Ringen“ stattgefunden.
Stadtverordneter: Teams wurde untersagt
Dies haben einige Ausschussmitglieder aber offensichtlich anders erlebt. So berichtete der Stadtverordnete Jens Dörschel (Grüne), als an der weiterführenden Schule seines Sohnes MS Teams untersagt worden sei - „von einem Tag auf den anderen“ - habe zunächst einmal keine Alternative zur Verfügung gestanden. „Da waren wir schon entsetzt.“ So wären Übergangsfristen sinnvoll gewesen, sagte Dörschel. Warum so etwas nicht möglich war, sagte Hartge nicht.
Wie berichtet hatten sich auch andere Eltern und Schulen öffentlich über ein Verbot von MS Teams mokiert. Andere Lehrer kritisieren nach PNN-Informationen zudem eine rechtliche Unsicherheit: An vielen Schulen, die MS Teams noch einsetzen, ist das von Hartge formulierte Nutzungsverbot nur aus der Zeitung bekannt – ein verbindlicher Runderlass fehlt. Für die Schulen, die MS Teams nicht mehr nutzen können, hätte sie sich Überbrückungslösungen gewünscht, sagte Schulamtsvertreterin Carola Gnadt. Die frühere Direktorin des renommierten Humboldt-Gymnasiums in Potsdam verwies auch darauf, dass Programme wie MS Teams in anderen Bundesländern durchaus genutzt werden dürfen – wie auch an mehreren nominierten Einrichtungen für den Deutschen Schulpreis, so Gnadt. Das konterte Brandenburgs Datenschutzbeauftragte Hartge mit der Feststellung, dass in Hessen der neue Datenschutzbeauftragte nach Amtsantritt die Duldung von MS Teams im Bundesland zurückgezogen habe.
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Datenschutzprobleme bei Endgeräten?
Die Debatte zeigte auch, dass an anderer Stelle des Digitalunterrichts datenschutzrechtliche Fragen laxer gehandhabt werden. So fragte Wiebke Bartelt von den Grünen, ob es seitens des Datenschutzes eine Checkliste gebe, wie man die Geräte der Schüler und Lehrer besser absichern könnte. Dafür würden Hilfestellungen noch erarbeitet, musste Hartge einräumen. Die Vielzahl der Gerätetypen schaffe indes diverse Risiken für den Datenschutz, machte Hartge deutlich.
Dem könne man nur begegnen, wenn man zum Beispiel selbst Endgeräte für den Unterricht zur Verfügung stelle, sagte Potsdams IT-Koordinator Thomas Morgenstern-Jehia. Dazu laufen bekanntlich diverse Bemühungen, Endgeräte zu beschaffen und Schulen bereitzustellen. Offen blieb, warum der Datenschutz bei internetfähigen Endgeräten laxer betrachtet werden kann als bei der Nutzung des Microsoft-Programms – die Frage stellte kein Ausschussmitglied. Allerdings gab es auch Lob für Hartges Arbeit: So betonte die SPD-Stadtverordnete Grit Schkölziger auch, wie wichtig Datensicherheit sei: "Wir wissen eben nicht, was kommerzielle Unternehmen mit unseren Daten machen."
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