Distanzunterricht an Schulen in Brandenburg: Ärger über Verbot von Microsoft-Produkten
Mitten im Lockdown wird den Schulen die Nutzung von Microsoft-Produkten untersagt. Bei Eltern und Lehrern kommt das gar nicht gut an. Die Behörden rechtfertigen sich und verweisen auf Alternativen.
Potsdam - Während sich Schüler, Lehrer und Eltern wohl noch auf mehrere Wochen Distanzlernen einstellen müssen, wächst auch in Potsdam die Verwirrung und Frustration bei den Beteiligten. Jüngster Anlass ist das Verbot der Nutzung von Produkten des US-Software-Konzerns Microsoft. Konkret geht es vor allem um MS Teams - eine von Microsoft entwickelte Plattform, die Chat, Besprechungen, Notizen und Anhänge kombiniert.
Eltern müssen sich seitdem nicht nur auf neue Software für den Heimunterricht ihrer Kinder einstellen, sondern haben auch noch damit zu kämpfen, dass die von der Landesregierung empfohlene Schulcloud zwar legal ist, aber häufiger nicht rund läuft und noch weitere Schwächen hat.
Nutzung untersagt
Wie berichtet hatte das Staatliche Schulamt in Brandenburg an der Havel die Schulen in der Region kürzlich darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine datenschutzkonforme Nutzung cloudbasierter Produkte von Microsoft zur Zeit nicht möglich sei. Das Amt wies die Schulen zudem darauf hin, dass eine Untersagung der Nutzung nicht etwa nur dann zu erfolgen hat, wenn einzelne Eltern die Erteilung der Einwilligung verweigern. "Eine datenschutzwidrige Datenverarbeitung wird nicht durch die Erteilung von Einwilligungen rechtmäßig", hieß es einer E-Mail des Schulamtes. Im Klartext: Die Nutzung wird den Schulen untersagt. Betroffen sind nach PNN-Informationen unter anderem das Einstein- sowie das Helmholtz-Gymnasium in Potsdam und das Vicco-von-Bülow-Gymnasium in Stahnsdorf.
Kritik und Unverständnis
Bei vielen Eltern kommt das gar nicht gut an. "Schon jetzt fühlen sich viele Kinder vom Fortgang des digitalen Unterrichts abgehängt, erste Eltern berichten, im Beruf zurückstecken zu müssen, da ansonsten zuhause die Situation explodieren würde", berichtet beispielsweise ein PNN-Leser. Und auch von Lehrern höre man, dass sie kaum in der Lage seien, der Flut von Anfragen, Nachfragen, kritischen Hinweisen oder Verbesserungsvorschlägen Herr zu werden. "So ist - bei allem Verständnis für Datenschutz - zumindest zu hinterfragen, welche wichtigen Datenschutz-Ziele bei einer MS Teams-Videokonferenz unseres 10-jährigen Sohnes in Mathematik zum Thema Gleichungen gefährdet werden."
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Andere bezeichnen die Entscheidung sogar als hanebüchen. "Mich verärgert ein solches, engstirniges, bürokratisches Handeln sehr", schreibt ein Vater von vier schulpflichtigen Kindern. Nicht nur sei MS Teams deutlich übersichtlicher gestaltet, sondern die Anwendung laufe auch viel stabiler. "Die Schulcloud war in der Vergangenheit schlicht oft nicht erreichbar oder wenigstens extrem langsam. Eine Chatfunktion fehlt bisher vollkommen", so der Potsdamer. Er hat auch eine Forderung: "Anstatt den Schulen, die dieses System lange nutzen, Unterlassungsaufforderungen zu senden, sehe ich die Schulbehörde und den Datenschutzbeauftragten in der Pflicht, rechtzeitig mit den Anbietern in Verhandlungen zu treten, ihre Nutzungsbedingungen nachzubessern, damit das eingeführte System weiterhin rechtssicher nutzbar ist."
Beim zuständigen Bildungsministerium verweist man auf die Landesdatenschutzbeauftragte. Die hatte nach Datenschutzverstößen an vier Schulen im Sommer eine Prüfung eingeleitet. Drei Schulen stoppten daraufhin die Verwendung von Microsoft-Produkten. Übrig blieb das Vicco-von-Bülow-Gymnasium in Stahnsdorf. Dort kam Ende November die Mitteilung an, dass die Landesdatenschutzbeauftragte die weitere Nutzung von cloudbasierten MS-Office Produkten untersage.
Kritische Datenübermittlung
Hintergrund der Entscheidung ist, dass Microsoft ein US-amerikanischer Anbieter ist. "Nach wie vor ist unklar, welche personenbezogenen Daten der Nutzerinnen und Nutzer an Microsoft übermittelt bzw. durch das Unternehmen für eigene Zwecke verarbeitet werden", hieß es. Außerdem wird auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Juli 2020 hingewiesen. Demnach sei die Datenübermittlung in Staaten ohne angemessenes Schutzniveau grundsätzlich zu hinterfragen. Selbst wenn die Server in der EU stehen, wäre Microsoft als US-Unternehmen verpflichtet, den US-Behörden Daten zu übergeben.
Bedenken sind nicht neu
Auch wenn andere Schulen gar nicht Gegenstand der Prüfung waren, sind sie dennoch vom Ergebnis betroffen. Weitere, konkrete Verfahren zur Datenschutzaufsicht gegen Schulen würden zwar derzeit nicht geführt. "Sollten andere Schulen dieselben Produkte unter denselben Voraussetzungen nutzen wollen, wäre dies nach unserer Auffassung ebenfalls aus datenschutzrechtlichen Gründen unzulässig", hieß es am Montag auf PNN-Nachfrage aus dem Büro der Landesdatenschutzbeauftragten. Und auch das Bildungsministerium stellte auf Nachfrage klar. "Das gilt für alle Schulen."
Ganz plötzlich ist die Entscheidung allerdings weder über die Schulen noch über Schulamt und Bildungsministerium hereingebrochen. "Bereits am 25. August 2020 hat die Landesbeauftragte im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung zu der Meldung auf die datenschutzrechtlichen Bedenken bezüglich der Nutzung der genannten Produkte hingewiesen", so der Sprecher. Und das Problem haben Potsdam und Brandenburg auch nicht exklusiv: Auch die Berliner Datenschutzbeauftragte hält den Einsatz von MS Teams für unzulässig.
Beim Bildungsministerium verweist man darauf, dass es mit der Schulcloud des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts ja ein kostenfreies, alternatives Angebot gebe, das man den Schulen auch empfehle. Tatsächlich nutzen mit 574 Schulen landesweit zwei Drittel der Bildungseinrichtungen das Angebot. Doch offenbar gibt es dabei immer wieder Probleme.
Dabei hatte das Ministerium in der vergangenen Woche mitgeteilt, es seien zusätzlich 100 neue Server angeschlossen worden, um trotz der bundesweit angestiegenen Zugriffszahlen einen stabilen Betrieb der Cloud-Struktur zu gewährleisten. Doch es scheint dennoch zu haken: "Ich brauch keine Morgenmeditation mehr, ich setz mich Montags um 8 Uhr vor die Brandenburger Schulcloud und entspanne mich, solange die Seiten laden", twitterte eine Lehrerin aus Potsdam am Montag.
Am Montagabend kam zudem heraus, dass die Schulcloud des Hasso-Plattner-Institutes offenbar Ziel eines Hackerangriffs geworden ist. Wie der rbb berichtet, habe es eine so genannte DdoS-Attacke (Distributed-Denial-of-Service Attack) aus dem Ausland gegeben. Dabei wurde die Schulcloud von einer so großen Anzahl von Anfragen überschwemmt, dass der Dienst blockiert und nur noch eingeschränkt nutzbar war. Eine Sprecherin des Hasso-Plattner-Institutes hat den Angriff dem rbb bestätigt, erklärte aber auch, dass die Cloud aktuell wieder uneingeschränkt funktioniere. Weitere Angriffe seien jedoch nicht ausgeschlossen.