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Der Luisenplatz mit Brandenburger Tor in Potsdam.
© Ottmar Winter

Mehr als 211.000 Zuzügler in 20 Jahren: So hat Potsdam sich verändert

Ein Statistikbericht des Rathauses zeigt soziale Folgen der Pandemie und Auswirkungen des Klimawandels. Der längere Blick zurück offenbart extremen Zuzug in die Stadt. 

Potsdam - Mehr Autos, mehr Hochbetagte, weniger Hochzeiten und Touristen: Auf mehr als 330 Seiten hat die Stadtverwaltung das erste Corona-Jahr 2020 in Zahlen gefasst. Die in dem Jahresbericht dargestellten Entwicklungen seien auch für das Rathaus ein wichtiges Planungsinstrument, sagte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) bei der Präsentation der Statistiken am Freitag. Die PNN geben einen Überblick – und zeigen längere Entwicklungslinien.

Sinkende Zu- und Wegzüge

Schubert hatte stets die Parole eines behutsameren Wachstums ausgegeben – mit Corona ist das eingetreten. So lag die Zahl der Zugezogenen bei knapp 10.000. Also 1500 weniger als noch 2019. Auch Wegzüge wurden noch rund 8300 registriert – 1400 weniger als 2019. Zuletzt hatte die Stadt im Sommer die Zahl der Potsdamer mit nun 182.479 angegeben. 

Mehr als 110 000 Zuzügler seit 2010

Trotz des schwächelnden Wachstums: Die Statistiken der vergangenen Jahre zeigen, wie sehr sich Potsdams Bevölkerung gewandelt hat. 

In den zurückliegenden 20 Jahren hat Potsdam mehr Zuzüge registriert als Menschen in der Stadt leben. Das Rathaus zählte zwischen 2000 und 2020 mehr als 211.740 Zuzügler, aber auch knapp 174 000 Wegzüge. Das teilte ein Stadtsprecher am Freitag auf PNN-Anfrage mit. Derzeit hat Potsdam fast 182.500 Einwohner, im Jahr 2000 waren es noch 128.000 – und nach Eingemeindung umliegender Ortsteile 2003 knapp 144 000.

Wie viele davon blieben, lässt sich aber nicht beziffern. Solche Bewegungsketten würden statistisch nicht erfasst, hieß es vom Rathaus. Allerdings leben laut dem aktuellen Jahresbericht rund 40 Prozent der Potsdamer weniger als fünf Jahre an ihrer jetzigen Adresse. 

Unter den besagten mehr als 210.000 Zuzüglern in den vergangenen 20 Jahren waren mehr als 44.500 Menschen aus Berlin, knapp 37.000 kamen aus Westdeutschland. Und vor allem seit 2010 boomte die Stadt, gab es seitdem bis 2020 fast 112 000 Zuzüge.

Demgegenüber siedelten die meisten Potsdamer, die die Stadt im Jahr 2020 verließen, sich im Potsdamer Umland an – das betraf mehr als ein Viertel der Wegzüge. Dahinter kann eine Verdrängung wegen der hohen Mieten stecken. 

Zuzüge nach Potsdam aus ganz Deutschland. 
Zuzüge nach Potsdam aus ganz Deutschland. 
© Bartels/PNN

Seit 2015 nicht mehr statistisch erfasst wird übrigens die Zahl jener Potsdamer, die seit Geburt ununterbrochen in der Landeshauptstadt wohnen. Das waren damals mehr als 20.000 Kinder und Jugendliche sowie mehr als 15.000 Erwachsene und 388 Rentner. Bemerkenswert auch: Nur 15 Prozent der Potsdamer wohnen schon 20 Jahre oder länger an der gleichen Wohnadresse. Seit Jahren wird über das Problem debattiert, dass nicht so gut betuchte Potsdamer sich die steigenden Mieten in der Stadt zum Teil nicht mehr leisten können und wegziehen – gerade ins Umland, so der Bericht. 

Gestiegen ist in den Jahren seit 2010 der Zahl der Potsdamer mit Migrationshintergrund – damals lag er bei 7,5 Prozent, jetzt bei 14,8 Prozent. 

Boom-Beispiel Golm

Eines der Boomviertel ist Golm. Dort gab es 2020 genau 4000 Einwohner – knapp 1000 mehr als noch vor drei Jahren. Vor zehn Jahren lebten sogar nur knapp 2500 Menschen dort. Insofern wohnen rund 59 Prozent der Golmer erst seit bis zu fünf Jahren an ihrer neuen Adresse.

Corona: Viele Infizierte im Bornstedter Feld

Erstmals ist in dem Bericht ausgewiesen, in welchen Stadtvierteln die Pandemie am stärksten verbreitet war. Die meisten Infizierten gab es 2020 im Bornstedter Feld: Dort waren 430 Personen infiziert. Das waren elf Prozent der 3918 Corona-Fälle im Jahr 2000. Es folgen die Innenstadt mit 375 Fällen, im Wohngebiet am Stern wurden 284 registriert.

Weitere Viertel mit überdurchschnittlich vielen Infizierten – mehr als 25 Fälle je 1000 Einwohner – waren demnach die Berliner Vorstadt, Potsdam-West, die Templiner Vorstadt und Drewitz. 

Deutlich in den Tabellen zu sehen ist auch, dass die Zahl der Verstorbenen gerade im April und im Dezember, zur ersten und zweiten Pandemie-Welle, gewachsen ist. Erstmals seit fast 20 Jahren lag die Zahl der Verstorbenen auch über der Zahl der Neugeborenen: Das Verhältnis betrug 1851 zu 1938. In den Jahren vor der Pandemie lag die Höchstzahl der Toten bei 1783. 

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Deutlich gestiegen sind mit der Dauerkrise auch die Erstkontakte von Erwachsenen im Alter mit dem sozialpsychiatrischen Dienst: 2019 meldeten sich 54 Menschen zwischen 35 und 65 Jahren dort. Im ersten Coronajahr waren es 101.

In Zahlen gefasst sind nun auch gesellschaftliche Folgen der Pandmie: In Potsdam gab es weniger Heiraten. 979 Paare gaben sich das Ehewort. 2019 waren es noch 1101. Übrigens: Verheiratete sind aktuell mit einem Anteil von 35,7 Prozent vertreten – 2010 lag diese Quote bei 38,5.

Mehr als 50 Prozent Singlehaushalte

Gestiegen ist der Anteil der Singlehaushalte, der 2020 bei 50,7 Prozent lag. 2010 betrug diese Quote noch 48,6. Dabei sind 74 Prozent der mehr als 51.000 Singles zwischen 16 und 65 Jahre alt. In dieser Altersspanne sind 21 000 Singles Männer. Demgegenüber stehen 16.500 weiblich geführte Einpersonenhaushalte. 

Neu im Bericht ist die Zahl der Alleinerziehenden: Dies betrifft 5555 Personen, fast 90 Prozent davon sind Frauen, Tendenz allerdings leicht fallend. 2016 gab es noch 5298 solcher Haushalte.

Wachsender Verkehr

Konstant steigt, trotz aller Versuche einer Verkehrswende, die Zahl der Kraftfahrzeuge. 2020 waren 79.297 Privatautos angemeldet. Das sind 4,1 Prozent mehr als 2019. Zum Vergleich: 2010 waren in Potsdam noch 64 067 Autos angemeldet. 

Der Anteil von Hybrid- oder Elektroantrieben ist dabei noch gering, lag zusammengenommen bei drei Prozent. 2019 waren das noch 1,6 Prozent. Gefallen ist hingegen die Zahl der Verkehrsunfälle: auf einen Tiefststand von 4450 mit 732 Verletzten. 2010 gab es noch 6174 Unfälle in Potsdam – mit 663 Verletzten. Seit damals gibt es mehr Tempolimits und bessere Sicherheitssysteme in Autos.

Mehr Hochbetagte

Zwar ist das Durchschnittsalter der Potsdamer mit 42,4 relativ konstant. Die Generation 80+ ist im Jahr 2020 mit einem Plus von 5 Prozent aber am schnellsten gewachsen. Das entspricht rund 12.500 Personen. 2010 gab es noch 7000 Potsdamer, die so alt waren. Die Zahl der Pflegeplätze stieg bis 2019 innerhalb von zehn Jahren auf 1984, ein Plus von 70 Prozent. 

Senioren beim Spaziergang in Potsdam (Symbolbild).
Senioren beim Spaziergang in Potsdam (Symbolbild).
© Andreas Klaer

Höhere Einkommen

Bemerkenswert ist die Entwicklung der durchschnittlichen Bruttolöhne. 2008 lag dieser noch bei 24.000 Euro. 2018, laut Bericht die aktuellste Zahl, bei 34 719 Euro. 

Mehr Sonnenstunden als früher

An einigen Stellen im Bericht ist auch der Einfluss des weltweiten Klimawandels sichtbar: So gab es 2020 genau 2050 Sonnenstunden – in den Jahren zwischen 1991 und 2001 wurden stets nie mehr als knapp 1900 Sonnenstunden erreicht.

Dokumentiert ist auch die Zahl von 2769 Baumfällungen seit 2016 – bei zugleich 2300 Neupflanzungen. Zur Erklärung hieß es, in den vergangenen Trockenjahren sei man kaum mit dem Neupflanzen nachgekommen. Zurückgegangen seit 2010 ist auch die Größe der Potsdamer Gewässer – auf noch 2044 Hektar. 2010 waren es 2064 Hektar. 

Gestiegen ist wiederum der Wasserverbrauch pro Einwohner und Tag – 2020 lag er im Schnitt bei 125 Litern, 2010 noch bei 118 Litern. Beim Müllaufkommen ist der Trend hingegen rückläufig: 29.000 Tonnen Hausmüll waren es 2010 und zuletzt 24.500 Tonnen. Deutlich gestiegen ist im ersten Corona-Jahr das Gewicht der entsorgten „Glasverpackungen“, das mehr als 4000 Tonnen betrug, ein Plus von 11 Prozent. 

Weniger Kriminalität

Stetig gefallen in den vergangenen Jahren und mit Corona noch einmal besonders die Kriminalitätsbelastung. So wurden 2020 noch rund 13.500 Straftaten registriert – 2000 weniger als im Vorjahr. 2010 wurden 16.500 Delikte angezeigt, obwohl Potsdam damals kleiner war. 

Auch die Fälle pro 1000 Einwohner sanken: 2020 lag dieser Wert bei 74, im Jahr 2000 ging es noch um rund 150. Immer noch hoch sind allerdings die Zahlen beim Raddiebstahl: Hier wurden 2020 noch 1626 Fälle registriert, 2010 waren das noch 1223. 2018 war hier ein Höchststand von knapp 2000 Diebstählen erreicht worden. 

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