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Potsdam hat im vergangenen Quartal weniger Menschen angezogen.
© Ottmar Winter PNN

Deutlich weniger Zuzüge: Potsdam schrumpft erstmals seit vielen Jahren

Seit zwei Jahrzehnten ist Potsdams Einwohnerzahl  ununterbrochen gewachsen. Nun ist das Wachstum zum Erliegen gekommen. Jedenfalls vorerst.

Potsdam - Zum ersten Mal seit vielen Jahren ist die Einwohnerzahl Potsdams im zweiten Quartal 2021 gefallen. Wie aus dem aktuellen Quartalsbericht des Rathauses hervorgeht, sank die Einwohnerzahl zum 30. Juni im Vergleich zum Wert drei Monate zuvor. Die Quartalsberichte erstellt das Amt für Statistik und Wahlen seit dem Jahr 2004. In den mehr als 60 Ausgaben des Berichts habe es seither noch nie ein Quartal mit sinkender Einwohnerzahl gegeben, hieß es auf PNN-Anfrage.

In absoluten Zahlen ist die Schrumpfung allerdings überschaubar. Wie Stadtsprecherin Christine Homann den PNN sagte, habe Potsdam genau drei Einwohner weniger gezählt als drei Monate zuvor – nämlich 182.479 mit einem Erstwohnsitz. Ursprünglich war in dem Bericht eine Einwohnerzahl von 182.449 veröffentlicht worden. Diese sei aber wegen Nachmeldungen noch korrigiert worden. In einer Fußnote heißt es, Meldevorgänge seien nicht abgeschlossen aufgrund von Bearbeitungsverzögerungen durch einen Cyberangriff Anfang 2020 und die Coronakrise.

Wachstum hatte sich zuvor verlangsamt

Unabhängig von der genauen Zahl deutet sich allerdings an, dass Potsdams Wachstum in der Coronakrise praktisch zum Erliegen gekommen ist. Denn auch schon im Vorquartal war die Einwohnerzahl nur noch vergleichsweise langsam gewachsen – nämlich um 263. Potsdams Wachstum kannte grafisch dargestellt jahrelang immer nur eine Richtung: steil bergauf. Doch schon seit etwa zwei Jahren hat sich der Anstieg abgeflacht. Nun scheint ein Plateau erreicht.

Ob sich daraus ein anhaltender Trend entwickelt, wird allerdings erst im Rückblick deutlich. Quartalszahlen können stärker schwanken als Jahresvergleiche und von kurzfristigen Effekten beeinflusst sein. Von Jahr zu Jahr betrachtet, ist die Einwohnerzahl Potsdams zum letzten Mal im Jahr 1999 gesunken. Es folgten 20 Jahre ununterbrochenen Wachstums. Allerdings war das Wachstum auch zu einer Herausforderung geworden, weil die kommunale Infrastruktur, von Schulen über Kitas bis zur Wasserversorgung für viel Geld erweitert werden musste.

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Im Jahresvergleich ist die Einwohnerzahl erneut gewachsen. Es wurden 1463 Einwohner mit Erstwohnsitz mehr gezählt als Ende Juni 2020. Das entspricht einem Zuwachs von rund 1,2 Prozent. Damit hat sich Potsdams Wachstum im Vergleich zu den vergangenen Jahren deutlich verlangsamt. 2017 und 2018 war die Einwohnerzahl beispielsweise um bis zu 2,5 Prozent jährlich gestiegen.

So wenig Zuzüge wie seit 2013 nicht mehr

Hintergrund des erlahmten Wachstums ist, dass weniger Menschen nach Potsdam zogen als die Stadt verließen. 1578 Neupotsdamer meldeten sich im zweiten Quartal beim Bürgeramt. Nur im Frühjahr 2013 gab es zuletzt einen niedrigeren Wert. Gleichzeitig verließen 1629 Potsdamer die Stadt. Auch das ist ein vergleichsweise niedriger Wert. Unter dem Strich blieb ein sogenannter negativer Wanderungssaldo.

Auch die Geburten konnten den Einwohnerverlust nicht ausgleichen. 430 Potsdamer Kinder wurden im zweiten Quartal geboren. Im gleichen Zeitraum wurden 413 Verstorbene gezählt. Damit lag der natürliche Saldo mit 17 im Plus. In den beiden Quartalen zuvor waren jeweils mehr Potsdamer verstorben also im gleichen Zeitraum geboren wurden.

Wohnungsbau eingebrochen

Für die auffällig wenigen Zuzüge kommt wohl eine Mischung aus mehreren Ursachen in Frage: Wie berichtet hatte der Potsdamer Arbeitsmarkt vergleichsweise stark unter dem Lockdown gelitten. Auch zogen wegen der Aussetzung der Präsenzveranstaltungen weniger Studenten nach Potsdam als üblich. Außerdem war der Wohnungsbau im vergangenen Jahr in Potsdam massiv eingebrochen. Im ganzen Jahr 2020 waren insgesamt 897 Wohnungen errichtet und saniert worden. Das war die niedrigste Anzahl seit dem Jahr 2012. Verglichen mit dem Vorjahr bedeutet das einen Rückgang um 45,1 Prozent.

2020 wurden in Potsdam weniger Wohnungen fertiggestellt.
2020 wurden in Potsdam weniger Wohnungen fertiggestellt.
© Andreas Klaer

Exklusiv hat Potsdam den Wachstumsstopp nicht: Erstmals seit 20 Jahren hat Berlin im vergangenen Jahr durch Weg- und Zuzüge mehr Einwohner verloren als hinzugewonnen. Zwar seien im Jahr 2020 knapp 143.000 Menschen in die Hauptstadt gezogen, fast 150.000 hätten ihr jedoch den Rücken gekehrt, teilte das Landesamt für Statistik Ende Juni mit. Auch die Gesamtbevölkerung schrumpfte vergangenes Jahr im Vergleich zu 2019 leicht um 5400 auf rund 3.664.000. 

Auch andere Großstädte schrumpften. Das Berliner Forschungsinstitut Empirica fragt sogar schon nach einer deutschlandweiten Zeitenwende. „Vor allem junge Familien wandern auf der Suche nach einer großen, aber bezahlbaren Wohnung ins immer entferntere Umland“, hieß es jüngst in einer Untersuchung zu Immobilienpreisen.

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