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Potsdam packt an. Das Klinikum „Ernst von Bergmann“ und die Landeshauptstadt organisieren gemeinsam einen medizinischen Spendentransport mit Beatmungs- und Narkosegeräten, Medikamenten und Schlafsäcken für die Ukraine.
© Andreas Klaer

Ukraine-Hilfe in Potsdam: Schubert sieht „größere Herausforderung als 2015“

Wie sich Potsdam auf die Ankunft weiterer Flüchtlinge vorbereitet – und auch in der Kriegsregion hilft.

Potsdam - Angesichts der vielen Flüchtlinge aus dem ukrainischen Kriegsgebiet, die in Potsdam erwartet werden, bereitet die Stadt deren Aufnahme vor. Die PNN geben einen Überblick zum Stand der Dinge.

Wie viele Flüchtlinge sind schon da?

Die genaue Zahl ist unklar, weil offenbar viele Menschen auch erst einmal bei Freunden oder Verwandten untergekommen sind. Die Stadtverwaltung hatte bereits am Donnerstag die Unterbringung von 70 Ukrainer:innen in Pensionen und Hotels organisiert – bei dieser Zahl blieb es auch am Freitag. Wie viele noch kommen, ist völlig offen. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) stellt sich allerdings auf eine „noch größeren Herausforderung als 2015“ ein – damals hatte die Stadt innerhalb weniger Monate fast 1500 Menschen aufgenommen, vor allem wegen des syrischen Bürgerkriegs.

Wo sollen die Menschen unterkommen?

Zunächst zum Beispiel in Pensionen, auch in Potsdams Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge gab es zum Ende vergangenen Jahres noch einige Dutzend freie Plätze – ob das allerdings reicht, ist fraglich. Das Rathaus selbst meldet seit Tagen, es würden diverse Optionen geprüft – unter der Maßgabe, dass die Nutzung von Turnhallen möglichst vermieden wird, damit weiter Schulsport stattfinden kann.

Das linke Netzwerk „Stadt für alle“ forderte, dass der nächstes Jahr für den Abriss vorgesehene Wohnblock Staudenhof zur Unterbringung genutzt werden müsse – und dass die Anstrengungen zum Leerzug des Gebäudes daher mindestens ein Jahr auszusetzen seien. Hier gebe es schon einen funktionierenden Quartierstreff, der bereits im September seine Arbeit einstellen sollte, erinnerte das Netzwerk. Dazu sagte eine Rathaussprecherin, auch „die Option Staudenhof“ werde derzeit geprüft.

Wovon sollen die Flüchtlinge leben?

Diese Frage scheint gelöst. Die brandenburgische Integrationsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) informierte die Kommunen, dass die Geflüchteten zunächst Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hätten, wenn sie ein Schutzbegehren äußerten. Nach Inkrafttreten des betreffenden EU-Beschlusses erhielten Betroffene auch eine Aufenthaltserlaubnis, hieß es. Dann stünden ihnen staatliche Leistungen zu – und sie dürften auch arbeiten.

Wie bereiten sich Kita-Träger vor?

Ein Beispiel dafür schilderte am Freitag die in Potsdam mit rund einem Dutzend Einrichtungen aktive Fröbel-Gruppe. Diese kündigte die „unkomplizierte und schnelle Aufnahme und Eingewöhnung von Kindern“ aus geflohenen Familien an. Zugleich appellierte der Träger aber auch an Politik und Verwaltungen, „hier unbürokratisch zu unterstützen und auch kurzfristige Überbelegungen zu genehmigen“. Den für Menschen ohne deutsche Sprachkenntnisse aufwendigen Beantragungsprozess wolle man mit Hilfe der Kita-Leitungen „proaktiv unterstützen“. Der Träger kündigte auch Informationsvideos zum Ankommen mit Kindern in Deutschland in ukrainischer Sprache an, die man auf der eigenen Internetseite veröffentlichen wolle. „Darüber hinaus wollen wir Erzieher:innen, die aus der Ukraine geflohen sind dabei helfen, dass ihre Qualifikation schnell anerkannt wird und sie wieder arbeiten können.“ Eine Infomail-Adresse ist unter ukraine@froebel-gruppe.de eingerichtet.

Was passiert mit geflüchteten Schülern?

Sie sollen nach einer Übergangszeit Unterricht erhalten. So bereiten sich Schulen in Brandenburg nach Angaben des märkischen Bildungsministeriums bereits auf den Unterricht für Kinder und Jugendliche aus der Ukraine vor. Für junge Menschen, die nicht in einer Aufnahmeeinrichtung des Landes untergebracht seien, beginne die Schule sechs Wochen nachdem sie einen Wohnort in Brandenburg gefunden haben, sagte eine Ministeriumssprecherin am Freitag auf Anfrage. Für junge Menschen in einer Aufnahmeeinrichtung starte die Schule nach drei Monaten. Die Schulpflicht ruhe in dieser Zeit, sagte sie. Das gebe den Kindern und Jugendlichen Zeit, um in der neuen Umgebung und nach der Flucht „anzukommen“.

An allen Aufnahme-Standorten bietet das Ministerium den Angaben zufolge freiwillige Sprachförderkurse schon in den ersten drei Monaten an. Zudem werden Vorbereitungsgruppen eingerichtet, sollte der Aufenthalt länger als drei Monate dauern. Sollten die Sprachkenntnisse nicht ausreichen für die Teilnahme am Unterricht, besteht zusätzliche Förderung in der Schule. Für Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern, aber mit Freunden oder Verwandten flüchten, werde geprüft, welche Hilfe sie benötigen, hieß es. Die Jugendämter bereiteten sich aktuell auch darauf vor, unbegleitete Kinder und Jugendliche vorläufig in Obhut zu nehmen. Sie werden dann in einer entsprechenden Hilfseinrichtung untergebracht.

Welche neuen Hilfslieferungen gibt es?

Das wie berichtet mit der Ukraine eng verbundene Klinikum „Ernst von Bergmann“ hat zusammen mit der Hasso Plattner-Stiftung und der Stadt Potsdam eine medizinische Hilfslieferung in die ukrainische Stadt Lwiw organisiert, die am Freitag startete. Mit dabei: Medikamente, Operationsmaterialien und medizinische Großgeräte, etwa zum Röntgen oder für die Narkose. Im Klinikum sind mehr als 100 Mitarbeiter:innen mit ukrainischen Wurzeln tätig, dazu gibt es Kooperationen mit Einrichtungen im Kriegsgebiet.

Was macht die Kultur?

Zum Beispiel ein Spendenkonzert. Unter Schirmherrschaft von Landeskulturministerin Manja Schüle findet am Mittwoch ein für Besucher kostenfreies Solidaritätskonzert im Nikolaisaal statt, Beginn ist 19 Uhr. Unter anderem treten die Band Keimzeit, das Landespolizeiorchester, das Filmorchester Babelsberg sowie der Sänger Michael Heller, und die Pianistin Olga Shkrygunova auf. Tickets gibt es auf der Homepage des Nikolaisaals.

Was tun die Kirchen?

Angesichts der furchtbaren Lage gibt es in vielen Kirchen der Stadt derzeit ein Friedensliedersingen – Termine finden sich im Internet unter www.kirchenkreis-potsdam.de. Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Potsdam lädt zu einem besonderen Ökumenischen Friedensgebet für die Ukraine ein – und zwar am Sonntag um 15.30 Uhr am Haus 1 in der Alexandrowka. Von dort geht es dann gemeinsam zur nahen Alexander-Newski-Gedächtniskirche der russisch-orthodoxen Gemeinde.

Wie können Potsdamer helfen?

Nach den ersten großen Hilfsaktionen mit Spenden-Transporten an die ukrainisch-polnische Grenze wird nun versucht, die Hilfsangebote in Potsdam zu koordinieren. Das Rathaus hat im Internet unter www.potsdam.de/sie-moechten-helfen dazu eine Seite eingerichtet.

So sollen Potsdamer:innen, die Wohnraum für Geflüchtete bereitstellen können, sich unter der Adresse Ukraine-helfen@rathaus.potsdam.de melden – hier sind nur Wohnangebote gemeint.

Alle weiteren Hilfsangebote finden sich zudem bei der Internetadresse www.helpto.de unter dem Reiter „Ukrainehilfe“.

Der Förderkreis des städtischen „Ernst von Bergmann“-Klinikums nimmt weiterhin Geldspenden für medizinischen Hilfen für Krankenhäuser in der Ukraine entgegen. Die Kontodaten lauten: Freundes- und Förderkreis Klinikum Ernst von Bergmann e.V.; Verwendungszweck: „Medizinische/humanitäre Hilfe für die Ukraine“; Deutsche Bank AG Potsdam; IBAN DE95120700240309266500; BIC DEUTDEDB160

Beim Potsdamer Veritas-Pflegedienst, Zeppelinstraße 23b und 148, können Erste-Hilfe-Boxen, Verbandsmaterial und Thermounterwäsche abgegeben werden. Infos: www.pflegedienstpotsdam.de. (mit dpa/ KG)

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