Pläne für RAW-Halle: Scheitert das geplante Digitalzentrum in Potsdam?
Auf dem Gelände der RAW-Halle in Potsdam soll Europas größtes Digitalzentrum entstehen. Doch das Projekt wird von vielen Seiten kritisiert. Der Investor droht deshalb nun, nach Hamburg zu gehen.
Potsdam - Die Planungen für das 100 Millionen Euro teure Zentrum für die Digitalwirtschaft auf dem Gelände der alten RAW-Halle kommen ins Wanken. Nach Dauerkritik und der Forderung nach einem Architektenwettbewerb für den bis zu 33 Meter hohen Bau mit einem Zickzack-Dach droht der Investor nun damit, abzuwandern.
„Die Gefahr, dass das Ganze zerredet wird, ist leider gegeben“, sagte der Geschäftsführer der eigens gegründeten Raw GmbH, Mirco Nauheimer, am Samstag auf PNN-Anfrage. Dann würden die in den Startlöchern stehenden Unternehmer mit zusammen rund 700 neuen Mitarbeitern nach Hamburg gehen oder dort erweitern. Insgesamt sollen in dem Zentrum – auch über Start-Ups, Freizeitangebote und Gastronomie – mindestens 1000 neue Jobs entstehen.
Architekten und Publikum kritisierten Pläne
Doch seit der am Freitagabend stattgefundenen Sitzung des Gestaltungsrats, der die Stadt bei Architekturfragen berät, könnte das Projekt kippen. Dort hatte es deutliche Kritik von den Architekturexperten, aber auch aus dem Publikum gegeben – und nur wenig Lob für den geplanten Bau. So entwickelte sich der Abend zum verbalen Schlagabtausch. So sagte die Dresdner Städtebauprofessorin Angela Mensing-de Jong, der Entwurf sei „noch nicht der Weisheit letzter Schluss“ – etwa in Bezug auf die deutlich geringere Höhe der Gründerzeit-Häuser auf der anderen Seite der Friedrich-Engels-Straße. Der Berliner Architekt Dieter Eckert sagte, man wünsche sich Alternativen – schließlich gehe es um ein Zeichen für Potsdam, direkt an der Bahnstrecke nach Berlin. Die Münchner Städtebauprofessorin und Gestaltungsratsvorsitzende Sophie Wolfrum forderte schließlich ein Wettbewerbsverfahren – „im Sinne einer Baukulturentwicklung“.
Entwürfe von zwölf Architektenbüros
Das aber lehnte Nauheimer sofort ab. „Wir sind kein öffentlicher Bauherr.“ Der Streit zeige ihm aber, „dass wir alles richtig gemacht haben“. Im Vorfeld habe man sich Entwürfe von zwölf Architektenbüros eingeholt, die auch 50 Meter hohe Varianten als Angebot geplant hätten. Auch sei der Entwurf aus der Hand des Berliner Star-Architekten Jürgen Hermann Mayer bereits nach ersten Hinweisen aus dem Gestaltungsrat schon einmal verändert worden – so sei die nun auch kritisierte Brücke über die RAW-Halle ausdrücklich gewünscht gewesen.
Durch diese Bauform, deren Umsetzung anspruchsvoll sei, werde man auch keine Rendite erzielen können, sagte Nauheimer. Doch das sei „Qualität, die zu Potsdam passt.“ Mit guten Materialien und einem Lichtkonzept werde der Bau weithin akzeptiert werden.
Rubelt: Wir stehen am Anfang des Verfahrens
Doch auch Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos), der bei ersten Projektvorstellungen noch sehr für das Vorhaben geschwärmt hatte, brachte einen Wettbewerb ins Spiel: „Ist das das, was wir als Stadteingang wollen?“ Man stehe erst am Anfang eines Verfahrens sagte Rubelt auch mit Blick auf den noch aufzustellenden Bebauungsplan, den die Stadtverordneten beschließen müssen. Zuletzt hatte sich zumindest für den Start des Verfahrens eine Mehrheit abgezeichnet.
Nauheimer jedenfalls machte mehrfach deutlich, dass er sich ein zügiges Verfahren wünsche. Man brauche Planungssicherheit beim zeitlichen Vorlauf – Ende 2021 soll das Ganze schon fertig sein. Mit Verweis auf den in Berlin gescheiterten Google-Campus sagte er, darüber habe man sich kaputtgelacht – doch das drohe nun auch Potsdam. Kritikern aus der Politik warf er vor, sich vor allem im Vorfeld der Kommunalwahl zu profilieren. Auch der Wirtschaftsförderer im Rathaus, Stefan Frerichs, warnte davor, die Hinweise von Nauheimer einfach abzutun: Für solche Großprojekte gebe es Zeitfenster, die sich öffnen, aber auch wieder schließen.
Die denkmalgeschützte Halle würde von Brückenriegel darüber „degradiert“
Davon ließ sich aber die Grünen-Bauexpertin Saskia Hüneke nicht beirren. Sie würde ein Werkstattverfahren für den Bau bevorzugen, sagte sie – denn die „200 Meter langgezogene Monotonie“ des Bauwerks könne sie nicht ertragen. Hier zumindest sagte Nauheimer zu, noch einmal zu überlegen, „wie wir das etwas eleganter hinbekommen“. Das Dach habe man schon etwas ruhiger gestaltet. Hüneke ging in ihrer Kritik aber noch weiter: So werde die denkmalgeschützte Halle von dem Brückenriegel darüber „degradiert“.
Auch andere Gäste äußerten Kritik – etwa, dass man sich von der IT-Branche nicht die Bauleitplanung diktieren lassen dürfe. Die Architektin Sabine Kuhn etwa vermisste in den Modellen, wie der massige Bau auf die nähere Umgebung wirken werde: „Sie tun so, als ob sie auf der grünen Wiese bauen.“ Jörg Limberg, der im Rathaus zuständige Denkmalschützer für die Teltower Vorstadt, machte wiederum deutlich, dass er mit der Höhe des Neubaus Bauchschmerzen habe. Zudem fehle ein verbindendes Element zwischen Neubau und alter RAW-Halle.
Ähnlich sagte auch Ulrich Zimmermann von der Initiative Mitteschön, der Kontrast von Halle und Neubau sei noch zu hart.
Knalleffekt, der über Potsdam hinausstrahlen werde
Dagegen erklärte RAW-Architekt Mayer, die Spannung zwischen Alt- und Neubau sei gut – diese Architektur werde begeistern. Auch von einem Knalleffekt, der weit über Potsdam hinausstrahlen werde, war auf Investorenseite die Rede. Auch der Digital-Unternehmer Archibald Horlitz, der auch Präsident des SV Babelsberg 03 ist, warb für das Projekt, das Charme besitze und Magnetwirkung haben werde: „Hier sollte Potsdam Mut beweisen.“ Wenn die Stadt diese Chance nicht nutze, wäre das „sehr schade“. Nauheimer sagte den PNN, für die weitere Diskussion wünsche er sich auch Verständnis dafür, dass der Bau in die Stadt passen soll, aber eben auch Nutzer anziehen müsse.
Keine Rolle spielte der bisher nicht öffentlich genannte Geldgeber, der hinter der RAW Potsdam GmbH steht – und ihrem Eigner, einer zypriotischen Investorengesellschaft. Auch daran hatte es Kritik gegeben. Wirtschaftsförderer Frerichs teilte nun auf Anfrage mit, Nauheimer habe der Stadt nun „einen Einblick in entsprechende Unterlagen zur Gesellschafts- und Finanzierungsstruktur“ vorgelegt. Das Unternehmen werde diese Informationen noch offenlegen, hatte auch Nauheimer zugesagt.