CDU-Kandidatin für Bundestagswahl 2017: Saskia Ludwig auf Kurs?
Die CDU nominierte mit deutlicher Mehrheit ihre Bundestagskandidatin für den Potsdamer Wahlkreis: Saskia Ludwig. Eine AfD-Nahe im Aufwind.
Potsdam - Ein Pfeifkonzert, laute Buhrufe brechen über den CDU-Mann herein. Ob sie kein christliches Menschenbild habe, wollte er von seiner Parteifreundin Saskia Ludwig wissen. Wegen der restriktiven Position der 48 Jahre alten CDU-Kreischefin von Potsdam-Mittelmark in der Flüchtlingspolitik. Es war wenige Minuten bevor 272 im Potsdamer Kongresshotel anwesende Mitglieder der CDU im Wahlkreis 61 ihren Kandidaten für die Bundestagswahl 2017 wählten. Die Pfiffe haben das Ergebnis vorweggenommen. Ludwigs Gegenkandidat Gregor Ryssel, ebenso 48, der vom Vorstand des Kreisverbands Potsdam um Steeven Bretz, dem Generalsekretär der Landespartei, ins Rennen geschickt worden war, hatte keine Chance. In seiner Rede hatte er über das Christliche gesprochen und gesagt: „Wir müssen Veränderungen als Chance begreifen. Menschen, die in Not geraten sind, die aus Verzweiflung ihre Heimat verlassen, denen helfen wir.“ Es ist die Linie von Bundeskanzlerin Angela Merkel – und die von Bretz und dem Landesparteichef Ingo Senftleben.
Auf der anderen Seite, am rechten Flügel, ist Saskia Ludwig. Auf die Frage nach ihrem christlichen Menschenbild sagt sie: „Es kann nicht sein, dass wir als CDU nur das postulieren, was die linken Parteien postulieren. Ich glaube nicht, dass das unchristlich ist. Ich denke, damit müssen wir ein Stückchen ehrlicher umgehen.“ Die Partei dürfe sich nicht dem „politischen Mainstream“ anpassen. Aber Ludwig vermeidet es, Merkel namentlich zu nennen, anders als in der Vergangenheit. Nun sagt sie es abstrakt: Zu viele Politiker versuchten, nicht anzuecken.
Mit dem Anecken kennt sich Ludwig aus. Als Chefin von Landtagsfraktion und Landespartei bis 2012 fuhr sie einen harten Oppositionskurs, nicht nur gegen Rot-Rot, innerhalb der Bundespartei – und zwar stramm konservativ, gegen den Liberalisierungskurs der Kanzlerin. Darüber stolperte sie – und blieb sich treu.
In der Landes-CDU hielt man Übertritt Ludwigs zur AfD für möglich
Im Landtag stimmte sie mal mit der AfD, im Januar war sie beim Neujahrsempfang der AfD-Fraktion, bei dem auch Björn Höcke zu Gast war. In der Führung der Landes-CDU hielten es nicht wenige für möglich, dass sie überläuft. Aber zuletzt hielt sich Ludwig mit Avancen nach rechts zurück, sie machte das Gegenteil. Bei ihrer Bewerbungsrede sagte sie nun, dass die CDU „ihre Partei“ sei. Aber in ihrer Rede vor den Parteimitgliedern aus Potsdam und Teilen von Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming ging es um Merkels Flüchtlingspolitik. „Ich hatte große Hoffnung, dass nach dem AfD-Erfolg in Mecklenburg-Vorpommern endlich eine interne Analyse stattfindet“, sagte sie.
Ludwig setzte sich durch: 193 von 272 Mitgliedern stimmten für sie. Ein Ergebnis von 71 Prozent. Dass sie gewinnt, damit wurde durchaus gerechnet, nicht aber in dieser Deutlichkeit. Nun könnte man das als klare Positionierung der Basis werten, gegen Merkel nämlich, gegen Senftleben. So einfach ist es nicht.
Steht die CDU-Basis noch hinter der Führung?
Nach der eindeutigen Nominierung – ihr liberalerer Gegenkandidat Gregor Ryssel ging mit 29 Prozent krachen – steht die Partei in der Landeshauptstadt vor der Frage, ob die Basis noch hinter dem Kurs der Führung steht. Bretz, Generalsekretär und Potsdamer Kreischef, hatte sich im Vorfeld der Nominierung lobend zu Ryssel geäußert. Landesparteichef Senftleben hielt sich öffentlich zurück, seine Linie: Die Zeit der Einmischung von oben, der Machtspielchen in Brandenburgs CDU ist vorbei. Und doch war Ryssel irgendwie der Kandidat der Landesspitze. Únd doch wieder nicht: Denn Ryssel hat keine Erfahrung als Politiker, ist weit weniger bekannt als Ludwig und konnte am Dienstagabend rhetorisch kaum mit ihr mithalten; seine Vorstellungsrede uferte aus, er steckte nicht in den Themen, auf kritische Nachfragen vermochte Ludwig geschickter zu antworten. Für zahlreiche Mitglieder war auch das ein Grund, die Professionelle zu wählen, Ryssels Rede sei teils unterirdisch gewesen. Wäre er der Mann des Landesvorstands, um Ludwig zu verhindern – er hätte besser vorbereitet sein müssen.
Nach der Nominierung Ludwigs sagte Bretz den PNN dann: „Das ist ein absolut eindeutiges Ergebnis.“ Es gehöre dazu, solche Entscheidungen zu akzeptieren. „Jetzt verwenden wir alle Kraft darauf, dass die CDU den Bundestagswahlkampf gewinnt.“ Möglicherweise wäre es besser gewesen, wenn Bretz selbst als Kandidat angetreten wäre, heißt es aus Reihen der CDU. Wenn es klare Fronten gegeben hätte: Dort Ludwig von rechts außen, von Senftlebens Führungstruppe ausgegrenzt, da der Mann mit der Position der Landesspitze. Es ist kein Geheimnis, dass Ludwig genau diese Konfrontation sucht: Sie gegen die anderen, ihre Feinde, die Merkel-Getreuen. Das hat etwas von Märtyrertum. Doch Bretz wollte nicht: Angeblich, weil er mit Senftlebens neuem Team, mit dem neuen Kurs, alles auf die Landtagswahl 2019 setzt.
Bemerkenswert war auch, dass deutlich weniger CDU-Mitglieder den Weg ins Kongresshotel fanden als noch vor vier Jahren in Werder (Havel). Da hatte Ludwig noch gegen die damalige Potsdamer Kreischefin und langjährige Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche verloren, die darin erfahren war, Mehrheiten zu organisieren. Das Ergebnis damals: 223 zu 184 für Reiche – Ludwig erhielt im Vergleich also nur neun Stimmen mehr.
Potsdamer Kreisverband gilt als zerstritten
Zu dem Ergebnis von Dienstagabend gehört auch dies: Zuletzt hatte es auch im Potsdamer Kreisverband, der ohnehin als zerstritten gilt, Unmut über eine von Kreischef Bretz geplante Reform der Strukturen des Potsdamer Kreisverbands gegeben. Vor allem der Kreisverband Potsdam-West hatte sich dagegen aufgelehnt, die Rechtmäßigkeit der geplanten Veränderungen bezweifelt. Andere in der Potsdamer CDU beklagen schon seit Jahren, der Vorstand der Partei habe es in der Zeit nach der vergangenen Bundestagswahl immer weniger vermocht, auch einfache Parteimitglieder außerhalb von Wahlkampfzeiten zu mobilisieren. Andererseits gibt es auch in Ludwigs Kreisverband Absetzbewegungen, vor allem beim Parteinachwuchs, der Jungen Union.
Ihren Wahlkampf bei den Mitgliedern hatte Ludwig professionell durchgezogen, sich im Landtag aber rar gemacht, wie es aus der Fraktion heißt. Ludwig sieht sich jetzt wieder im Aufwind, manche fürchten neue Unruhe. Sie könne der Partei, der Spitze um Senftleben, noch zu schaffen machen mit ihrem Anti-Merkel-Kurs. Dazu passen ihre Worte. Zu ihrer Nominierung sagte sie selbstbewusst: „Ich denke, das ist ein überragendes Ergebnis – gerade in diesen Zeiten. Das gibt Rückenwind!“
Katherina Reiche gewann viele Wähler aus bürgerlichen Schichten - und Ludwig?
Ob sich der Wahlkreis mit Ludwig im kommenden Jahr tatsächlich gewinnen lässt, wird in den Reihen der CDU allerdings bezweifelt. Denn: 2013 gewann die CDU den Wahlkreis mit nur 0,4 Prozent vor der SPD. Auch weil die damalige CDU-Kandidatin Katherina Reiche Wähler aus bürgerlichen Schichten für sich gewinnen konnte. Ludwig aber dürfte vor allem den rechten Rand der CDU-Wähler ansprechen, das könnte der Partei insbesondere im als liberal geltenden Potsdam zum Verhängnis werden. Hinzu kommt die AfD. Wer ist das Original? Wie will Ludwig eine demokratische Partei rechts von der CDU verhindern? Von der AfD gibt es bereits erste Signale, dass Landeschef Alexander Gauland nicht an seinem Wohnort in Potsdam antritt.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität