zum Hauptinhalt
Lösung im Kitastreit? Im September sollen die Stadtverordneten über die Vorschläge diskutieren. 
© Andreas Klaer

Kitas in Potsdam: Rechenkunststücke mit Kitabeiträgen

Die Potsdamer Verwaltung macht sieben Vorschläge zur Erstattung zu viel gezahlter Kitabeiträge. Für das Rathaus wird das teuer. 

Die Rückzahlung der seit Anfang 2016 zu hoch angesetzten Kitagebühren rückt näher – und wird die Stadt Potsdam zwischen 2,7 und 25,7 Millionen Euro kosten. Diese große Spannbreite ergibt sich aus sieben Varianten für die freiwillige Rückzahlung, die Sozialdezernent Mike Schubert (SPD) am Donnerstag vorstellte und über die nun die Stadtverordneten am 5. September erstmals beraten sollen. Eine Entscheidung dürfte wegen der komplexen Materie und der hohen Summen aber wohl erst im November fallen – nach der Oberbürgermeisterwahl. Die PNN geben einen Überblick über die einzelnen Varianten, die auf Antrag der Stadtverordneten komplett durchgerechnet worden sind. 

Das für die Stadt günstigste Modell 

Bei dieser Variante würde die Stadt die fehlerbehaftete Kitasatzung von 2016 selbst kippen und die vorherige Satzung von 2014 in Kraft treten lassen. Damit würden nur jene 1600 Eltern Geld zurückerhalten, die von der 2016 erfolgten Erhöhung der Kitagebühren für Besserverdienende mit mehr als 77 000 Euro Jahreseinkommen betroffen waren. Die Stadt würde das insgesamt bis zu 2,8 Millionen Euro kosten – für die Eltern wären das im Schnitt 1750 Euro, je nach Einkommen und Länge der täglichen Kitabetreuung. Weiterer Vorteil für die Stadt: Die Klage der Arbeiterwohlfahrt gegen die Satzung von 2016 wäre damit automatisch vom Tisch, weil die Satzung eben nicht mehr gelten würde. Der große Nachteil: Das Grundproblem, dass Potsdam fälschlicherweise die Personalkostenzuschüsse des Landes in die Kalkulation der Beiträge einbezogen hat, bliebe damit bestehen. Damit wäre eine Klagewelle, die das Rathaus erklärtermaßen vermeiden will, wahrscheinlich. 

Das Problem bei einem solchen Prozesschaos: Die Eltern müssten gegen ihre Träger als Vertragspartner klagen, diese wiederum bei der Stadt. Dazu kommt, dass manche Träger auch den Sitz in Berlin haben, also verschiedene Gerichte zuständig wären. Durch viele Klagen wären die Träger zugleich gelähmt, befürchtet Schubert. Der Bau dringend benötigter Kitas könnte ins Stocken geraten.

Auf Tour: Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs und Sozialdezernent Mike Schubert (beide SPD) informieren sich über Baumaßnahmen des Kommunalen Immobilien Service (KIS) in der Kita Regenbogenland. 
Auf Tour: Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs und Sozialdezernent Mike Schubert (beide SPD) informieren sich über Baumaßnahmen des Kommunalen Immobilien Service (KIS) in der Kita Regenbogenland. 
© Andreas Klaer

Die Träger rechnen

Viele Unwägbarkeiten sind auch mit Alternative Nummer zwei verbunden. Demnach müsste jeder der fast 50 Potsdamer Träger rückwirkend die Beiträge für seine mehr als 120 Einrichtungen noch einmal selbst kalkulieren und mit der Verwaltung aufwändig abstimmen. Da die Einrichtungen – je nach Alter – unterschiedliche Betriebskosten haben, würden auch die Beträge, die Eltern erhielten, erheblich differieren. Schubert machte deutlich, dass er dieses Modell als zu kompliziert erachte. Die Stadt kalkuliert hier mit Kosten von drei bis 26 Millionen Euro.

Das Teltower Modell

Auch in der benachbarten Kommune Teltow sind die Beiträge falsch berechnet worden – dort hat man bereits an Eltern Geld zurückzahlt. Auch bei diesem komplexen Modell profitieren vor allem besserverdienende Eltern, die Stadt geht hier von 2700 Nutznießern aus. Das würde die Stadt bis zu 4,5 Millionen Euro kosten – damit würden alle betroffenen Eltern rein rechnerisch im Durchschnitt 1666 Euro erhalten, je nach Einkommen und Kitaaufenthaltsdauer.

Streit um Kitabeiträge: Eltern und Kinder demonstrieren Ende Juni vor dem Potsdamer Stadthaus. 
Streit um Kitabeiträge: Eltern und Kinder demonstrieren Ende Juni vor dem Potsdamer Stadthaus. 
© Andreas Klaer

Gesenkte Beiträge als Grundlage

Das vierte Modell der Rückzahlung nimmt die seit August geltende und deutlich günstigere Beitragsordnung als Grundlage. Die Differenz zwischen alten und neuen Beiträgen erhalten die Eltern zurück. Der Vorteil: Nicht nur besserverdienende, sondern alle Potsdamer Eltern würden entlastet. Insbesondere die falsch eingerechneten Personalzuschüsse wären vom Tisch. Die Stadt rechnet in dieser Variante mit Gesamtkosten von bis zu 12,1 Millionen Euro. Die Eltern könnten sich auf eine Rückzahlung freuen, die der nun erfolgten Senkung der Beiträge entspricht. Lag die Entlastung also mit den neuen Kitagebühren bei 100 Euro pro Monat, würde der Rückzahlungsbetrag pro Jahr bei 1200 Euro liegen, ebenso je nach Einkommen und Zeit in der Kita.

Das 15-Millionen-Euro-Modell

Eine weitere Rechenvariante, von der alle Eltern profitieren würden, käme die Stadt mit bis zu 14,8 Millionen Euro noch etwas teurer zu stehen. Hier würden nur die Beitragshöchstwerte angepasst, die immer noch strittigen Personalkostenzuschüsse blieben aber unbereinigt.

Engagiert: Wiebke Kahl vom Kita-Elternbeirat engagiert sich seit Jahren für eine bessere Kinderbetreuung in Potsdam.
Engagiert: Wiebke Kahl vom Kita-Elternbeirat engagiert sich seit Jahren für eine bessere Kinderbetreuung in Potsdam.
© Andreas Klaer

Der Wunsch des Elternbeirats

Am teuersten wäre es, wenn die Stadtverordneten allen Wünschen des Potsdamer Kita-Elternbeirats folgten, der die zu hoch angesetzten Kitabeiträge im vergangenen Herbst aufgedeckt hatte. In dem Modell wäre mit Gesamtkosten von 25,5 Millionen Euro zu rechnen, alle Potsdamer Eltern würden davon profitieren. Allerdings würde diese Variante die Eltern rückwirkend überdurchschnittlich bevorzugen, heißt es in der Vorlage von Schubert. Daher gebe es keine Rechtfertigung für die Anwendung dieses Maximalmodells, machte Schubert deutlich: „Man darf die Stadt auch nicht überfordern.“ Eine ähnliche weitere Variante würde 25,7 Millionen Euro kosten. Auch diese wird vom Rathaus abgelehnt.

Wie geht es nun weiter?

Nun müssen zunächst die Stadtverordneten beraten. Schubert appellierte, man möge eine Lösung auch im Konsens mit den Trägern und möglichst vielen Eltern finden. Angesichts der hohen Summen sei vermutlich auch ein Nachtragshaushalt nötig, erklärte Schubert. Wenn sich die Stadtverordneten auf ein Modell einigen, geht es an die Auszahlung. Dazu will die Stadtverwaltung mit größeren Trägern zusammen eine Servicestelle einrichten, bei der betroffene Eltern dann die Rückzahlung beantragen müssten. Eine pauschale Regulierung sei wegen der komplexen Rückrechnung nicht möglich, so Schubert. 

Nicht ausgeschlossen wird, dass selbst bei einer Einigung einige Eltern dennoch den Klageweg bestreiten. Damit kippe aber nicht das Gesamtkonzept, sagte Rechtsamtschefin Karin Krusemark. Und eine weitere Unbekannte gibt es noch: Der zur Verfügung stehende Ermessensspielraum für freiwillige Rückzahlungen soll noch mit der Kommunalaufsicht des Landes geklärt werden. Wegen der Ferienzeit könne dieses Gespräch erst am 28. August stattfinden, sagte Schubert. Dann soll klar sein, ob Potsdam überhaupt freiwillig zurückzahlen darf.

Zur Startseite