Kampf um die Kitabeiträge in Potsdam: Nicht schweigen, wenn es ungerecht ist
Wiebke Kahl vom Kita-Elternbeirat engagiert sich seit Jahren für bessere Kinderbetreuung. Ihre Arbeit hat bereits Früchte gezeigt.
Potsdam - Ein Etappensieg – so bezeichnet Wiebke Kahl vom Potsdamer Kita-Elternbeirat die Entscheidung der Stadtverordneten am Dienstagabend. Laut neuer Gebührenordnung zahlen Eltern ab 1. August niedrigere Beiträge (siehe Kasten). Seit Monaten kämpft Kahl mit anderen Eltern dafür. Der Kita-Elternbeirat war es, der durch Akteneinsicht die seit Jahren zu hoch angesetzten Beiträge überhaupt erst ans Licht gebracht hatte. Nur eine Etappe deshalb, weil die Rückzahlung der zu viel gezahlten Beiträge noch immer nicht beschlossen ist. Die Stadt rechnet dazu nun wie berichtet fünf Varianten durch, im Herbst sollen die Stadtverordneten entscheiden. „Um das Geld geht es mir gar nicht“, sagt Kahl. Sondern um gerechte Beiträge für alle Eltern. Vor allem aber: „Dass so etwas nicht einfach durchgehen kann.“
Wiebke Kahl, Mutter zweier Kinder, engagiert sich schon seit Jahren für bessere Bedingungen in den Kitas. Angefangen hat es, so erzählt sie, als ihre Tochter 2015 in die Krippe kam. Während der Eingewöhnung musste sich die Erzieherin um zwei Kinder kümmern, die viel weinten. Für die kleine Neue blieb kaum Zeit. „Es gab einfach nicht genug Personal“, sagt die 38-Jährige. Dann fiel wenig später auch noch eine Erzieherin aus, es gab monatelang keinen Ersatz. „Das hat mich sehr irritiert, ich wollte Antworten auf meine Fragen“, sagt Kahl. Also ging sie in die Einwohnerfragestunde – aber da hieß es nur, es gebe keine Probleme.
„Nur am Küchentisch zu meckern, bringt doch nichts.“
„Manche Dinge kann man nicht unwidersprochen lassen“, sagt die Babelsbergerin, das habe sie schon immer so gesehen. Noch in Schulzeiten war die gebürtige Potsdamerin Schülersprecherin. Auch während ihres Studiums in internationaler Betriebswirtschaftslehre in Zürich und Cambridge engagierte sie sich als Jahrgangssprecherin. „Vielleicht wegen meiner großen Klappe“, sagt die energische Frau scherzend. „Wenn ich etwas ungerecht fand, fiel es mir schon immer schwer zu schweigen.“
Dahinter steckt auch ein Stück Lebensphilosophie: „Nur am Küchentisch zu meckern, bringt doch nichts.“ So sieht sie ihr Engagement auch als politisches, für Bürgerbeteiligung, für die Interessen der Einwohner. Aber bitte keine Parteipolitik: „Ich will keine Rücksicht nehmen müssen, nur weil jemand in der gleichen Partei ist“, sagt die 38-Jährige.
Stattdessen startete sie 2016 die Online-Petition „Jetzt! Für bessere Kita-Betreuung in Potsdam“. 8000 Menschen unterschrieben. Einige Monate später dann mit anderen Eltern die Gründung des Kita-Elternbeirats, mit Wiebke Kahl im Vorstand. Auch als Vertreterin für den Kita-Landeselternbeirat wurde sie gewählt. Die Verantwortung nimmt sie ernst. „Ich will das Meinungsbild der Eltern vermitteln, die uns ihr Vertrauen schenken.“ Das sei manchmal eine Last – und die Frage: „Wie weit kann ich gehen?“ Kahls Ansatz: Immer erst einmal mit der Maximalforderung ins Rennen gehen.
Ihre Arbeit zahlt sich aus
Das bedeutet auch zahlreiche Sitzungen, im Jugendhilfeausschuss, im Vorstand des Beirats, das Verfassen von Stellungnahmen und Briefen. „Das hinterlässt Spuren und frisst viele Abende“, gibt Kahl zu. Ihr Mann habe viel Verständnis aufbringen müssen. Neben dem Engagement arbeitet sie Vollzeit als Projektmanagerin bei einer Versicherung, ihre Tochter ist mittlerweile vier, der Sohn sechs Jahre alt.
Doch die Arbeit zeigt Wirkung. Im September 2017 kündigte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) Zusatzmittel für Kita-Personal in Höhe von 4,5 Millionen Euro für das Jahr 2018 an. „Als ich das erfahren habe, bin ich durch die Küche getanzt“, erinnert sich Kahl. „Solche Momente gibt es nicht oft. Da merkt man, dass es wirklich etwas bringt – und die Leute spüren das auch.“
Kahl will etwas kürzer treten
Die Materie ist komplex, es geht um rechtliche Fragen, Zuständigkeiten von Bund, Land und Kommune. Ein Punkt, der Wiebke Kahl ärgert, ja sogar richtig aufregt. „In Brandenburg sträubt sich jeder dagegen, einfach Mal festzulegen, wie der Kita-Beitrag festgelegt werden darf.“ Am Ende, so ihre Auffassung, gehe es viel zu oft einfach um den Haushalt.
Nach den Sommerferien will Kahl sich, auch der Familie zuliebe, aus dem Vorstand des Kita-Elternbeirats zurückziehen – im Beirat will sie aber bleiben. Denn, das sei ihr durchaus bewusst, das Kitathema könne auch zur Obsession werden. Aber jetzt muss sie los, zur nächsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses.
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