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Voll am Zug. Besonders zur Hauptverkehrszeit kommen die Regionalexpresszüge schon voll in Potsdam an, wo sich dann noch weitere Pendler auf dem Weg nach Berlin in die Bahn quetschen. Mehr Züge wird es wohl erst ab 2022 geben.
© Sebastian Gabsch

Enttäuschung für Pendler: RE1: Zwischen Potsdam und Berlin bleibt es eng

Die Absage des Verkehrsministeriums Brandenburg an zusätzliche Züge zwischen Potsdam und Berlin stößt auf breite Kritik in der Region.

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Potsdam - Enttäuschung für Pendler: Zwischen Potsdam und Berlin wird es kurzfristig keine zusätzlichen Regionalzüge geben, die sämtliche an der Strecke liegenden Kommunen vehement gefordert haben. Eine Taktverdichtung auf der stark genutzten Regionalexpresslinie 1 wird es somit nicht vor Ende des Jahres 2022 geben. Nach Angaben des Brandenburger Infrastrukturministeriums ist der Grund dafür, dass die Bahn nicht über ausreichend Waggons verfügt, wie Ministeriumssprecher Steffen Streu den PNN auf Nachfrage sagte. „Es gibt keine Züge. So einfach ist das. Leider.“ Eine Angebotserweiterung sei nur möglich, wenn dazu auch das nötige Gerät vorhanden sei. Angesichts langer Ausschreibungs- und Lieferfristen brauche man Geduld.

Einen bitteren Beigeschmack hat die Absage an Potsdam auch, weil die Landesregierungen von Brandenburg und Berlin sich erst am Dienstag darauf verständigten, jährlich bis zu neun Millionen Euro zusätzlich bereitzustellen, um das Angebot im Regionalbahnverkehr auszuweiten. Doch Potsdam gehört nicht zu den Profiteuren. Stattdessen soll es mehr Sitzplätze durch zusätzliche Doppelstockwagen geben, die ab Frühjahr 2019 zwischen Berlin, Falkensee und Nauen eingesetzt werden, oder auch von Berlin nach Michendorf und Bad Belzig.

Viele Bahnsteige zu kurz für zusätzliche Waggons

Mehr Kapazität auf der Regionalbahnverbindung über Potsdam hatten in der Vergangenheit auch Fahrgastverbände, Unternehmen und die Universität Potsdam gefordert. Doch Züge mit mehr Waggons sind für den RE1 nicht möglich: Außerhalb des Berliner Außenrings sind viele Bahnsteige schlicht zu kurz. Das Ende des Zuges würde dann außerhalb der Bahnhöfe stehen. Das ist aus Sicherheitsgründen nicht zulässig. Ein Ausbau der – teilweise nur spärlich frequentierten – Haltepunkte wäre teuer und langwierig. Eine Kapazitätserweiterung könnte kurzfristig auf dem RE1 also nur mit zusätzlichen Fahrten erreicht werden – also mit einer Taktverdichtung. Doch um von zwei Fahrten pro Stunde auf drei umzustellen, wären laut Streu vier Züge nötig – mit jeweils fünf Waggons und einer Lok. Diese Menge habe die Bahn nicht übrig.

Im Potsdamer Rathaus ist man über diese Entwicklung enttäuscht. Dass die Stadt von den Verbesserungen im Regionalverkehr ausgeklammert wird, hatte man am Mittwoch aus der Presse erfahren. Es sei sehr bedauerlich, „dass unseren Forderungen nach einer besseren Anbindung auf verschiedenen Strecken und einer Taktverdichtung auf der RE1-Linie als einer der wesentlichen Pendlerstrecken deutlich vor 2022 nicht nachgekommen wird“, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den PNN. Gemeinsam mit dem Landkreis und den Nachbarkommunen tue die Stadt alles, was in ihrer Verantwortung liegt, um im öffentlichen Nahverkehr die Bedingungen für die wachsende Zahl von Pendlern zu verbessern und eine gute Anbindung der Hochschul- und Wissenschaftsstandorte zu gewährleisten. „Wir appellieren weiter an das Land, uns dabei zu unterstützen – und das nicht erst 2022“, sagte Jakobs.

Potsdams OB Jakobs dringt auf Taktverdichtung im Regionalverkehr

In der Stellungnahme der Stadt zum Landesnahverkehrsplan ab 2022 hatte Jakobs zuletzt noch einmal deutlich auf eine Taktverdichtung gedrungen – „spätestens zum Fahrplanwechsel 2018/19“. Dieser Forderung haben sich auch Brandenburg an der Havel, Lehnin, Groß Kreutz und Werder (Havel) angeschlossen. Eine Rückmeldung seitens des Landes gab es nach Rathausangaben bislang nicht.

Betroffen ist auch Potsdams Universität. Viele Studenten und Mitarbeiter pendeln nach Berlin. „Wir bedauern diese Entscheidung natürlich, da die in den letzten Jahren stark gewachsene Universität dringend eine bessere Anbindung benötigt“, sagte Uni-Präsident Oliver Günther. Derzeit werde die Mobilität der Wissenschaftler und Studierenden in Potsdam sowie zwischen Potsdam und Berlin durch die mangelhaften Verkehrsverbindungen spürbar eingeschränkt. „Die für den RE1 vorgesehenen zusätzlichen Kapazitäten sollten nicht erst 2022, sondern baldmöglichst realisiert werden“, so Günther weiter. Auch beim Standortmanagement für den Wissenschaftspark Golm ist man nicht begeistert: Das Aufkommen und der erwartete Anstieg an Pendlern bis 2022 sei nicht ausreichend berücksichtigt. Im Namen aller Anrainer und Nutzer des Wissenschaftsparks Potsdam-Golm bitte man, weitere Optionen zu prüfen, um die Anbindung von Golm an die Berliner Innenstadt in den nächsten Jahren zu verbessern.

„Zur Hauptverkehrszeit gleichen die Züge schon jetzt eher einem Viehtransporter“

Auch in der Mittelmark stößt die Absage an eine Taktverdichtung des RE1 auf großes Unverständnis. „Es ist mehr als ärgerlich, dass keine zusätzlichen Züge fahren, obwohl als Ziel ausgegeben wurde, die Pendler vom Auto in die Züge zu bekommen“, so Werders 1. Beigeordneter Christian Große (CDU). „Zur Hauptverkehrszeit gleichen die Züge schon jetzt eher einem Viehtransporter.“ Allerdings: Für Werder habe sich damit immerhin die Gefahr gebannt, dass die Schranken am Bahnübergang nahe des Bahnhofes künftig noch länger geschlossen bleiben als jetzt schon.

Für die Taktverdichtung hatte sich auch die mittelmärkische Kreisverwaltung nach einstimmigem Kreistagsbeschluss eingesetzt. Auch dort hat man aber nur aus der Presse von der Absage erfahren. Sollten sich die Informationen auch offiziell für den Kreis bestätigen, wäre das Verkehrsfachbereichsleiterin Debra Reußner zufolge sehr kritisch zu sehen. „Wir sorgen mit neuen Buskonzepten dafür, unsere Pendler auch aus der Fläche zu den Bahnhöfen zu bringen. Dort finden sie dann aber eine völlig unbefriedigende Situation vor“, so Reußner. Schließlich herrsche schon jetzt auf allen Expresslinien ein extrem hohes Fahrgastaufkommen, was wenig Anreiz biete, das Auto stehenzulassen.

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Kommentar: Das Infrastrukturministerium unternimmt nichts für Pendler im RE 1 - dabei gäbe es Möglichkeiten dafür. Enrico Bellin kommentiert die Absage an zusätzliche Regionalzüge von Potsdam nach Berlin.

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