Auszeichnung in der Schweiz: Preis für einen Potsdamer Seenotretter
Vier Potsdamer Seenotrettern droht eine lange Gefängnisstrafe in Italien. In der Schweiz werden sie dagegen mit einem Preis ausgezeichnet.
Potsdam - Der in Italien wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung angeklagte Seenotretter Sascha Girke und drei weitere Potsdamer erhalten einen Preis für sein Engagement auf dem Rettungsschiff Iuventa. Am 11. Mai soll ihnen und den anderen Crewmitgliedern „als Zeichen gegen die Kriminalisierung der Fluchthilfe“ in St. Gallen in der Schweiz der Paul Grüninger Preis verliehen werden, wie die Veranstalter mitteilten.
Preis für Verteidigung von Menschenrechten
Der Preis wird alle drei Jahre von der Paul Grüninger Stiftung an Personen oder Organisationen vergeben, die sich durch Menschlichkeit und besonderen Mut ausgezeichnet haben. Die Auszeichnung ist mit 50.000 Franken dotiert, was etwa 44.000 Euro entspricht. Benannt ist sie nach einem St. Galler Polizeikommandante, der während des Nationalsozialismus viele hundert jüdische Flüchtlinge rettete, indem er sie ohne Bewilligung der eidgenössischen Behörden in die Schweiz einreisen ließ – weswegen er 1939 vom Dienst suspendiert wurde und seine Pensionsansprüche verlor. Erst 1993, 21 Jahre nach seinem Tod in Armut, wurde Grüninger politisch rehabilitiert. Mit einer von der Schweiz gezahlten Entschädigung wurde die Stiftung ins Leben gerufen, die sich für die aktive Verteidigung von Menschenrechten einsetzt. Zu den Seenotrettern, die nun den Preis bekommen sollen, hieß es von der Stiftung, sie hätten dem „humanitären Versagen der europäischen Politik“ entgegengewirkt.
Im August 2017 war das Rettungsschiff Iuventa von der italienischen Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden. Gegen zehn Mitglieder, darunter den Rettungsassistent Girke und drei Potsdamer, laufen nun Ermittlungen. Sollte die Anklage wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung in eine Verurteilung münden, drohen Girke wie berichtet bis zu 20 Jahre Haft und eine Geldbuße von 15.000 Euro pro nach Italien gebrachter Person. Für den Prozess sammelt die Iuventa-Crew seit Monaten schon Spenden – auch deshalb kommt das Geld gerade Recht. Nominiert waren die Seenotretter zum Beispiel auch schon für den Sacharow-Preis, der seit 1998 vom Europäischen Parlament verliehen wird. Bekommen haben sie ihn letztlich nicht.
Bekenntnis zur Willkommenskultur
Das Thema Seenotrettung hat längst auch die Potsdamer Lokalpolitik erreicht. Die Stadtverordneten hatten im Dezember einen weitreichenden Antrag der Fraktion Die Andere beschlossen, wonach Potsdam sich der Initiative „Seebrücke – Schafft Sichere Häfen“ anschließt, sich zur Willkommenskultur bekennt und Menschen aufnimmt, die bei der Flucht im Mittelmeer gerettet wurden. Vergangene Woche gab es nun ein Treffen mit anderen Kommunen wie Hannover, Rostock und Flensburg, die sich ebenfalls der „Seebrücke“-Initiative angeschlossen haben. Man wolle das Anliegen verstärkt in die Öffentlichkeit tragen, sagte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) – auch mit Blick auf die nächste Sitzung des Deutschen Städtetags Anfang Juni.
Derweil hat die märkische SPD die rot-rote Landesregierung in einem am Montag veröffentlichten Beschluss dazu aufgefordert, ein Landesprogramm zu Aufnahme von aus Seenot geretteten Flüchtlingen zu initiieren. Zugleich wolle man Kommunen wie Potsdam unterstützen, die sich für eine freiwillige Aufnahme zur Verfügung stellen. „Eine glaubwürdige Sozialdemokratie dürfe nicht tatenlos zusehen, wie das Sterben im Mittelmeer weitergeht“, so der SPD-Beschluss.
Und aus Potsdam kommt noch mehr Unterstützung: So hat der 38 Jahre alte Tamás Blénessy jüngst zu seinem Geburtstag eine Spendenaktion zugunsten des Seenotrettungsvereins SeaWatch gestartet – über das soziale Netzwerk Facebook. Als Ziel hatte Blénessy, der für die Wählergruppe Die Andere zur Kommunalwahl antritt, eigentlich 200 Euro vor Augen. Doch inzwischen sind schon 5000 Euro zusammengekommen. „Das macht mich einfach sprachlos und glücklich“, so Blenessy.
* In diesem Beitrag war zunächst nur die Rede davon, dass an Bord der "Iuventa" ein Potsdamer gewesen sei. Nach Angaben von Sascha Girke waren es aber insgesamt vier Potsdamer, die in der Crew halfen.
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