Fridays For Future: Potsdamer Klimaforscher Edenhofer: „Die jungen Leute haben recht“
Der Chef des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, spricht im Interview über die Ziele von Fridays for Future und wie berechtigt die Klima-Sorgen der Jugend sind.
Herr Edenhofer, „Kohleausstieg jetzt“ und „Klimawandel jetzt“ heißt es auf den Plakaten der jungen Leute der Fridays-for-Future-Bewegung. Das sind sehr pauschale Forderungen zur Lösung eines sehr komplexen Problems. Wie realistisch sind diese Forderungen?
Diese Forderungen sind ein klares Statement: So kann es nicht weitergehen! Die Politik verzettelt sich in taktischen Details, verliert aber den Kampf gegen den Klimawandel. Dass die jungen Leute recht haben, sieht man jetzt auch wieder an den Vorschlägen der Verkehrskommission. Diese sind sehr mutlos. Auch die jungen Leute wissen übrigens, dass es Kompromisse braucht. Doch gerade sieht der Kompromiss so aus, dass die Politik viel zu wenig tut, weil sie sich im Klein-Klein und im Gezänk der Interessensgruppen verliert.
Die jungen Leute haben Angst, dass die Welt in ein paar Jahren nicht mehr so aussieht wie heute, weil die Erde sich erwärmt. Wie berechtigt sind diese Sorgen?
Vollkommen berechtigt. Der Hitzesommer 2018 hat auch uns in Deutschland vor Augen geführt, dass Extremwettereignisse längst Realität sind. Diese Extreme werden zunehmen. Schon heute haben sie in anderen Regionen der Welt verheerende Folgen für Menschen und Natur. Die Landwirtschaft leidet, die Nahrungsmittelpreise steigen, ganze Landstriche können langfristig unbewohnbar werden, wenn der Regen ausbleibt oder der Meeresspiegel steigt. In einer vier bis fünf Grad wärmeren Welt wird auch die durch den Klimawandel bedingte Migration zunehmen. Das wird soziale Spannungen hervorrufen, auch bei uns in Deutschland.
Der Protest der jungen Menschen gegen die aktuelle Politik ist auch einer, der sehr solidarisch sagt: Wir wollen nicht, dass die Politik nur die nationalen Interessen im Auge hat, sondern die Regierungen der Welt müssen den Klimawandel gemeinsam bekämpfen. Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft.
Der Protest der jungen Menschen sagt: Wir wollen nicht, dass die Politik nur die nationalen Interessen im Auge hat, sondern die Regierungen der Welt müssen den Klimawandel gemeinsam bekämpfen.
Ottmar Edenhofer
Wie groß ist die Verantwortung Deutschlands, den Klimawandel einzudämmen?
Es heißt ja oft: Deutschland kann die Welt nicht retten, dafür sind wir viel zu klein. Und wir sollten uns auch nicht dem Größenwahn hingeben, diesen Anspruch des Weltretters zu haben. Es behauptet niemand, dass durch einen raschen Kohleausstieg in Deutschland allein schon die Vereinbarung des Pariser Klimaabkommens eingehalten werden kann, die Erwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Aber es geht um unsere Vorbildfunktion: Die Kohle spielt weltweit immer noch eine große Rolle. Deutschland kann und muss anderen Industrienationen vormachen, wie man kosteneffizient aus der Kohle aussteigt. Dazu gehört natürlich auch, mögliche Verlierer dieses Wandels zu entschädigen. Wir können das auch. Deutschland muss in den internationalen Verhandlungen sein Gewicht einbringen, um den globalen Klimaschutz voranzubringen. Die Staatengemeinschaft kann den Kampf gegen den Klimawandel nur gewinnen, wenn alle mitmachen.
Was sind die ersten Maßnahmen, die die Bundesregierung anschieben muss?
Das Wichtigste ist, nicht immer neue, ehrgeizigere Ziele festzuschreiben und gleichzeitig bei den Mitteln immer halbherziger zu werden. Um die heute gesetzten Klimaziele bis 2030 umzusetzen, gehört ganz klar dazu, den beschlossenen Kohleausstieg bis 2038 zum Erfolg zu führen. Dazu gehört für mich ganz klar auch, einen CO2-Preis in den Sektoren Energie, Verkehr und Wärme zu verankern. Die Politik muss ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen, das nicht nur ehrgeizige Ziele hat, sondern auch zeigt, dass Marktwirtschaften in der Lage sind, diese Ziele durch technologische Innovationen auch zu erreichen. Dabei ist es besonders wichtig, die Themen Energiewende und Digitalisierung stärker zusammen zu denken. Am Ende geht es auch darum, wie eine sozial-ökologische Marktwirtschaft 2050 aussehen könnte. Dafür ist eine ganz andere Finanzsteuerpolitik nötig. Wenn wir etwa zunehmend auf Elektromobilität setzen, dann wird es große Ausfälle geben bei der Benzin- und Dieselsteuer. Dafür muss Ersatz geschaffen werden. Wir brauchen auch eine Reform der Staatsausgaben, die aufgreift, in welche Bereiche investiert werden muss für eine klimaschutzfreundliche Gesellschaft. Daran fehlt es derzeit. Unsere Politik sagt gerade noch zu oft, nur Wohlstandsgesellschaften könnten sich Klimaschutz leisten. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Wer Klimaschutz nicht fördert, setzt den Wohlstand aufs Spiel.
Sie kennen die Klimaszene seit Jahren, da gab es auch viele Bewegungen, die sind gekommen und wieder gegangen. Ist Fridays for Future dennoch etwas Besonderes?
Das hat tatsächlich eine neue Dimension. Weil sich das Paradigma geändert hat. Früher hieß es noch, Klimaschutz könne man nur unterhalb des öffentlichen Radars betreiben. Man müsse es so machen, dass es die Leute am besten gar nicht merken. Und von Klimapolitik wurde stets behauptet, damit könne man niemanden begeistern, das sei kein Wahlkampfthema. Das ist heute anders.
Und jetzt kommen diese jungen Leute, die sehr energisch Klimaschutz einfordern. Die sich sehr laut und weit hörbar dafür aussprechen, dass es wichtig ist, die Erderwärmung zu stoppen. Die jungen Menschen sagen auch sehr klar: Wenn ihr jetzt nichts macht, verspielt ihr damit unsere Zukunft - und da machen wir nicht mehr mit. Das war so noch nicht da.
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