Ärger um Gebühren: Stadt wusste, dass Wohlthat beim Baumblütenfest kassierte
Vor Jahren beschwerten sich in Werder (Havel) Obstbauern über die Gebühren, die Stadt gab dem Veranstalter recht
Werder (Havel) - Offenbar war der Stadt Werder (Havel) entgegen erster Aussagen doch bekannt, dass Wohlthat Entertainment, Veranstalter des Baumblütenfests, jährlich mehrere hundert Euro von privaten Gartenbesitzern forderte. So sagt Elke Rietz, die mit ihrer Familie seit vielen Jahren zum Baumblütenfest ihren Garten für Gäste öffnet, dass sie und ihr Mann sich bereits 2009 bei der Stadt über die Höhe der Gebühren beschwert hätten. 714 Euro habe sie ab 2009 jährlich für die Öffnung ihre Grundstücks zahlen sollen. Ihre Beschwerde sei damals abgeschmettert worden mit dem Verweis, Werbung und Müllbeseitigung „kosten eben Geld“.
Obstbauern hatten Termin bei der Stadt
„Wir hatten mit zwei oder drei anderen Obstbauern einen Termin beim damaligen Ersten Beigeordneten Hartmut Schröder“, erinnert sich Rietz im Telefongespräch mit den PNN. Die Beträge, die sie und die anderen Gartenbesitzer zahlen sollten, seien kurz zuvor erhöht worden, so Rietz. „Hartmut Schröder sagte uns aber, Rainer Wohlthat dürfe das Geld fordern, er macht schließlich Werbung für uns und räumt den Müll weg.“ Die Gartenbesitzer seien „da nicht glücklich rausgegangen“, hätten die Aussage aber akzeptiert und ihre Rechnungen weiterhin jedes Jahr bezahlt.
Absprachen vor 2009 lassen sich nicht rekonstruieren
Stadtsprecher Henry Klix hatte auf PNN-Anfrage zuvor verlauten lassen, der Inhalt von Veträgen zwischen Gartenbesitzern und der Firma Wohlthat entziehe sich der Kenntnis der Stadt. Der Erste Beigeordnete Christian Große (CDU) hingegen erklärte, die Stadt habe keine Kenntnis über die Höhe der Gebühren, die die Firma Wohlthat von den Grundstücksbesitzern verlange. Im 2009 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Vertrag mit der Firma Wohlthat seien keine Beträge vereinbart. Welche Absprachen vor 2009 über Kostenübernahmen beschlossen worden seien, könne er nicht rekonstruieren, da ihm hierzu keine offiziellen Dokumente vorlägen.
Keine Gebührentransparenz
Offenbar wissen inzwischen weder die Stadt noch die Grundstücksbesitzer mehr, wie die Beträge zustande gekommen sind. Rainer Wohlthat selbst hatte auf PNN-Anfrage erklärt, die Gebühren, die die Gartenbesitzer zahlten, seien vor längerer Zeit individuell ausgehandelt worden. Obstbauer Stefan Lindicke sowie Elke Rietz hatten erklärt, dass sie nicht wüssten, wie viel andere Grundstücksbesitzer an Wohlthat zahlten. Eine öffentlich einsehbare Auflistung, für welche Leistungen welche Kosten anfielen, sei ihnen nicht bekannt. Im Jahr 2009 hatte die Stadtverordnetenversammlung einen neuen Vertrag mit Wohlthat Entertainment beschlossen, der den PNN vorliegt. Aus dem Vertrag gehen die Leistungen hervor, die sich der Veranstalter verspflichtet zu übernehmen, darunter auch die „vertragliche Absicherung der Abfallentsorgung“ und der „notwendigen Aufräumungs- und Reinigungsmaßnahmen“. Auch zur Vorlage eines Werbekonzepts verpflichtet der Vertrag die Firma Wohlthat. Unter dem Punkt „Entgeltlichkeit, Kosten“ heißt es: „Der Auftragnehmer kommt in voller Höhe für die in diesem Vertrag genannten Aufgaben aus den § § 5 und 6 auf und hat diese zu finanzieren.“ Von einer Umlegung eines Teils der Kosten auf Dritte steht in dem Vertrag nichts.
Jurist verweigerte die Zahlung
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zahlungen hatte zuerst der Jurist Hans-Jochen Knöll angemeldet. Knöll hatt 2017 sein Gartengrundstück im Hohen Weg während des Baumblütenfests geöffnet und nach Anmeldung des Vorhabens bei der Stadt eine Rechnung von Wohlthat erhalten. Er widersprach der Forderung, da sie aus seiner Sicht nicht rechtens sei. Daraufhin hörte er nichts mehr von Wohlthat und hat bis heute nicht gezahlt. Ähnlich erging es einem weiteren Gartenbesitzer, der den PNN namnetlich bekannt ist, aber anonym bleiben möchte: Nachdem er von Knölls Fall erfahren hatte, weigerte er sich gegenüber der Firma Wohlthat telefonisch, die geforderte Summe zu zahlen. Am Telefon habe man ihm gesagt, dass das geprüft werde, sagte der Mann den PNN. Er habe dann aber nie wieder etwas von Wohlthat gehört.
Aus Zeitmangel keine Mahnungen
Rainer Wohlthat hatte das Ausbleiben von Mahnungen in den beiden Fällen mit Zeitmangel begründet. Die Forderungen seien rechtmäßig, die Veträge von Anwälten geprüft. Die gezahlten Beträge deckten außerdem nicht die hohen Ausgaben für die aufwändigen Aufräumarbeiten nach dem Fest, so der Veranstalter. Dass er das Geld von den Grundstücksbesitzern fordere, sei zudem mit der Stadt besprochen. Laut Jurist Hans-Jochen Knöll wären die Gebühren, die Wohlthat fordert, allerdings selbst dann nicht rechtens, wenn sie in einem Vertrag mit der Stadt auftauchen würden. Wenn er in seinem privaten Garten Essen und Getränke anbieten wolle, sei er lediglich verpflichtet, dafür eine Genehmigung bei der Stadt einzuholen, die derzeit 28 Euro koste. „Die Stadt kann öffentlich-rechtliche Forderungen erheben, aber ich muss keinem privaten Veranstalter seine Auslagen ersetzen“, so Knöll. Für die Müllbeseitigung sei zunächst der Kreis zuständig, der diese Pflicht laut § 2 des Brandenburgischen Abfall- und Bodenschutzgesetzes an die Stadt übertragen könne. Die Stadt könne ihrerseits den Veranstalter vertraglich dazu verpflichten, die Müllbeseitigung im Rahmen seiner Veranstaltung selbst zu übernehmen.
Die Stadt Werder (Havel) teilte Anfang September mit, dass das Baumblütenfest 2020 nicht stattfinden wird. Nachdem Wohlthat über viele Jahre Veranstalter des Fests gewesen war, hatte er keinen Zuschlag erhalten, weil er sich weigerte die von der Stadt vorgegebenen Voraussetzungen zu erfüllen.