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Viele Anlieger im Hohen Weg, direkt im Stadtzentrum von Werder, haben zum Baumblütenfest ihre Gärten geöffnet.
© Sebastian Gabsch

Baumblütenfest in Werder: Neuer Ärger für Wohlthat

Der Fest-Betreiber kassierte Servicepauschalen von privaten Grundstückseigentümern, wenn sie ihre Gärten öffneten. Die Zulässigkeit und Rechtsgrundlage sind unklar. 

Werder (Havel) - Im Konflikt um das Baumblütenfest in Werder (Havel) sind neue Vorwürfe gegen den bisherigen Fest-Betreiber Rainer Wohlthat und die Wohlthat Entertainment GmbH erhoben worden. So soll das Unternehmen über Jahre vermutlich ohne ausreichende rechtliche Grundlage von privaten Grundstückseigentümern sogenannte Servicepauschalen in Höhe von mehreren hundert Euro kassiert haben, wenn diese ihre Höfe und Grundstücke zum Fest für Besucher öffneten.

Die Zahlungen soll Wohlthat ohne Absprache und ohne Kenntnis der Stadtverwaltung Werder kassiert haben, bestätigte ein Rathaussprecher den PNN auf Anfrage. Zudem hat Wohlthat nach eigenen Aussagen keine Maßnahmen ergriffen, wenn sich ein Grundstückseigentümer widersetzte, die Zahlungen in Frage stellte und nicht zahlte.

Anrainer bekam Rechnung über mehrere hundert Euro

Die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Wohlthat Entertainment GmbH bezweifelte zuerst der Jurist Hans-Jochen Knöll. Er ist Anwohner des Hohen Wegs, öffnete selbst zweimal sein Grundstück für Festgäste – Mitte der 1990er-Jahre und 2017. Nachdem er dafür 2017 die Genehmigung der Stadt beantragt hatte, erhielt er von Wohlthat Entertainment eine Rechnung über mehrere hundert Euro. Er sollte damit anteilig für die Organisation des Baumblütenfests und damit einhergehende Dienstleistungen wie die Entsorgung des Mülls und die Bereitstellung öffentlicher Toiletten bezahlen. 

Jurist: Stadt sagte, es gebe keine "derartige Klausel"

Knöll fragte daraufhin bei der Stadt nach, ob es eine entsprechende vertragliche Vereinbarung mit Wohlthat Entertainment gebe, laut der der Veranstalter Geld von Personen verlangen könne, die während des Baumblütenfests ihre Grundstücke öffnen. „Bei der Stadt wurde mir gesagt, eine derartige Klausel gebe es nicht“, sagt der Jurist. „Meines Wissens wäre eine solche Klausel auch gar nicht rechtens gewesen, da ich über mein privates Grundstück verfügen kann wie ich möchte.“

Für das Anbieten von Lebensmitteln und den Ausschank von Getränken brauche er zwar die Genehmigung der Stadt, die rund 30 Euro koste. „Aber ich bin ja nicht gefragt worden, ob ich die Infrastruktur des Baumblütenfests überhaupt nutzen möchte.“ Zudem habe er sogar selbst Toilettenhäuschen auf seinem Grundstück aufstellen lassen. Knöll widersprach also der Forderung von Wohlthat Entertainment schriftlich – und hörte anschließend nichts mehr vom Veranstalter.

Nach dem Widerspruch nichts mehr gehört

Ähnliches widerfuhr einem weiteren Anwohner des Hohen Wegs, der seinen Namen nicht öffentlich machen möchte, der Redaktion jedoch namentlich bekannt ist. Nachdem dieser Anwohner von Jurist Knöll erfahren hatte, dass er mit seinem Widerspruch Erfolg hatte, habe er bei Wohlthat angerufen und gesagt, „dass ich die Summe nicht mehr zahlen möchte“. Es sei ihm dann am Telefon gesagt worden, dass das geprüft wird. „Danach habe ich nichts mehr gehört von Wohlthat.“ Nach seinem Widerspruch 2017 habe er keine weitere Rechnung erhalten, so der Anwohner. Ob andere Grundstücksbesitzer des Hohen Wegs ähnlich gehandelt haben, wisse er nicht.

"Wir zahlen die Pauschale seit mehr als zehn Jahren"

Hans-Jochen Knöll sagt, er habe nicht mit weiteren Grundstücksbesitzern über seinen Widerspruch gesprochen. Seiner Ansicht nach zahlen die meisten von ihnen weiterhin den Obolus an Wohlthat. So zumindest tun es die Familien Lindicke und Rietz. „Wir zahlen die Pauschale schon seit mehr als zehn Jahren an Herrn Wohlthat“, sagt Elke Rietz. „Er erledigt die Müllentsorgung, macht Werbung für das Fest – wir fanden es normal, dafür zu zahlen.“ Ähnlich sieht es Stefan Lindicke. „Er hat das Servicepauschale genannt, und ich habe das nie in Frage gestellt“, sagt der Obstbauer. Er zahle jährlich ebenfalls einige hundert Euro. Aus welchen Leistungen sich die Summe zusammensetze, wisse er nicht im Einzelnen, die Absprachen dazu seien zu lange her. Auch sei ihm nicht bekannt, ob und wie viel die anderen Anwohner des Hohen Wegs an Wohlthat zahlen, so Lindicke.

Rainer Wohlthat.
Rainer Wohlthat.
© Enrico Bellin

Unternehmer Rainer Wohlthat sagte auf PNN-Anfrage, dass sich die Summe, die er von den Grundstücksbesitzern verlange, danach richte, welche Speisen und Getränke die Gastgeber anböten. „Wenn jemand nur Wein ausschenkt, muss er 60 bis 80 Euro bezahlen“, sagt Wohlthat. Für eine sogenannte Vollgastronomie könnten es jedoch auch 500 Euro sein. Die Grundstückseigentümer bekämen jeweils einen Vertrag zugesandt, mit dessen Unterzeichnung sie zustimmten, einen Logistikkostenzuschuss zu bezahlen. Dieser Vertrag sei gemeinsam mit Anwälten ausgearbeitet worden. 

Wohlthat: Keine Mahnung wegen Überlastung

Dass Jurist Knöll auf seinen Widerspruch keine Mahnung erhielt, begründet Wohlthat mit Zeitmangel. Er müsse 400 Händler koordinieren: „Wenn da ein oder zwei ihre Rechnungen nicht begleichen, dann ist das eben so.“ Die Summen, die er von den Anwohnern des Hohen Wegs gefordert habe, seien in erster Linie für die Aufräumarbeiten und die Müllbeseitigung in den Straßen vorgesehen. „Die Beträge reichen aber nicht aus, um die Kosten dafür zu decken“, so Wohlthat.

Die Stadt Werder äußert sich auf PNN-Anfrage nicht direkt zu Wohlthats Vorgehensweise. „Die ordnungsrechtliche Grundlage zum Öffnen der Gärten waren und sind nicht Verträge mit Dritten, sondern die Gestattungen der Stadt“, erklärt Stadtsprecher Henry Klix. „Der Inhalt von Verträgen zwischen Gartenbesitzern und der Firma Wohlthat entzieht sich unserer Kenntnis.“

Summen wurden individuell ausgehandelt, sagt Wohlthat

Über die genaue Höhe der bisher gezahlten Summen könne er keine Auskunft geben, sagte Wohlthat. „Das wurde vor längerer Zeit individuell telefonisch oder persönlich ausgehandelt.“ Bis vor zehn Jahren habe als Berechnungsgrundlage ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung gegolten, nach dem die Grundstückbesitzer pro ausgeschenktem Liter Obstwein bezahlen sollten, sagte der Fest-Betreiber. Da sich die Mengen allerdings schwer nachprüfen ließen, habe Wohlthat Entertainment dann auf den Logistikkostenzuschuss umgestellt.

Dieser Darstellung widersprach in Teilen Werders 1. Beigeordneter Christian Große (CDU). Er sagte den PNN am Abend, es habe einen Beschluss der Stadtverordneten gegeben, mit dem festgelegt wurde, wie viel Wohlthat von den Gartenbesitzern verlangen darf. Das habe sich aber nie an ausgeschenkten Obstweinmengen orientiert, sondern allgemein am gastronomischen Angebot - weniger wurden für Kaffee und Kuchen fällig, mehr für eine Vollgastronomie. Wie hoch die Beträge für die einzelnen Varianten waren, konnte Große nicht ad hoc sagen. Es hätten sich aber in der Vergangenheit immer wieder Gartenbesitzer bei der Stadt über die zu hohen Beträge beschwert, die Wohlthat forderte.

Betreiber warnt: Ohne Zahlungen wird der Müll nicht mehr weggeräumt

Sollten sich weitere Anwohner des Hohen Wegs weigern, die geforderten Summen bei künftigen Festen zu zahlen, sei die Konsequenz, dass der Veranstalter den Müll nicht mehr wegräumen werde, so Wohlthat: „Damit muss die Stadt dann leben.“ Allerdings hat Wohlthat keinen Zuschlag mehr erhalten.

Anfang September teilte die Stadt Werder (Havel) mit, dass das Baumblütenfest 2020 nicht stattfinden wird. Ein Vergabeverfahren, mit dem die Stadt einen Festveranstalter gesucht hatte, blieb ohne Ergebnis. Wohlthat hatte zwar ein Angebot abgegeben, sich jedoch geweigert, die von der Stadt vorgegebenen Voraussetzungen zu erfüllen.

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