Großprojekt Havel-Therme: Sisyphos-Prüfung in Werder (Havel)
Ging es beim Thermenbau in Werder (Havel) immer mit rechten Dingen zu? Die neue Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes soll diese Frage endlich beantworten.
Werder (Havel) - Wann die Havel-Therme in Werder (Havel) eröffnet werden kann, ist aufgrund der Pandemie weiter ungewiss. Unterdessen befasst sich die Stadtpolitik mit der nicht minder nebulösen Vergangenheit des Großbauprojekts. Bei einer Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses am Dienstagabend, dem 15. Dezember, drängte die Opposition auf eine Aufarbeitung der ersten Phase, in der die Stadt 16 Millionen Euro ausgab. Die Hoffnungen liegen auf der neuen Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes (RPA). Sie soll prüfen, ob alle Zahlungen an den ehemaligen Vertragspartner rechtmäßig waren.
Ines Rudolph hat eine gewaltige Aufgabe vor sich. Zum ersten Mal stand sie am Dienstag als Amtsleiterin dem Rechnungsprüfungsausschuss Rede und Antwort. Besondere Brisanz hat die Prüfung der “Blütentherme”, dem Vorgängerprojekt der Havel-Therme. Außerdem liegen mehrere Jahresabschlüsse noch nicht vor, unter anderem der von 2016. In diesem Jahr löste die Stadt ihren Vertrag mit Heinz Steinhart und seiner Kristall Bäder AG, die den Bau der Therme begonnen hatte. Der “Bearbeitungsstau” sei enorm, sagte Rudolph. Doch jetzt könne das Amt „wieder mit voller Kraft arbeiten“.
"Unabhängig und weisungsfrei"
Werders Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) betonte in der Ausschusssitzung, dass das RPA unabhängig sei. Rudolph allein “entscheidet über Art, Umfang und Tiefe der Prüfung”. Dabei könne sie auch über den ursprünglichen Prüfauftrag hinausgehen, sagte Saß.
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Laut Kommunalverfassung des Landes Brandenburg ist das RPA in seiner Tätigkeit unmittelbar der Stadtverordnetenversammlung unterstellt, nicht etwa der Bürgermeisterin oder der Verwaltung. Auf der Website des Rechnungsprüfungsamtes Werder heißt es: “Wir prüfen unabhängig und weisungsfrei und halten uns dabei ausschließlich an Fakten.”
Das Problem: Ines Rudolph entscheidet momentan nicht nur allein, auch die gesamte Arbeit muss sie allein erledigen. Im RPA gebe es zwei Stellen, teilt Stadtsprecher Henry Klix auf PNN-Anfrage mit: Leiter und Prüfer. Am 1. Januar tritt Rudolph ihre reguläre Amtszeit als Leiterin an, die sie seit Oktober bereits kommissarisch innehatte. Die Stelle der Prüferin ist unterdessen frei. Das ist nach PNN-Informationen Rudolphs frühere Arbeitsstelle.
Der Ausschussvorsitzende Joachim Lindicke (SPD) sagte bei der Sitzung, dass es sehr schwierig sei, anspruchsvolle Stellen in der Verwaltung zu besetzen. Eine Ursache sei die Konkurrenz zu anderen Städten. Viele qualifizierte Kräfte würden lieber in Berlin oder Potsdam arbeiten.
Keine Fortschritte seit Juli 2019
Die frühere Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes soll in ein Landesministerium gewechselt sein. Seither lag die Blütentherme-Prüfung offenbar auf Eis. Auf Anfrage aus dem Ausschuss räumte die Bürgermeisterin ein, dass es in dieser Sache seit Juli 2019 keine Fortschritte gegeben habe. Demnach mussten umfangreiche Aktenbestände geprüft werden, der Bericht wurde aber von der früheren Leiterin nicht gänzlich abgeschlossen.
Außerdem liegt auch eine zweite Prüfung der Blütentherme auf Eis, die ebenfalls 2018 von den Stadtverordneten in Auftrag gegeben wurde. Die soll von einem externen Unternehmen durchgeführt werden. Nach Ansicht von Bürgermeisterin Saß muss aber zuerst der Bericht der RPA-Prüfung vorliegen. Nach Auskunft der Stadtverwaltung gab es bisher “Gespräche” mit mehreren Firmen, aber noch keine Ausschreibung.
“Es ist wirklich an der Zeit, dass etwas passiert”, sagt Anika Lorentz, die für die Fraktion Stadtmitgestalter in der SVV und im Rechnungsprüfungsausschuss sitzt, auf PNN-Anfrage. Dass das RPA überlastet sei, könne sie zwar verstehen. Doch dass die Prüfung der Therme so lange auf sich warten lässt, deute auf “Verschleppung” hin.
Wenn das Rechnungsprüfungsamt nicht hinterherkomme, müsse es personell aufgestockt werden, sagt Lorentz. Da eine Bezahlung nach Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst offenbar nicht attraktiv genug sei, um mögliche Bewerber nach Werder zu locken, solle die Stadt darüber hinaus Zuschläge oder Vergünstigungen bei der Nutzung öffentlicher Einrichtungen bieten, wie andere Städte das bereits täten.
Wer prüft die Prüfer?
Bei der Sitzung am Donnerstag stellte Lorentz zahlreiche Fragen, deutlich mehr als die anderen Mitglieder. Sie fragte zum Beispiel, warum der Jahresabschluss 2016 der SVV noch nicht vorliege.
Lorentz’ beharrliches Nachhaken stieß auch auf Kopfschütteln und offene Ablehnung im Ausschuss. “Was soll das?”, rief Werner Große, der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses. Als die Stadt Werder 2011 den Vertrag mit der Kristall Bäder AG unterschrieb, war Große selbst Bürgermeister. Saß folgte ihm 2014 im Amt.
Lorentz findet es “fragwürdig”, dass Große nun im Rechnungsprüfungsausschuss sitzt, und sich dort sich mit dem Großbauprojekt befasst, das in seiner Amtszeit begonnen wurde. “Die CDU-Fraktion hätte auch ein anderes Mitglied entsenden können”, sagt sie. Im neuen Jahr werde ihre Fraktion die Einrichtung einer Stelle für einen Antikorruptionsbeauftragten fordern, um das Rechnungsprüfungsamt zu entlasten, kündigt Lorentz an.