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Das Zuhause als Tatort. 
© Mikko Stig/Lehtikuva/dpa

Interview: "Gewalt gegen Frauen wird verharmlost"

Die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes Maria Wersig sieht genderspezifische Schwächen in der Rechtsanwendung und fordert vom Staat mehr Schutz für Frauen. 

Frau Wersig, immer wieder kommt es zu Morden an Frauen durch ihre Partner. Schützt das deutsche Strafrecht Frauen zu wenig?

Im deutschen Strafrecht unterscheidet man bisher zwischen Mord und Totschlag. Bei Mord müssen niedrige Beweggründe bestehen, leider gilt das für Beziehungstaten oft nicht. In der Rechtsanwendung wird Gewalt gegen Frauen verharmlost. Auch wird medial leider oft von Familiendramen oder Beziehungstaten gesprochen, das sind Begriffe, die nicht deutlich machen, dass es sich um geschlechterbezogene Gewalt handelt.

Gefordert wird immer öfter, den Begriff Femizid zu nutzen. Was ist damit gemeint?
Femizid ist die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Das kennen wir aus anderen Ländern in anderen Kontexten, so zum Beispiel die Frauenmorde in Mexiko. In Deutschland spricht man von Femizid im Rahmen von Partnerschaften – und das sollte mehr in den Fokus rücken. 

Maria Wersig, Juristin, Professorin und Präsidentin des Dt. Juristinnenbund
Maria Wersig, Juristin, Professorin und Präsidentin des Dt. Juristinnenbund
© Hofffotografen

Inwiefern?
Da reicht ein Blick auf die Zahlen: In Deutschland versucht jeden Tag ein Mann seine Partnerin zu töten. Jeden dritten Tag gelingt das. Der deutsche Staat hat die Pflicht, seine Bürger und vor allem Bürgerinnen zu schützen. 

Das erfolgt bisher zu wenig? 
Ja. Es müsste mehr Unterstützung für Opfer geben, zum Beispiel durch eine flächendeckende Beratungsstruktur oder flächendeckende Einrichtungen wie Frauenhäuser. Im Zuge der Istanbul-Konvention hat sich Deutschland zu mehr Schutz gegen häusliche Gewalt verpflichtet. Das ist dringend notwendig, diese Gewaltform ist kein Randphänomen. 

Mit der 2018 in Kraft getreten Konvention hat sich die EU „zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ verpflichtet. Wie weit ist man in Deutschland mit der Umsetzung?
Man könnte das Thema mit größerem Engagement vorantreiben, denn es betrifft alle Ebenen des Staates. 

Was fordert der Deutsche Juristinnenbund?
Wir fordern keine speziellen Straftatbestände, sondern eine stereotypenbefreite Rechtsprechung. So geht der Bundesgerichtshof laut einem Urteil von 2008 davon aus, dass bei Trennungstötungen „der Angeklagte durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will“.


Das klingt patriarchalisch...
An diesem Punkt ist die Rechtsanwendung noch immer sehr patriarchalisch. Seit Jahren fordern feministische Juristinnen, dass sich etwas ändern muss. Bisher wurde das als abwegig deklariert. Zum Glück berichten immer mehr Medien und Zeitungen wie Sie über diese Tatsache und so hoffen wir, dass wir den juristischen Diskurs beeinflussen können. Wenn das nicht klappt, muss der Gesetzgeber eingreifen, denn das Gesetz muss in einem Rechtsstaat neutral angewendet werden.
 

- Das Gespräch führte Eva Schmid

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