„Berlin, Berlin“ im Admiralspalast: Wilde Zwanziger
Die Zwanziger Jahre sind im Trend. Die Revue "Berlin, Berlin" im Admiralspalast hüpft auf diesen Zug auf und bringt Marlene Dietrich sowie Anita Berber mit.
Berlin - Sie war rastlos, wild, heiß geliebt – und starb mit gerade mal 28 Jahren. Die Schauspielerin und Tänzerin Anita Berber war eine Ikone der 1920-er Jahre und ist derzeit im Admiralspalast quasi wieder auf der Bühne zu erleben. In der Revue-Show „Berlin, Berlin“, die diese Woche Donnerstag ihre Premiere feierte und eine Hommage an die Berliner Kulturszene der Zwanziger Jahre sein möchte.
Dafür lässt sie die Stars der Epoche wieder auferstehen: Marlene Dietrich ist dabei, die Comedian Harmonists, Bertolt Brecht, Josephine Baker. Und eben Anita Berber, verkörpert von Sophia Euskirchen, die der offensichtliche Star der Show ist. Nicht nur ihrer gewaltigen Stimme wegen, sondern auch, weil sie jedes Gefühl in ihren ganzen Körper legt. Da hängen die Schultern gleichzeitig mit den Mundwinkeln, die Wut dampft in Augen und Füßen und Einsamkeit ist überall. Für ihr perfekt geschmettertes „Life is a Cabaret“ aus dem Musical „Cabaret“ gab es am Premierenabend zu Recht Szenen-Standing-Ovations.
Anleihen aus "Babylon Berlin"
Nun mag man sich fragen, was dieser Song aus einer amerikanischen Produktion, die Mitte der 1960-er entstand, in einer Berliner Zwanziger-Jahre-Revue zu suchen hat. Aber „Berlin, Berlin“ nimmt es damit nicht so genau. Vielmehr würfelt es Broadwaysongs und Berliner Schlager wild durcheinander. Am Ende erklingt sogar „Zu Asche, zu Staub“, Titelsong der ersten Serienstaffel von „Babylon Berlin“, die 2017 herauskam. Sei es drum: Die Choreographie – ebenfalls der Serie entlehnt – sieht auf der Bühne fantastisch aus und „Berlin, Berlin“ fügt sich somit ein in den derzeitigen Retro-Zwanziger-Jahre-Trend.
Die Songauswahl mit bekannten Ohrwürmern wie „Let’s misbehave“, „Mack the knife“, „Ich bin die fesche Lola“ oder „Bei mir bist du schön“ macht gute Laune, das dreißgköpfige Ensemble präsentiert sie stimmlich und tänzerisch eindrucksvoll. Neben Sophia Euskirchen überzeugt vor allem Martin Bermoser als Admiral. Er führt als Conférencier eines Berliner Nachtclubs – Cabaret lässt abermals grüßen – durch die Revue, stellt die auftretenden Stars vor, erzählt ihre Geschichten, singt und performed den ganzen Abend hindurch eindrucksvoll.
Ein durchgehend starker Cast
Dank des starken Casts verzeiht man dem Stück seinen eher abgegriffenen Humor („Mein Name ist Kutte, wie Nutte, nur mit ’K’.“) und die teilweise alberne Überzeichnung der Charaktere. Sowohl Sophia Euskirchen als auch Nina Janke als Marlene Dietrich verstehen es, ihren Figuren trotz inszeniertem Zickenkrieg Würde zu verleihen. Jankes Interpretation von „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ ist erfrischend individuell – auch in einem etwas zu glitzrigen Kostüm.
Besonders schön: Der sympathische Auftritt der Comedian- Harmonists-Darsteller mit Hits wie „Mein kleiner grüner Kaktus“ oder „Ein Freund, ein guter Freund“ und witzigen Anekdoten über die ersten Auftritte der Band.
Die mitreißenden Songs bleiben
Ernste Töne erklingen schließlich mit dem Machtanstieg der Nationalsozialisten. Wie ein pöbelnder Nazi mit einem kraftvollen „Mein Herr“ aus „Cabaret“ weggepustet wird, ist einer der beeindruckendsten Momente der Show – allerdings muss sich „Berlin, Berlin“ damit erneut dem Musicalvergleich stellen. Ob es sich damit einen Gefallen tut, bleibt fraglich.
Am Ende bleiben die mitreißenden Songs, die tollen Tanzeinlagen, die Entdeckung von Sophia Euskirchens Anita Berber – und ein Gefühl von glitzernder Retro-Nostalgie. Eine kurzweilige Flucht aus dem Alltag bietet "Berlin, Berlin" damit allemal, wer Tiefe sucht, sollte bei "Cabaret" bleiben.
>>„Berlin, Berlin“, bis 5. Januar 2020 und wieder vom 15. Dezember 2020 bis 3. Januar 2021 im Admiralspalast Berlin, Friedrichstraße 101. Tickets kosten zwischen 54,90 Euro und 94,90 Euro. Für einige Termine sind nur noch wenige Tickets verfügbar.