"Harold und Maude" am Hans Otto Theater: Was man Liebe nennt
Schauspieler David Hörning übernimmt in „Harold und Maude“ am Hans Otto Theater seine erste Hauptrolle - und hat sich intensiv darauf vorbereitet.
Potsdam - Fragt man David Hörning, wie denn die Proben derzeit laufen, prustet der 26-Jährige los, legt sogar vor lauter Lachen seinen Kopf auf den Tisch: „Wir kreieren da zwei Stunden absurde Szenen.“ Ende September begannen die Proben am Hans Otto Theater (HOT) zu „Harold und Maude“, seitdem schlüpft er unter der Woche zweimal täglich in die Rolle des Harold, seine erste Hauptrolle. Er denkt sich in den Kopf dieser 18-jährigen Figur, die immer wieder den perfekten Selbstmord inszeniert, um Aufmerksamkeit bei der Mutter zu erhaschen, ein Fünkchen echtes Gefühl bei ihr aufblitzen zu sehen. Denn Letztere ist in erster Linie damit beschäftigt, ihr eigenes Bild zu polieren, ihre Außenwirkung ist quasi ihr Lebensinhalt. Da gebe es zum Beispiel diese eine herrliche Szene, sagt Hörning, in der er als Harold einen Sarg mitbringt, sich in diesen hineinlegt, um ihn dann anzuzünden. Und die Mutter, gespielt von Bettina Riebesel, stehe nur da, fassungslos, wie ihr Sohn auf die Idee komme, einen Sarg inmitten ihrer Blumen anzuzünden.
Die Probenzeit begann mit einem intensiven Gespräch mit der Intendantin des HOT, Bettina Jahnke, die bei dem Stück die Regie führt. Den Kultfilm von 1971, auf dessen Drehbuch von Colin Higgins das Theaterstück basiert, hatte Hörning, der seit gut einem Jahr zum Ensemble gehört, zuvor noch nicht gesehen. „Ich konnte gar nicht glauben, wie aktuell die Thematik ist“, erzählt er. Außerdem habe er auch einen kleinen Schreck bekommen, als er sich nun im Zuge der Vorbereitung den Film ansah. So schön ausgeschmückt sei der, da habe er gleich gewusst, dass ein Berg Arbeit vor ihm liegt – weil im Theater natürlich andere Wege gefunden werden müssen, um die Liebesgeschichte zu transportieren. Auf der Suche nach Aufrichtigkeit geht Harold auf den Friedhof, besucht Beerdigungen und trifft auf Maude, 79 Jahre alt und quicklebendig, ja lebenshungrig sogar und für jede Schandtat zu haben. Die beiden werden ein Team, ein Liebespaar – was den Film in seinem Erscheinungsjahr zu einem kleinen Skandal machte.
Ein Tabuthema
„Es ist ein Tabuthema, das hat sich in 40 Jahren nicht geändert“, sagt Hörning. 60 Jahre Altersunterschied, man könne sich ja vorstellen, was andere dazu sagen würden, von wegen Mutterkomplex und so weiter. „Aber wenn man die Geschichte kennt, merkt man, dass ihre Beziehung so viel Sinn ergibt“, fügt der gebürtige Hannoversche schnell hinzu. Das kenne doch wahrscheinlich jeder: Dass man nicht mehr durchsteigt durch das eigene Dasein, und dann trifft man diese eine Person, die einen anguckt und man weiß, dass diese Person einen versteht. Wenn plötzlich alles logisch werde – das sei das, was man Liebe nennt. Während Hörning von seiner Rolle erzählt, nimmt er den gesamten Presseraum im obersten Stock des Potsdamer Theaters mit seinen Gesten ein. Bevor er vergangenes Jahr hier anfing, hat er an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig studiert, zwischendurch hatte er Auftritte in der ARD-Serie „Familie Dr. Kleist“.
Wenn er beginnt, für eine neue Rolle zu arbeiten, neige er dazu, zu viel zu machen, sagt Hörning über sich selbst und muss gleich wieder grinsen: „Zu viel Energie und so.“ Und Harold sei auch noch so gegenteilig, hochkonzentriert, überlegt, jedes seiner Worte sei mit Sinn gefüllt. Es sei gar nicht so leicht, diese Figur in seinem Tüfteln und seiner Beschäftigung mit dem Tod nicht zu jung wirken zu lassen. Was wichtig sei, damit die Beziehung zu Maude, verkörpert von Rita Feldmeier, keinen komischen Beigeschmack bekomme.
Wo sind die Punks in Potsdam?
Um sich vorzubereiten, gehe er lange spazieren, weil er dabei gut nachdenken könne, erzählt Hörning. Auf Hermannswerder zum Beispiel, in der Nähe wohnt er mittlerweile. In einer Wohngemeinschaft mit einem Balkon zum Wasser raus, das sei schon großartig. In Potsdam fühle er sich wohl, auch wenn er anfangs seine Schwierigkeiten hatte mit der Stadt, in der erst einmal alles sauber und glatt wirkte. Zuvor hatte er die Schönheit des Unfertigen und Unsanierten in Leipzig so sehr genossen. „Wo sind die Punks, habe ich mich gefragt.“ Fünf Monate habe es gedauert, bis er Potsdam anfing zu mögen, nach einem Spaziergang durch Babelsberg und nachdem er auch hier besetzte Häuser gefunden hatte. „Die Stadt ist von außen saniert, aber der Spirit ist noch da“, sagt er.
Mit dem Tod musste sich Hörning auch privat schon gezwungenermaßen beschäftigen. In seiner Familie habe es viele Todesfälle gegeben, die er als Einschnitte wahrgenommen hat. Einschnitte in das, was man meint, sich aufzubauen. „Dann merkt man, dass man gar nichts aufbaut, denn das Leben passiert.“ So war es, als seine Großeltern starben.
In dem Stück spiele der Tod aber eine andere Rolle. Er sei so sehr tabu, dass er die Echtheit hervorrufe, die Harold sucht, auch wenn sich diese in Neid oder Eifersucht veräußert. Und Harold sei ja auch nicht verklemmt, er wisse nur, dass seine Umwelt ihn selbst dann nicht verstünde, wenn er sich ihr offenbaren würde. „Und das ist ja das Magische, dass er dann auf Maude trifft, die genauso denkt, aber anders agiert“, sagt Hörning und strahlt. Das Alter habe plötzlich gar keine Bedeutung mehr, das sei das Herrliche an der Geschichte.
>>Premiere am 8. November um 19.30 Uhr, weitere Vorstellungen am 15. November und 1. Dezember