„Ich war, ich bin, ich werde sein“: Warum Rosa Luxemburg junge Linke bis heute inspiriert
Rosa Luxemburg wäre am Freitag 150 Jahre alt geworden. Ihre Bekanntheit bleibt unangefochten, doch ihre Parolen drohen zu Floskeln zu werden. Eine Würdigung.
An diesem Freitag wäre Rosa Luxemburg 150 Jahre alt geworden. Heute, über ein Jahrhundert nach ihrem Tod, können die liberalsten und radikalsten Linken etwas mit ihr anfangen, ebenso Bürgerrechtlerinnen und Demokraten. Ihr berühmtestes Zitat – „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden“ – ist mittlerweile ein geflügeltes Wort. 1918 hatte Luxemburg mit diesen Worten Lenins und Trotzkis bolschewistische Diktatur kritisiert. Sie plädierte für einen demokratischen Sozialismus. Daran denkt heute wohl kaum jemand, der sie zitiert.
Rosa Luxemburg wurde als Rozalia Luksenburg geboren, am 5. März 1871, nicht am 25. Dezember 1870, wie ihr Geburtsschein der Nachwelt weismachen will – ein bürokratischer Fehler. Sie war, wenn man so möchte, jünger, als die Ämter ihr zutrauten, und auch die Geschichte hält sie jung. Noch heute bietet Luxemburg Anlass zu Deutung und Umdeutung, zu Gespräch, Streit, Identifikation.
Das war schon zu Lebzeiten so. Einigen ihrer Mitstreiter war die Sozialistin zu revolutionär, zu radikal, anderen zu reformatorisch. Sie war Revolutionärin, aber auch Pazifistin; Agitatorin, aber auch Bildungsaktivistin und Wahlkämpferin. Sie war eine Intellektuelle, die für die Interessen der Arbeiterinnenklasse kämpfte.
Rosa Luxemburg, die heute so etwas wie eine Galionsfigur der Linken ist, war eine kleine Person, wegen eines Hüftleidens hinkte sie seit ihrer Kindheit. Auf Fotos ist sie stets ordentlich gekleidet, die Haare sind sauber zurückgekämmt: eine geradezu unauffällige Frau.
Umso eindringlicher waren ihre Worte. Laut und deutlich soll sie gesprochen haben, klar und spitz war ihre Sprache. Schon mit 13 schrieb sie ein Spottgedicht auf Polnisch, in dem sie Kaiser Wilhelm I. duzte und ihm entgegenschepperte, er solle doch bitte seinem „listigen Lumpen Bismarck“ befehlen, sich „die Friedenshose nicht zuschanden“ zu machen.
Sie kümmerte sich wenig um Hierarchien
Luxemburg warnte vor dem aufkeimenden Nationalismus ebenso wie vor totalitären Tendenzen innerhalb des Sozialismus, kümmerte sich wenig um Hierarchien und verlor die Menschen nicht aus dem Blick. Das sind gleich eine ganze Reihe von Gründen, warum sie bei jungen Linken ungebrochen populär ist. Nicht nur die der Linkspartei nahestehende Stiftung ist nach ihr benannt, auch Schulen und ein Platz im Herzen Berlins tragen ihren Namen.
Zur Welt kommt sie im polnischen Zamosk, das damals Teil des russischen Kaiserreichs ist. Von dort zieht die Familie nach Warschau, mit 15 schließt sich Rosa einem sozialistisch-revolutionären Zirkel an. 1889 geht die Tochter jüdischer Kaufleute nach Zürich, wird Juristin, Ökonomin, Journalistin. Die Stadt ist eine Hochburg verfolgter Radikaler. Dort lernt sie den Sozialisten Leo Jogiches kennen, der für mehr als ein Jahrzehnt ihr Lebensgefährte wird.
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Luxemburg zieht nach Berlin, engagiert sich für die SPD. 1903 attackiert sie während des Wahlkampfs wieder einen deutschen Kaiser, diesmal Wilhelm II.: „Der Mann, der von der guten und gesicherten Existenz der deutschen Arbeiter spricht, hat keine Ahnung von den Tatsachen.“ Die Folge: drei Monate Haft wegen Majestätsbeleidigung. Als der Erste Weltkrieg tobt, gegen den sie sich entschieden aussprach, landet sie wegen Aufwiegelung im Gefängnis.
Danach wird sie Mitgründerin einer Gruppe, aus der der Spartakusbund und später die KPD hervorgeht. 1919, es sind die Tage des Spartakusaufstands, ermorden rechtsnationalistische Freikorpssoldaten Luxemburg und ihren Mitstreiter Karl Liebknecht. Wochen später werden die Leichen aus dem Landwehrkanal geborgen.
Die KPD der Weimarer Republik stilisiert zwar die Person Luxemburg zur Heiligen, ihr theoretisches Werk aber gerät nach Lenins Tod 1924 als „Luxemburgismus“ in Verruf. 1933 verbrennen Nationalsozialisten ihre Bücher, 1935 zerstört das Regime ihr und Liebknechts Grab.
In der DDR installiert die Parteiführung eine jährliche Luxemburg-Liebknecht-Gedenkdemonstration, erstmals 1946. Von da an pilgert Winter für Winter ein Trauerzug von Friedrichshain nach Friedrichsfelde zu ihrem Grab. Bis heute findet die Veranstaltung jeden Januar statt, sie ist zum Treffpunkt linker und linksradikaler Gruppen geworden.
Im realexistierenden Sozialismus hat sie einen Teil ihres Glanzes verloren. Brecht schreibt 1948 eine „Grabschrift“ für Luxemburg, in Herta Müllers „Reisende auf einem Bein“ von 1989 erscheint Luxemburg der Protagonistin als Tote im Kanal. Heiner Müller konstatiert, sie stehe für den mittlerweile begrabenen „Kindertraum / Von einem Sozialismus ohne Panzer“. Die Berliner Mauer nennt er „Stalins Denkmal für Rosa Luxemburg“.
„Ich war, ich bin, ich werde sein“
R. B. Kitaj malt 1960 „The Murder of Rosa Luxemburg“, ein Trauerbild, auf dem ihr Leichnam fortgetragen wird. Wirkmächtig wird Margarethe von Trottas Spielfilm „Rosa Luxemburg“, der 1986 mit Barbara Sukowa in der Hauptrolle herauskommt. Ursprünglich wollte Rainer Werner Fassbinder den Film drehen. Er hatte bereits mit Jane Fonda telefoniert, die Luxemburg spielen sollte.
Wo sich Historisches ereignet, ist sie zur Stelle. Wolf Biermann preist sie 1976 bei seinem legendären Kölner Konzert: „Die DDR braucht, / endlich, und wie, / Rosas rote Demokratie.“ Auf den Auftritt folgt die Ausbürgerung des Liedermachers. Mit ihm verschwindet jede Hoffnung auf Liberalisierungen innerhalb der DDR. Luxemburg, von der Staatsführung instrumentalisiert, steht auf der Seite der Abtrünnigen. „Die Revolution sagt: Ich war, ich bin, ich werde sein“, lautet ein anderes geflügeltes Wort von ihr. Parolen, die zu oft wiederholt werden, erstarren zu Floskeln. Linker Kitsch?
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