„Anderswo. Allein in Afrika“ im Thalia-Kino Potsdam: Überleben mit Zahnseide und Plastikschlauch
Über ein Jahr ist der Hamburger Anselm Nathanael Pahnke mit dem Fahrrad durch 15 afrikanische Länder gereist. Dabei entstand der Dokufilm „Anderswo. Allein in Afrika“, den er im Potsdamer Thalia vorstellte.
Potsdam - Ein Plastikschlauch, etwas Fett, blutwarmes Wasser – mehr braucht es nicht, um einen Einlauf durchzuführen. Das demonstriert Anselm Nathanael Pahnke vor laufender Kamera. Nicht um zu schockieren, sondern um zu zeigen, wie wenig Mensch zum Überleben braucht – in diesem Fall in der Wildnis des afrikanischen Kontinents. Vor vier Jahren ist der heute 29-jährige Hamburger über ein Jahr alleine durch 15 afrikanische Länder gereist – und zwar konsequent mit dem Fahrrad. Dokumentiert hat er sein Abenteuer mit der Kamera, aus den vielen Filmschnipseln ist die Dokumentation „Anderswo. Allein in Afrika“ entstanden, die Pahnke am Donnerstagabend im ausverkauften Saal des Thalia-Kinos vorstellte.
Geplant hatte er den Film nicht. Überhaupt sei die Entscheidung für die Reise relativ spontan gefallen, wie er beim Filmgespräch erzählt. „Meiner Familie habe ich erst Bescheid gesagt, dass ich weg bin, als ich schon in Südafrika war“, sagt Pahnke, der auch ins Babelsberger Kino sein Fahrrad mitbrachte. Er sei eben schon immer gerne gereist, immer mit dem Rad. Dafür habe er gespart, lange geplant jedoch nicht. Mit zwei Gleichgesinnten aus Berlin, die er im Internet kennengelernt hat, trifft er sich dann 2014 am Flughafen in Südafrika. Gemeinsam beginnen sie die Reise, nach dreieinhalb Monaten steigen die beiden aus, weil sie Termine haben. Pahnke reist alleine weiter – für ihn eine Herausforderung. „Vor dem alleine Reisen hatte ich tierische Angst“.
Der Kampf gegen die Einsamkeit
Die erste Woche habe er sehr mit sich zu kämpfen gehabt, was auch im Film zu sehen ist. Die Einsamkeit in der Weite der fremden Landschaft schwappt einfach über ihn und Pahnke macht das einzig mögliche: Er lässt sie über sich rollen, bis sie ihm keine Angst mehr einjagt. „Irgendwann ist das Gefühl dann gekippt“, sagt er am Donnerstag und erzählt es auch im Film. „Ich war nicht mehr einsam, nur noch allein.“
Und dieses Alleinsein zelebriert Pahnke, der kurz vor der Reise seinen Bachelor in Ozeanographie und Geophysik abgeschlossen hatte. Immer wieder trifft er zwar Einheimische, die ihn freundlich aufnehmen, für ihn kochen oder ihm lokale Bräuche zeigen. Zwei Mal begleiten ihn auch andere Radfahrer ein Stück auf seiner Reise. Doch zum größten Teil ist er auf sich gestellt, lässt die Landschaft auf sich wirken und denkt über vieles nach. „Der Erwartungsdruck der Gesellschaft ist auf meiner Reise vollkommen von mir abgefallen“, sagt er im Thalia. „Es zählte nur noch der nächste Moment.“
Was ihm auch half: Die Erlebnisse aufzunehmen. Zunächst spricht er einfach nur in die Kamera, um überhaupt mit jemandem zu reden. Bald wird er kreativer: Stellt die Kamera etwa auf die Straße, filmt sich beim Davonradeln, beim Zeltaufbauen, beim Beobachten von Wildtieren oder mit einheimischen Kindern. Und eben auch beim Durchführen eines Einlaufes, den er durchführen muss, weil er seit drei Tagen an Verstopfungen leidet und sich nicht mehr anders zu helfen weiß. Nur von vorne natürlich, die physische Erlösung folgt off Kamera. „Eine absolute Erleichterung“, kommentiert Pahnke wenig später strahlend.
Mehrere Tage Haft
Überhaupt strahlt der Radreisende im Film einen kontinuierlichen Optimismus aus. Dabei läuft durchaus nicht immer alles rund. Starker Wind, hohe Luftfeuchtigkeit, schlammiger oder extrem sandiger Boden erschweren ihm die Reise enorm. Mehrere Fahrradteile muss er immer wieder reparieren – seinen Reifen flickt er an einer Stelle mit Nadel und Zahnseide. Selbst als bei ihm Malaria diagnostiziert wird, hält es ihn nur vier Tage an einem Ort. Richtig ernst wird es, als Pahnke als angeblicher Spion verhaftet und einige Tage in Einzelhaft genommen wird.
Das Erlebnis wirkt noch lange nach – sowohl im Film als auch beim Gespräch am Donnerstag. Überhaupt wirkt Pahnke im Thalia-Gespräch nachdenklich. Oft überlegt er länger, bevor er eine Antwort gibt. Wie es nach seiner langen Reisezeit weitergeht – nach Afrika ging es noch zwei Jahre weiter mit dem Rad durch Asien und Australien – weiß er auch jetzt noch nicht. „Die letzten 16 Monate habe ich an dem Film gearbeitet, jetzt bin ich auf Kinotour“, sagt er schlicht. Er habe Vertrauen, dass immer irgendwo eine Tür aufgeht.
Und so sehr er das Reisen liebt, er weiß, dass es auf Dauer nicht der Lebenssinn sein kann. „Aber es ist schön, von der Zeit, dem alltäglichen Druck weg zu sein“, sagt er. Und sein Lächeln verrät ein sanftes Fernweh.
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„Anderswo. Allein in Afrika“ ist ab 6. Januar 2019 im Thalia zu sehen