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BDS-Protest in Tel Aviv. 2019. Die Bewegung gilt wegen ihren Methoden als umstritten.
© imago

Kulturchefs fürchten „Selbstzensur“: Soll man BDS-Unterstützer einladen dürfen oder nicht?

Die BDS-Bewegung wird als antisemitisch eingestuft. Eine Initiative deutscher Kultureinrichtungen fordert mehr Offenheit im Umgang mit Sympathisanten.

Kulturinstitutionen haben ja viele staatstragende Aufgaben, mehr jedenfalls, als sich hier aufzählen ließe. Aktuell ist sogar noch eine hinzugekommen: nämlich, in Zeiten einer deprimierenden Pandemie dafür zu sorgen, dass nicht immer nur über Corona geredet wird.

Besonders vorbildlich erfüllt das jetzt die „Initiative GG 5.3. Weltoffenheit“ – ein Arbeitskreis, in dem sich unter anderem die Berliner Festspiele, das Deutsche Theater Berlin, das Haus der Kulturen der Welt, die Kulturstiftung des Bundes, das Goethe-Institut und das Bündnis Internationaler Produktionshäuser zusammengeschlossen haben.

Vertreterinnen und Vertreter all dieser renommierten Einrichtungen sind nun bei einer Pressekonferenz aufgetreten, um ein Tretminen-Thema auf die Agenda zu katapultieren, das zwischen Diskussionen über leise rieselnde Aerosole unterm Christbaum und den nächsten harten Lockdown fast untergegangen wäre: die BDS-Resolution des Bundestages vom Mai 2019.

Richtig, BDS („Boycott, Divestment and Sanctions“). Diese Bewegung, die zum Boykott gegen so ziemlich alles aufruft, was aus Israel stammt – und die von deutscher Staatsseite als antisemitisch eingestuft wurde. Um es gleich vorwegzunehmen: Boykott finden auch die Postulaten der kulturellen „Weltoffenheit“ nicht gut. Sie blicken allerdings mit Sorge auf die praktischen Konsequenzen, die der Bundestagsbeschluss für ihre Arbeit hat. Oder haben könnte.

Sie möchten „kritische Stimmen, die aus dem Diskurs ausgeblendet werden sollen“ schützen, wie Annemie Vanackere, die künstlerische Leiterin des HAU Hebbel am Ufer, aus dem frisch verfassten Plädoyer der Initiative vorliest.

Berufung auf die Kunstfreiheit

Sie wehren sich gegen „Tendenzen zur Verengung“, gerade in den Theatern, die doch „Umschlagplätze der Vielfalt von Meinungen“ sind, wie es Ulrich Khuon fasst, der Intendant des DT. Daher auch der Verweis auf „GG 5.3.“, also den Grundgesetz-Artikel, in dem es um die Freiheit von Kunst, Wissenschaft etc. geht. Sie wissen schon.

Zugegeben, das klingt alles etwas luftig, meint aber wohl: Die Institutionen können sich Ärger einhandeln, wenn sie Menschen einladen, die BDS-Unterstützer sind. Oder denen man das zumindest nachsagt.

Weswegen Berliner-Festspiele-Intendant Thomas Oberender sich in der „diffusen Zone stiller Selbstzensur“ wähnt, während Hartmut Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt Forums, schon an „mein Leben in der DDR“ zurückerinnert wird.

Hortensia Völckers, künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, greift rhetorisch etwas tiefer ins Regal und spricht von einer leidigen „Grauzone zwischen Erlaubtem und Verbotenem“.

Wo BDS ins Spiel kommt, wird die Debatte hitzig

Fakt ist: Wo immer die BDS-Bewegung ins Spiel kommt, erlebt man in Nullkommanichts die Debattenvariante des Mexican Standoff. Alle zielen gleichzeitig aufeinander. Nur eben nicht mit Pistolen, sondern mit Antisemitismus- und Rassismus-Vorwürfen. Stefanie Carp könnte aus ihrer Zeit als Intendantin der Ruhrtriennale ein Lied davon singen.

Dort wurde 2018 mit der Ausladung, Wiedereinladung und schließlich Absage der BDS-Unterstützer-Band Young Fathers ein besonders anschaulicher Eiertanz performt – der 2020 seine Fortsetzung im (Corona-bedingt abgesagten) Eröffnungsvortrag des kamerunischen Kolonialismus-Forschers Achille Mbembe fand.

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Der Historiker geriet ja ins Kreuzfeuer von Antisemitismus-Vorwürfen, die je nach Perspektive sehr berechtigt oder rassistisch motiviert waren.

Die Causa Mbembe war auch der Gründungsimpuls der „Initiative GG 5.3. Weltoffenheit“. Wobei die Pressekonferenz nicht wirklich klar macht, was die Forderungen eigentlich sind. Eine schärfere Definition des Begriffs Antisemitismus wird ins Gespräch gebracht, okay.

Aber steht darüber hinaus denn zu befürchten, dass die Kolonialismus-Podien in deutschen Kulturinstitutionen bald leer bleiben, weil all die Expertinnen und Experten, die dazu sprechen könnten, Sympathien für zutiefst fragwürdige Boykott-Bewegungen hegen?   

Sei’s drum. Immerhin waren es zwei Stunden voller Statements, in denen es tatsächlich fast gar nicht um die Krise der Gegenwart ging. 

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