zum Hauptinhalt
Erschöpfung pur. Selbstporträt der Fotografin Sara Sasani in Teheran.
© Galerie

Alles scheint wie eingefroren: So erleben Menschen im Iran die Pandemie

Eine digitale Fotoschau zeigt, wie die Bevölkerung im Iran mit der Isolation in der Pandemie umgeht. Die Bilder treffen einen Nerv.

Sie kann nicht mehr, hängt kopfüber aus einem Hochhausfenster. So mögen sich viele in Quarantäne fühlen. Die Fotografie stammt von Sara Sasani aus Teheran. Der Iran ist besonders stark von der Pandemie betroffen, das öffentliche Leben leidet unter Corona wie überall auf der Welt, auch die Kulturszene ist betroffen.

Die 2001 gegründete Silk Road Gallery, eine der führenden Fotogalerien des Landes, hat aus der Not eine Tugend gemacht und Fotokünstler zur Onlineausstellung „Quarantine“ eingeladen (silkroadartgallery.com). 13 Künstlerinnen und Künstler zeigen ihre persönliche Sicht auf die Pandemie, geben Einblicke in die Lebenswelt der Iraner

„Die Quarantäne war eine Zwangsgefangenschaft. Für mich, die ich all die Jahre unermüdlich für soziale Präsenz und soziale Identität gearbeitet hatte, war es wie ein Gefängnis“, schreibt Sasani zu ihrer neunteiligen Serie.

Die Teilnehmenden der Ausstellung stellen sich mit kurzen Texten vor, dann können die Arbeiten durchgeklickt werden. „Diesmal wurde ich ungewollt in meiner eigenen Wohnung eingesperrt. Ich musste Dinge tun, die mir keinen Spaß machen, sodass ich Gefühle wie Angst, Unruhe, Ungeschicklichkeit und Depressionen empfand“, fährt sie fort.

Sie hängt Wäsche auf, gießt Blumen, wischt Staub, döst auf dem Sofa mit einem Buch über dem Kopf und hängt schließlich aus dem Fenster. In der engen Häuserschlucht ist kein Mensch zu sehen. Alles scheint wie eingefroren.

Eine Atmosphäre wie im Film „Tschernobyl“

Auch Ebrahim Noroozi hat die Abwesenheit der Mitmenschen in Szene gesetzt. Verloren wirkt ein kleiner Junge in seinem Tretauto auf dem aufgemalten H eines Hubschrauberlandeplatzes, bei dem man an ein Krankenhaus denkt. In einer leeren Basargasse, wo sonst kein Durchkommen ist, fährt ein einzelner Mopedfahrer.

Noroozi zeigt einen leeren Kinosaal, eine leere Metrostation. „Bei meinen Reisen durch die Stadt erinnerte ich mich an Szenen aus dem Film ,Tschernobyl‘, in dem alle Orte öde und leer waren und eine seltsame Atmosphäre herrschte“, schreibt Noroozi, der für die Nachrichtenagentur Fars arbeitet und dreimal beim World Press Foto Award ausgezeichnet wurde.

Wie sehr sich Innen und Außen mischen, zeigt die Fotoserie „INT. DAY/NIGHT“ von Maryam Takhtkeshian. Vor dem Fenster, das unscharf das nächtliche Teheran zeigt, bauscht sich eine weiße Gardine, auf die sie unscharfe Fotos von Sehenswürdigkeiten wie dem Freiheitsturm auf dem Azadi-Platz projiziert – schmerzliche Erinnerung an eine versperrte Realität.

„Wir sind in eine langwierige Fantasie verwickelt“, schreibt Takhtkeshian. Corona kann auch zu absurden Situationen führen. So hat Jassem Ghazanbanpour seine Goldfische aus einem verschmutzten Teich in eine Schüssel mit sauberem Wasser gesetzt, sozusagen in Quarantäne.

Die Fotogemeinde bleibt kreativ

Einige Tage später trifft es ihn selbst. Ihm bleibt nur der Blick durch das Fenster auf das fern im Sonnenlicht glitzernde Wasser. Golnaz Taheri fotografierte wiederum ihre Lieblingspflanze, einen Oleander. Ein weiteres Bild zeigt ihre an der Garderobe hängende Kamera. Auch sie kann nicht raus.

„Quarantine“ trifft einen Nerv, die Folgen von Isolation und Einsamkeit ähneln sich überall auf der Welt. „Es liegen sicherlich noch mehr unsichere Zeiten vor uns“, schreiben die Galeristen .

„Aber eines wissen wir mit Sicherheit: Die globale Fotografengemeinschaft bleibt kreativ und dynamisch.“ Wie dynamisch diese Community ist, zeigt die umfangreiche Künstlerliste der Silk Road Gallery. Die Pandemie mag die Menschen trennen, aber sie bringt sie auch zusammen – wie mit dieser Ausstellung.

Zur Startseite