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Balkonmusik in der Potsdamer Schlaatzstraße.
© Andreas Klaer

Bericht über die „Fête de la Musique“: Potsdamer Livemusik im Kopfhörer

Die Potsdamer „Fête de la Musique“ stemmte sich der Pandemie entgegen: mit Livestreams und Zaunkonzerten. Ein ungewohntes Erlebnis. 

Potsdam - Es ist die kürzeste Nacht des Jahres, und gleichsam die musikalischste: Der 21. Juni ist seit gefühlten Ewigkeiten der Tag mit dem Abend, an dem alle raus auf die Straße strömen, um überall Musik zu hören und zu sehen, zumindest in den Städten des Kontinents. Aber nicht in diesem Jahr: Konzerte überall und gleichzeitig, umzingelt von Menschen - das wird nichts. 

Während sich herkömmliches Arbeiten gezwungenermaßen ins Internet und vor den Bildschirm verlagert, bleibt auch den verbliebenen Musikern gar keine andere Wahl. Auch deshalb hieß es zunächst für die Potsdamer „Fête de la Musique“, dass es dieses Jahr Streaming statt Liveerlebnis gebe. So ganz stimmte das dann doch nicht, unter Auflagen durften auch Livekonzerte stattfinden.

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Balkonkonzerte in der Schlaatzstraße

Eines der Konzerte, bei denen Live-Publikum erwünscht war, gab es in der Schlaatzstraße in der Teltower Vorstadt. So wie jeden Sonntag: Balkonmusik. Der Musiker Kai Mader wohnt in der Schlaatzstraße, Nicolas Schulze, mit dem er in der unlängst verblassten Jazzband Acrepearls spielte, im gleichen Haus. Zwei befreundete Jazzmusiker, Mader Saxofonist, Schulze Pianist, beide Musiklehrer, die ihre Instrumente derzeit nur noch in wackeligen Skype-Verbindungen lehren können. Es ist familiär hier, man kennt sich, man grüßt sich, man mag die Kinder nebenan genauso wie den Hund der Nachbarn, man kennt den Fotografen, die Motorradfahrerin, die Leute vom Dampfladen und dem Friseurladen, weil die eben auch mal die Pakete entgegennehmen, und das gern. 

Musik in der Potsdamer Schlaatzstraße.
Musik in der Potsdamer Schlaatzstraße.
© Andreas Klaer

Wenn man auf dem Balkon steht und gerade kein Kind lacht oder weint, dann spielt irgendjemand irgendwo Klavier. Oder manchmal auch Hip-Hop. Aus dem notwendigen Arrest heraus kam bereits im März die Idee: Wollen wir nicht eine Balkon-Jamsession machen? Ein wenig Musik hinaus in die Welt, ein wenig  Mut die Straße hinunter. Um den Musikern das Gefühl zurückzuholen, auf einer Bühne zu stehen. Und wenn es nur der eigene Balkon ist.

Die „Fête de la Musique“ fand hauptsächlich im Livestream statt

Der Erfolg gab den Musikern recht: Immer mehr schlossen sich an, eine Sängerin, ein Schlagzeuger, Gitarre und Bass – bald gab es jeden Sonntag pünktlich um 18 Uhr ein Konzert. An diesem Sonntag, 21. Juni, sollte es im Rahmen der "Fête de la Musique“ vorerst das letzte sein: Der Sommer beginnt, das Verharren auf Balkonen ist vorbei, es gibt zum Abschluss noch mal Klassiker wie „I Will Survive“, „We Are Family“ oder „I’m Still Standing“. Girlanden und Glitzer, Familien mit Kindern. Ein Privileg für alle, die dort wohnen dürfen. 

Den anderen blieb aber noch der Livestream, in dem sich das Hauptsächliche der Fête abspielte. Den konnte man auch von unterwegs erreichen, Kopfhörer ans Handy und los, und so manche verpassten Konzerte konnten nachgehört werden.  Andere blieben einfach verschwunden, wenn man den Livestream verpasste. Wie zu einer echten Fête de la Musique eben: Wer zu spät kommt…

Melancholisch bis rockig

Gerade im Potsdamer Stream gab es einiges zu entdecken, auch altbekannte Gesichter. Etwa das Liedermachertrio Ernstgemeint, das sein Konzert in den „Wandschrank“ verlagerte – mit zwei Gitarren und Querflöte, dazu stilecht „Corona Extra“ aus der Flasche. Liedermacher Hannes Kreuziger lud zu einem Zaunkonzert, das er ebenfalls streamte: Wie atmosphärisch! Wunderbar melancholisch, und dennoch so voller Hoffnung.

Konzerte im Potsdamer Lindenpark werden per Livestream an verschiedene Kneipen und Veranstaltungsorte übertragen.
Konzerte im Potsdamer Lindenpark werden per Livestream an verschiedene Kneipen und Veranstaltungsorte übertragen.
© Andreas Klaer

Weniger melancholisch ging es im Livestream der Band Imbiß zu, die knarzenden Punkrock aus ihrem Proberaum streamte – inklusive eingeblendeter Handynummer für Musikwünsche. Einen Hybrid aus Livekonzert und Stream gab es derweil im Waschhaus, das ebenfalls eine Liedermacherbühne eingerichtet hatte: Das Potsdamer Duo Through Colours war hier etwa zu erleben, oder der kanadische Solokünstler Adam Wendler. 

Sie war anders als sonst, die diesjährige Fête de la Musique, keine Frage. Aber auch mit einem deutlichen Signal: Ohne Musik geht es einfach nicht. Und das ist sicherlich die beste Erkenntnis. 

Oliver Dietrich

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