Fontane Biographie von Iwan-Michelangelo D’Aprile: Mehr als der märkische Wandersmann
In einer neuen Biografie untersucht Iwan-Michelangelo D’Aprile Theodor Fontane als Europa-Reisenden und Verfechter der Moderne.
Potsdam - Wer war er? Ein Poet, vielleicht ein Intellektueller, aber ohne Abitur, ein Reiseschriftsteller, Apotheker und Journalist. Jedenfalls ein Selfmademan, der übrigens Anglizismen liebte. Theodor Fontane ist in seinem Leben vielen Tätigkeiten nachgegangen, hat sich immer wieder dem Wandel der Zeiten angepasst.
Vom bewegten Leben des märkischen Großschriftstellers Theodor Fontane berichtet der Germanist und Historiker Iwan-Michelangelo D’Aprile in seinem jüngsten Werk, der in wenigen Tagen erscheinenden Fontane-Biografie. Die frisch vorgelegte Biografie sei „geradezu zwingend notwendig“ gewesen, befand Peer Trilcke, Leiter des Fontane-Archivs, bei der Vorstellung des neuen Buches am Sitz des Archivs in der Potsdamer Villa Quandt am vergangenen Dienstagabend. Ja, so mag man in einem ersten Reflex einwenden, was gibt es Neues vom – neben Karl Friedrich Schinkel – berühmtesten Sohn Neuruppins? Neues, das es rechtfertigt, den vorhandenen Biografien Fontanes eine weitere hinzuzugesellen. Nun, es ist ein erfrischender Ansatz, den D’Aprile gewählt hat, um das Leben des 1819 geborenen Schriftstellers zu erzählen. D’Aprile, Professor für Kulturen der Aufklärung an der Universität Potsdam, beschreibt den Autor der „Effi Briest“ und des „Stechlin“ vor dem Hintergrund der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert, einer Zeit, die das Leben und die Arbeitswelt der Menschen komplett veränderte. Der Biograf nähert sich Fontane, indem er zunächst einmal auf dessen Umwelt schaut – jene gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen Fontane lebt.
Mit der Erfindung der Dampflokomotiven und den ersten Eisenbahnstrecken rückte damals die Welt ein Stück zusammen. Fontane nutzt das neue Verkehrsmittel nicht nur, er beschreibt es auch, etwa in seiner frühen Erzählung „Zwei Post-Stationen“. D’Aprile weist hier auf das empathische Bekenntnis des Erzählers zur Moderne hin, ein Plädoyer gegen die rückwärtsgewandte Postkutschenromantik. Seine frühen schriftstellerischen Arbeiten veröffentlicht Fontane zudem in der Leipziger Literaturzeitschrift „Die Eisenbahn“. So ist es nur folgerichtig, dass der Rowohlt-Verlag für das Cover des neuen Buches von D’Aprile das Bild einer Dampflok ausgewählt hat. Wir erleben Fontane in D’Apriles Buch aber auch als Barrikadenkämpfer des 18. März 1848 – und wiederum in preußischen Diensten stehend als Mitarbeiter einer konservativen Presseeinrichtung des Staates, der „Centralstelle für Preßangelegenheiten“.
Die Veranstaltung in der Villa Quandt stieß auf reges Interesse – selbst die Potsdamer Ordnungshüter ließen sich nicht lumpen und verteilten pünktlich zu Veranstaltungsbeginn an alle Falschparker vor der Villa ihre Knöllchen. D’Aprile las Auszüge aus seinem Werk – und weckte mit der ihm eigenen lockeren und doch nicht um Präzision verlegenen Sprache die Lust auf die Lektüre. So ist dieses Werk im doppelten Sinne frisch: Es ist ganz neu und kommt in einer völlig unverstaubten Sprache daher.
Der Biograf löst Fontane aus dem allseits bekannten märkischen Umfeld heraus und beschreibt ihn als heißen Großbritannienliebhaber und ideenreichen sowie strategisch denkenden Menschen. „Er war ja ein lebenslanger Projektemacher“, sagt D’Aprile über den Schriftsteller. Auf seinen Aufenthalt in Großbritannien für die preußische Centralstelle arbeitet Fontane zielstrebig hin und verbessert zu diesem Zweck seine Sprachkenntnisse. Fontane unternimmt auch ausgedehnte Italienreisen. Er ist keineswegs nur der märkische Wandersmann – und freilich der Autor jener Romane, die ihm, im höheren Alter, mit erstaunlicher Geschwindigkeit von der Hand gingen.