Empfehlungen zum Indiebookday: Klein aber fein
Die Buchhändler aus dem Potsdamer Viktoriagarten verraten zum Indiebookday ihre Buch-Geheimtipps aus kleinen Verlagen.
Potsdam - Auf der Leipziger Buchmesse wurde sie unlängst mit dem Belletristik-Preis ausgezeichnet. Und auch für Stefanie Müller, Buchhändlerin und Inhaberin des Potsdamer Viktoriagartens,gehören die Bücher von Anke Stelling zu den Indiebookschätzen dieser Saison. Zum heutigen Indiebookday empfiehlt sie im Prinzip all ihre Werke und den zuständigen Verbrecher Verlag sowieso.
Stellings aktueller Roman "Schäfchen im Trockenen" sei zwar gerade wegen der großen Nachfrage vergriffen, aber "Bodentiefe Fenster" oder "Fürsorge" seien genauso lesenswert. Letzterer erzählt von einem amourösen Mutter-Sohn-Verhältnis. Gewagt und provozierend - trotzdem war Anke Stelling der großen Öffentlichkeit bis zur diesjährigen Leipziger Buchmesse nicht unbedingt bekannt.
Bücher aus kleinen Verlagen sind weniger bekannt
So wie ihr geht es vielen Autoren, deren Bücher in kleinen, oft unabhängigen Verlagen publiziert werden. Anders als die namhaften Verlage können sie nicht viel Marketingpower aufbringen, um ihre Bücher der Öffentlichkeit nahe zu bringen. Um das zu ändern, wurde 2013 der Indiebookday ins Leben gerufen, der seitdem jährlich am 30. März stattfindet.
Denn: Bei den kleinen Verlagen verstecken sich oft verkannte Buchschätze, die unbedingt mehr Leser verdienen. Wer einen solchen Schatz kennt, postet ihn am Indiebookday als Foto in den sozialen Netzwerken und sorgt somit dafür, dass er bekannt wird. Schon der erste Indiebookday 2013 bekam laut seiner offiziellen Website in den deutschsprachigen Ländern große Aufmerksamkeit. 2014 bis 2018 seien dann auch Teilnehmer aus dem Vereinigten Königreich, Italien, den Niederlanden, Portugal und sogar Brasilien dazu gekommen.
Neue Blickwinkel entdecken
Der persönliche Indiebooktipp von Buchhändlerin und Autorin Sophie Sumburane ist sogar noch internationaler: "Was es bedeutet, wenn ein Mann aus dem Himmel fällt" heißt der bereits mit Preisen ausgezeichnete Kurzgeschichtenband der nigerianischen Schriftstellerin Lesley Nneka Arimah. Übersetzt ist er von Zoë Beck, die selbst Schriftstellerin ist und gemeinsam mit Jan Karsten den Verlag Cultur Books betreibt, in dem das Buch auch erschienen ist.
Schon die fantastischen Kurzgeschichten der britischen Autorin und Astronomin Pippa Goldschmidt sind hier unter dem Titel „Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen“ erschienen. Und nun wieder eine Kurzprosaentdeckung: "Ich habe die Autorin selbst live erlebt und war damals schon ganz verliebt", sagt Sophie Sumburane aus dem Viktoriagarten. Die Übersetzung von Zoë Beck treffe den Originalton sehr gut. "Sie hat den Spirit der Geschichten toll aufgenommen." Thematisch beschäftigt sich Lesley Nneka Arimah mit dem Gefühl einer verlorenen Heimat in der globalisierten Welt. Und ihr Blick sei eben ein ganz anderer als der westliche. "Sie stellt andere Fragen, öffnet neue Blickwinkel, das gefällt mir sehr", so Sumburane.
Kurzgeschichten sind derzeit angesagt
Allgemein sind Kurzgeschichten gerade sehr angesagt: Judith Schalanskys aktuelles Buch "Verzeichnis einiger Verluste" bündelt etwa kurze, poetische Erzählungen und "Cat Person" von der Amerikanerin Kristen Roupenian ist derzeit in aller Munde. "Endlich mal ein guter Trend aus den USA", sagt Sumburane schmunzelt. Denn dort haben Kurzgeschichten seit jeher einen hohen Stellenwert, das US-Amerikanische Magazin "The New Yorker" ist bekannt für seine regelmäßigen Veröffentlichungen von Kurzprosa.
Keine Kurzgeschichten, dafür aber gleich zwei Bücher empfiehlt Andrea Schneider, ebenfalls Inhaberin des Viktorigartens zum Indiebookday. Zum einen das Kinderbuch "Königin für eine Nacht" von Leonora Leitl aus dem Kunstanstifter Verlag. Wunderschön illustriert, erzählt es die Geschichte einer Biologin, die ihren Job verliert und sich daraufhin in depressiver Stimmung verliert. Ihre Kinder erinnern sie schließlich an ihre außergewöhnliche Verbindung zu Pflanzen und so beschließt sie, eine Gärtnerei zu eröffnen. "Es ist eine sehr schöne Geschichte, die den Leser daran erinnert, darauf zu schauen, was in einem steckt", sagt Schneider.
Musik in der Sprache
Ihr zweiter Tipp ist das Debüt von Katharina Mevissen, die ihr Manuskript zu "Ich kann dich hören" einfach ungefragt an den Wagenbach Verlag geschickt hat. "Und jetzt ist es einer der Spitzentitel der Saison", sagt Schneider. "Sowas ist eigentlich unmöglich und passiert echt selten."
Ungewöhnlich sei auch, dass die Geschichte rein gar nichts mit der persönlichen Geschichte der Autorin zu tun hat. Gerade bei Debüts sei das sonst oft der Fall.
"Ich kann dich hören" erzählt von einem türkischen Cellospieler. Von seiner Beziehung zum Vater, von einer unerwarteten Entdeckung, von Sprachlosigkeit - und vor allem von Musik. "Katharina Mevissen schafft es, die Musik durch ihre Sprache hörbar zu machen", sagt Schneider. "Das ist ganz großartig."