Türchen auf, Türchen zu: Fahrender Adventskalender des HOT untersagt
Das Hans Otto Theater wollte im Advent für sein Publikum Balkontheater machen. Das ist wegen geltender Corona-Regeln nicht möglich. Jahnke rechnet damit, erst Mitte Januar wieder die Bühne bespielen zu können.
Potsdam- Nach wochenlanger Live-Abstinenz war er als erste Wiederannäherung an das Publikum gedacht: der Fahrende Adventskalender des Hans Otto Theaters. Vom 1. bis 20. Dezember wollte das Theater zwei Schauspieler auf die Höfe und Plätze Potsdams schicken, um dort kurz ein musikalisches Türchen zu öffnen, je 15 Minuten lang.
Das Publikum sollte von Fenstern und Balkonen aus zusehen dürfen – wenn schon nicht live im Theater. Bühnen, Kinos und Museen sind bekanntlich seit Anfang November wieder geschlossen. Wenn die Menschen nicht ins Theater können, dann eben andersrum. So die Idee.
Laut Verordnung sind nur zwei Haushalte erlaubt
Die Realität hingegen: Am Montag wurde das Adventsprogramm angekündigt; am Dienstag wurde es wieder abgesagt. Der Grund lag in der am gleichen Tag in Kraft tretenden aktuellen Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg. Diese sieht vor, Paragraph sieben, erster Absatz, dass „Veranstaltungen mit Unterhaltungscharakter, an denen Personen aus mehr als zwei Haushalten (...) teilnehmen“, untersagt sind.
Das Balkontheater des Hans Otto Theaters hingegen sieht neben den Schauspielern auch zwei Techniker vor. Als noch problematischer beschreibt Kulturministeriumssprecher Stephan Breiding den "Veranstaltungscharakter" des Balkontheaters: Man könne einfach nicht garantieren, dass das Format nicht zu größeren Menschenansammlungen führe.
Eine Initiative des Ensembles
Der Fahrende Adventskalender war eine Initiative des Ensembles gewesen, alle verfügbaren Termine in kürzester Zeit ausgebucht. Neun Monate nach Beginn des ersten Kultur-Lockdowns ist das Bedürfnis auf beiden Seiten – bei Theaterschaffenden und Theaterpublikum – wieder zusammenzukommen, ganz offensichtlich groß. Entsprechend groß ist die Enttäuschung, wenn einfallsreiche Versuche wie der des Adventskalenders unterbunden werden.
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„Wie passt das zusammen mit dem öffentlichen Verkehr, wo alle noch entspannt in Busse und Bahnen einsteigen?“, fragt eine aufgebrachte PNN-Leserin, die sich auf die Veranstaltung gefreut hatte. „Wie passt das zusammen mit den Einkaufszentren, wo alle noch entspannt in Massen einkaufen? Irgendwie verliert man den Glauben an die Gesetzgebung. Es gibt einfach so unglaublich wenig, was einen ein wenig Kultur nahe kommen lässt.“
Enttäuschung auch bei Intendantin Jahnke - aber auch Verständnis
Auch HOT-Intendantin Bettina Jahnke ist enttäuscht. Dennoch sei es jetzt wie auch in den vergangenen Monaten der Pandemie wichtig, Demut zu zeigen. „Der Irrsinn ist nicht die Politik, der Irrsinn ist der Virus selbst.“ Und sie formuliert auch Verständnis für die Härte der Verordnung: „Man schafft einen Präzedenzfall. Wenn wir jetzt spielen dürften, dann wollen das andere auch.“
Aber: „Je länger wir jetzt Disziplin zeigen, desto schneller geht es hoffentlich vorbei.“ Bettina Jahnke hat sich mit anderen Theatern in Brandenburg verständigt und geht nicht davon aus, dass vor Mitte Januar wieder die Bühnen öffnen – auch wenn die aktuelle Schließung offiziell nur bis 20. Dezember gilt. „Theatermachen geht nicht einfach nach dem Prinzip Klappe-auf-Klappe-zu.“ Man brauche Vorlauf, um ein Programm zu planen.
Jahnke: Das Hans Otto Theater hat einen Ruf zu verlieren
Anstelle des abgesagten Fahrenden Adventskalenders hat das Hans Otto Theater inzwischen ein digitales Trostpflaster veröffentlicht: Wer will, kann das mit Jon-Kaare Koppe und Jörg Dathe produzierte Kurzkonzert auf Youtube nachholen.
Bleibt die Frage an Bettina Jahnke: Wäre es eine Option gewesen, die Anzahl der Beteiligten beim Balkontheater zu minimieren, um womöglich dennoch auftreten zu können? Nein, sagt Jahnke: „Als Stadttheater haben wir auch einen Ruf zu verlieren.“ Und wenn da am Ende nur ein Schauspieler stehe, ohne Ton, ohne Maske, ohne Licht, „dann ist das keine Kunst, sondern dann ist das Verzweiflung. Und soweit sind wir noch nicht.“
Lena Schneider