zum Hauptinhalt
Sucht Antworten: David gespielt von Morten Holst.
© Philipp Meise / unafilm

Potsdamer Filmuniversitätsstudentin auf der Berlinale: Eine Narbe, die berührt

Udita Bhargava, Absolventin der Filmuniversität, gibt mit ihrem Film „Dust“ Einblicke in die Unruhen Zentralindiens. Er läuft auf der Berlinale 2019 in der Perspektive Deutsches Kino.

Potsdam - Die Narbe ist dick. Deutlich sichtbar zieht sie sich über Radhas Unterbauch. Eine Kaiserschnittnarbe – das Baby gehört längst einer anderen Familie. Einer weißen wohlhabenden. Es sind harte Bilder, die Regisseurin Udita Bhargava in ihrem Film „Dust“ zeichnet. Der Spielfilm ist ihr Abschlussfilm an der Filmuniversität Babelsberg, der am Freitag Premiere auf der 69. Berlinale feierte.

„Dust“ spielt in Zentralindien, in und um die Stadt Indore – Udita Bhargavas Heimatstadt. Seit vielen Jahrzehnten ist vor allem die ländliche Gegend dort geprägt von Guerillakämpfen gegen die Regierung. Vor Ort herrscht Armut und Verzweiflung, wie „Dust“ sehr deutlich zeigt. Der Film folgt drei Figuren, Morten Holst ist in der Hauptrolle des Deutschen David zu sehen. Er sucht nach einem Jungen, den seine verstorbene Freundin kurz vor ihrem Tod mit der Kamera aufgenommen hat. Sie war als Fotografin im Indischen Krisengebiet unterwegs, der von ihr aufgenommene Krishna (Abu Bakr Golu) gehört der Rebellion an. Sein Bruder ist desertiert, was ihn in eine gefährliche Lage bringt. Dr. Sharda (Vinay Pathak) ist das mysteriöse Bindeglied zwischen David und Krishna. Ein autoritärer Guerilla-Antreiber, der auch in Radhas (Kalyanee Mulay) Schicksal verwebt ist: Als Kind floh sie aus ihrem zerstörten Dorf – und landete in seinem Umkreis.

Im Gegensatz zu den beiden männlichen Figuren hat die Figur von Radha eine vergleichsweise kleine Rolle in „Dust“. Trotzdem ist es ihr Schicksal, das nachhaltig berührt, um das die Gedanken noch lange kreisen. Genauso wie die Figuren David und Krishna geisterte sie schon lange in Udita Bhargavas Kopf herum. „Die drei Figuren waren zuerst da“, erzählt die 36-jährige Regisseurin, die auch das Drehbuch zum Film verfasst hat. Die erste Idee zum Film entstand bereits 2012. Damals las Bhargava, die 2009 ihr Regiestudium in Potsdam begann, einen Artikel über die Unruhen in Zentralindien, der sie zu ihrer Filmgeschichte inspiriert hat. „Ich möchte mit meinem Film den Blick auf die Zustände vor Ort richten“, sagt Bhargava, die mit einem Berliner verheiratet ist und zwischen Berlin und Indore pendelt.

In Indore hat sie die Unruhen nicht direkt miterlebt. „In den Städten spürt man davon nichts direkt“, sagt sie. Dabei liege Indore gar nicht weit weg von den gefährlichen Gebieten. Ihre Recherchen basieren auf Berichten von Journalisten und Fotografen. Die Figur der verstorbenen Freundin ihres Protagonisten David ist eine Art Hommage an all jene, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um über Zentralindien informieren zu können, sagt sie.

Regisseurin Udita Bhargava.
Regisseurin Udita Bhargava.
© Manfred Thomas

Der gesamte Film „Dust“ ist komplett in Hindi gedreht – eine Sprache, die David-Darsteller Morten Holst mühsam mit einem Dialektcoach lernen musste. Als einzige nicht indische Figur führt er die Zuschauer an die Geschichte des Films heran, nimmt sie mit auf die Reise nach Indien. Zu Beginn ist diese ein wenig überfordernd – für David als auch für die Filmsehenden. Sie torkeln mit ihm durch die flirrende Hitze, fühlen sich ähnlich matt und entwickeln wie er erst Stück für Stück ein Verständnis für die Umstände vor Ort.

„David öffnet die Tür, durch ihn entfaltet sich die Welt des Films“, sagt Bhargava, die ganz bewusst eine männliche Hauptfigur gewählt hat. „Ich möchte und muss auch Filme über Frauen drehen“, betont sie. Aber es sei eben auch wichtig, dass Frauen Filme über Männer machen. „Schließlich erzählen Männer schon lange ständig ihre Sicht auf Frauen.“ Trotzdem war es ihr wichtig, eine weibliche Protagonistin im Film zu haben – um Rhada hat sie dann regelrecht kämpfen müssen, wie sie erzählt. Unter anderem, weil die gezeigten Zeitebenen zwischen der erwachsenen und der noch kleinen Rhada nicht immer klar unterscheidbar sind.

Der Film spielt in und um Indore, Udita Bhargavas Heimatstadt. 
Der Film spielt in und um Indore, Udita Bhargavas Heimatstadt. 
© Philipp Meise/unafilm

Überhaupt gibt es wenig Erklärungen in „Dust“, der eine Leuchtstoff-Produktion des rbb ist und auch vom Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert wird. Udita Bhargava fordert damit die ganze Aufmerksamkeit der Zuschauer – und setzt auf subtile Emotionalität. Dabei ist der Film niemals kitschig oder reißerisch erzählt, sondern setzt auf Realitätsnähe. Er berührt aber trotzdem tief. Weil seine intensiven Bilder – wie der verzweifelte Blick Krishnas, die leeren Augen Davids oder Rhadas Narbe – nicht so schnell loslassen. 

>>„Dust“, am 17. Februar um 14 Uhr im CinemaxX in Berlin und am 23. Februar um 17.30 Uhr im Filmmuseum Potsdam

Zur Startseite