Filmdreh Am Stern in Potsdam: Innere Konflikte
Filmunistudent Michael Fetter Nathansky dreht derzeit in Potsdam seinen Film „Dímelo tú - Sag Du es mir“. Eine Schlüsselszene entsteht in einer Wohnsiedlung Am Stern. Ein Setbesuch.
Potsdam - Drehort Gaußstraße 54 in Potsdam: Vor der Haustür liegt Sperrmüll, eine Plastikbabypuppe mit gruseligen Klimperaugen fällt sofort auf, ein kleines Ölbild mit einem Segelschiff ebenfalls. Während ein Bewohner – stilvoll in grünen Gartenclogs – in das Nachbarhaus wankt, ertönen aus dem Fenster der Nummer 54 laute Stimmen. Sie klingen wütend, sind aber im Gegensatz zum Sperrmüll vom Filmteam bestellt.
Größtenteils besteht das Team aus Studenten der Filmuniversität Potsdam, allen voran Michael Fetter Nathansky, der derzeit seinen Langfilm „Dímelo tú – Sag Du es mir“ in Potsdam dreht. Es ist der Abschlussfilm des 24-Jährigen, der nicht nur die Regie übernimmt, sondern auch das Drehbuch geschrieben hat. Fetter Nathansky erhielt im vergangenen Jahr für seinen Film „Gabi“ bereits den Deutschen Kurzfilmpreis. Sein aktuelles Projekt wird nicht nur in Potsdam gedreht, sondern spielt auch tatsächlich in der Landeshauptstadt. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich, bevorzugen die meisten Filmstudenten doch Berlin als Dreh- und vor allem Spielort. „Für mich ist die große Stadt schon etwas abgefilmt“, sagt hingegen Fetter Nathansky. Schon während des Studiums vor Ort hat er sich Potsdam stückchenweise erschlossen. „Sonst bleibt man auf dem Campus, wie auf einer Insel“, erklärt er.
Der Episodenfilm erzählt die Geschichte aus drei Perspektiven
Für „Dímelo tú“ sind bereits in der Neustädter Havelbucht Szenen entstanden, besonders die dortige Eisenbahnbrücke hat es dem Regisseur angetan, aber auch die Hochhäuser. „Der Blick aus den Fenstern ist einfach großartig“, sagt er. Auch im brandenburgischen Storkow wurde gedreht, nächste Woche geht es nach Hermannswerder. Am gestrigen Donnerstag nun also Am Stern, inmitten von Hochhäusern in einer authentischen kleinen Plattenbauwohnung mit Küchenzeile, Aquarium und Couchecke. Hier entsteht eine der Schlüsselszenen des Films, der sich damit befasst, wie individuell Menschen eine Situation wahrnehmen.
Im Mittelpunkt stehen drei Protagonisten: Silke (Gisa Flake) wird von einem Fremden von einer Brücke hinunter in die Havel gestoßen. Sie überlebt leicht verletzt. Ihre in Spanien lebende Schwester Monika (Christina Große) kommt kurzerhand zurück in die Heimatstadt Potsdam, um ihre kleine Schwester zu beschützen und den Schuldigen zu finden. Silke kommt schließlich René (Marc Benjamin Puch) auf die Spur, doch der weiß selbst nicht, warum er die Tat begangen hat.
In drei Episoden erzählt der Film vor allem vom Innenleben der Figuren, von den Beziehungen zueinander, von ihren Geschichten, wie Fetter Nathansky in der Drehpause bei einem Teller Spaghetti sagt. „Wir alle erzählen eine Geschichte unseres Lebens. René zum Beispiel hat aber keine, die seine Tat erklärt.“ Damit umzugehen sei ein Konflikt, der nicht so leicht zu lösen sei. Ob diese innere Zerrissenheit auch in dem gestrig gedrehten Material eine Rolle spielt, möchte er noch nicht verraten. Nur soviel: „Die in der Wohnung gedrehte Szene wird in allen drei Episoden vorkommen, jeweils aus den unterschiedlichen Perspektiven.“
Besondere, lebensnahe Dialoge
Eine dieser Perspektiven spielt Gisa Flake als Silke, die bereits in „Gabi“ die Hauptrolle inne hatte. Sie war eine Wunschkandidatin von Fetter Nathansky. „Weil sie sehr klug ist, witzig auch und einfach ganz viel mitbringt.“ Die beiden anderen Darsteller hat der Regisseur im Casting gefunden, wie er erzählt.
Viel Überzeugungsarbeit musste er dabei zumindest bei Christina Große nicht leisten. Sie war bereits von dem Drehbuch sehr begeistert: „Die Geschichte ist sehr spannend geschrieben mit sehr besonderen, lebensnahen Dialogen“, sagt die Schauspielerin, die unter anderem im Axel Ranisch-Film „Alki Alki“ mitwirkte und ebenfalls an der heutigen Potsdamer Filmuni studiert hat. Für sie ist die besondere Beziehung der beiden Schwestern im Film eine sehr berührende Liebesgeschichte – die aber leider nicht funktioniere, weil die Schwestern nicht mehr zueinander finden. Die Arbeit in dem Filmuni-dominanten Team genieße sie sehr: „Alle sind total uneitel, was sehr untypisch für die Branche ist“, sagt sie. Hier gehe es wirklich um die Sache. Das wünsche sie sich häufiger.
Wunschziel: Berlinale 2019
Produziert wird „Dímelo tú“ von Wood Water Films, der Filmuniversität, dem rbb sowie Contando Films – ebenfalls gegründet von Filmuni-Studenten. Die Produktion ist ein sogenannter „Leuchtstoff-Film“. So nennt der rbb Projekte, die vom Abschluss-, über Debut- bis hin zum großen Film reichen und vom Sender mitproduziert sowie vom Medienboard Berlin-Brandenburg mit 100 000 Euro gefördert werden. Auch Andreas Dresens neuester Film „Gundermann“, der nächste Woche in den Kinos startet, ist ein „Leuchtstoff-Film“.
Ob „Dímelo tú“ im Kino zu sehen sein wird, ist noch ungewiss. Zunächst soll er auf verschiedenen Festivals starten – die Berlinale 2019 steht dabei ganz oben auf der Wunschliste, wie Arto Sebastian von Wood Water Films sagt. Fetter Nathansky ist hingegen noch etwas zurückhaltender: „Erstmal den Film fertig machen“, sagt er lächelnd, räumt den leeren Teller weg und kehrt zurück zum Wohnungs-Set.
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Mehr Bilder vom Set, finden Sie in unserer Mediathek: Setbesuch Am Stern: Filmuniregisseur Michael Fetter Nathansky dreht in Potsdam.