Online-Premiere am Hans Otto Theater: „Eine eigene Form des Theaters“
Am 30. Januar feiert „Der Vorname“ am Hans Otto Theater virtuell Premiere. Aber geht denn das: Theater im Stream? Eher nicht, dachte Regisseur Moritz Peters früher. Und änderte im zweiten Lockdown seine Meinung.
Potsdam - Stellen wir uns kurz vor: Die Pandemie ist vorbei, der Kultur-Lockdown auch. Stellen wir uns vor, man wollte jemandem erklären, was damals los war im Potsdamer Theaterbetrieb. Das Warten, Hoffen, Umdisponieren. Auf der Suche nach einem guten Beispiel dürfte man auf „Der Vorname“ von Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte kommen. Die Inszenierung von Moritz Peters, die am 30. Januar am Hans Otto Theater Premiere hat. Virtuell.
Geplant war das ganz anders. Geplant war die Premiere für den 9. April 2020. Als die Proben beginnen, ist in Europa von Corona noch wenig die Rede. Am 8. März zeichnet sich ab, dass die Premiere nicht stattfinden kann. Da steht die Inszenierung bereits, in groben Zügen. „Wir hatten sie bis auf die letzten beiden Szenen einmal durchgejazzt“, sagt Moritz Peters. „Wir wussten, wo die Reise hingegen soll.“ Etwas, das sich später auszahlt.
Lockdown im März, Probenpause bis Oktober
Am 13. März geht das Theater in den Lockdown. Die Premiere von „Der Vorname“ wird in die neue Spielzeit verschoben, auf den 20. November. Digitale Proben kommen nicht infrage, analoge sind unmöglich. Der Regisseur hat inzwischen am Schlosstheater Celle eine Stelle als Dramaturg angetreten. Erst im Oktober gehen die Proben weiter – „extrem komfortabel und entspannt“, so erinnert sich Moritz Peters. Man kann gut an den Probenstand vom März anknüpfen. Hat viel Zeit und genügend Platz auf der großen Bühne.
Dann setzt der erneute Kultur-Lockdown ein. Die Premiere wird wieder abgesagt. Wann wieder vor Publikum Theater gespielt werden darf, wusste damals niemand, und man weiß es noch immer nicht. Bis Ostern ist der Spielbetrieb vorerst eingestellt. Die Firma Schnittmenge wurde beauftragt, die Hauptprobe von „Der Vorname“ abzufilmen. Was am 30. Januar nun zu sehen ist: ein Mitschnitt der zweiten Hauptprobe.
Eine Online-Premiere? Eher eine zweite Vorpremiere
Eine Premiere also? „Nee“, sagt der Regisseur. „Eher eine zweite Vorpremiere.“ Trotzdem war er sofort einverstanden, als er den Stream sah. „Es ist eine hochwertig aufgenommene Vorstellung.“ Nicht mehr, nicht weniger: keine extra Film-Proben, keine Kameras auf der Bühne, dafür Wechsel aus Totalen und Nahaufnahmen. Das machte es Moritz Peters leicht, dem Stream zuzustimmen. „Ich muss allerdings sagen, dass es mir noch vor wenigen Wochen nicht so leicht gefallen wäre.“
Die meisten abgefilmten Inszenierungen, die es im ersten Lockdown gab, haben ihm nicht gefallen. „Das war kein adäquater Ersatz“, sagt er. „Als der zweite Lockdown kam, habe ich meine Meinung peu à peu geändert.“ Das lag vor allem daran, dass sich diese neue Art, Theater zu sehen, zunehmend als eigene Form etabliert, sagt Peters. „Wir Zuschauer nehmen das nicht mehr als Ersatz für Live-Theater wahr, sondern als zusätzliche, eigene Form des Theaters.“
Theater-Streams funktionieren, wenn sie nicht tun, als seien sie Film
Nur, seien wir argwöhnisch: Ist so ein Stream denn noch Theater – und nicht immer nur eine schlechtere Form des Films? „Das kommt drauf an“, sagt Peters. Im Fall von „Der Vorname“ ein deutliches Nein. Denn: „Hier ist ganz klar, dass das Theater ist. Schon durch die Beleuchtung. Und durch die Nahaufnahmen nimmt man von der Inszenierung nochmal ganz neue Aspekte wahr.“ Problematisch findet er, wenn Theater tut, als sei es Film. Im Vergleich werde Theater immer verlieren.
Anders liegt der Fall für ihn, wenn Theater sich an eigenen Filmformaten versuchen. Wie Antú Romero Nunes’ Film-Version der „Maria Stuart“ am Thalia Theater Hamburg. Und auch in Celle suchen sie nach Filmformaten: eine Roman-Erzählung aus fünf Perspektiven, Kurzfilme.
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Theater und Digitalität: der Königsweg ist noch nicht gefunden
Die eigentliche Herausforderung für Theater in der Pandemie aber, sagt auch Moritz Peters, liegt woanders. Formate, die die grundsätzliche Eigenschaft des Theaters ins Digitale übersetzen: das Live-Erlebnis. Formate, in denen Zuschauer*innen darüber abstimmen können, wie es weitergeht: Durch welche Tür jemand auf der Bühne geht zum Beispiel. Auch das probieren sie in Celle gerade aus. „Den wirklichen Königsweg habe ich aber noch nicht gefunden.“
Nun also erstmal der gangbare Mittelweg: „Der Vorname“ im Stream. Warum aber inszeniert der Regisseur, der sich in Potsdam 2018 mit der atemberaubenden Inszenierung von Thomas Köcks Klima-Sprechoper „paradies spielen“ vorstellte, einer, der sich sonst eher für Kleist-Stoffe und sperrige Gegenwartstexte interessiert, hier plötzlich französischen Boulevard?
Was Moritz Peters an "Der Vorname" reizt
Peters sagt: Zum einen, weil er keine Lust hat, sich auf politische Stoffe festlegen zu lassen, ganz einfach. Zum anderen, weil auch hier, in der Komödie, die Sprache den Takt vorgibt. „Ich folge beim Inszenieren dem Sprechen.“ Der körperliche Aspekt des Sprechens war dem gelernten Schauspieler schon immer wichtig: Wenn Sprache den ganzen Körper packt. In extremer Form hat er das bei Thomas Bischoff kennengelernt, dem großen Formalisten – eine prägende Begegnung in Studententagen.
Moritz Peters, 1981 durch einen Zufall (ein Stipendium seines Vaters) in den USA geboren, pendelte in den Interessen schon immer zwischen Literatur und Wissenschaft – belegte als einziger an seiner Schule zu Abi-Zeiten die Kombination von Physik und Deutsch. War nach dem Schauspielstudium in den Ensembles des Schauspiel Frankfurt, des Zimmertheaters Tübingen. Inszenierte Brecht, Ibsen, Tschechow und Kleist, Kleist, Kleist. Studierte zwischendrin Theaterwissenschaften, sucht jetzt als Dramaturg die tiefere Auseinandersetzung mit den Stoffen. Auch wenn das bedeutet: „Jetzt rede ich nur noch, jetzt spreche ich nicht mehr.“
Komödie? Vielleicht. Boulevard? Durchaus, ja!
Daran, dass „Der Vorname“, ein Stück, in dem vier Erwachsene darüber streiten, ob man heutzutage seinen Sohn „Adolphe“ nennen darf, wirklich eine Komödie ist, hat Moritz Peters so seine Zweifel. Aber: Boulevard durchaus, ja! Für ihn ist „Der Vorname“ vor allem ein Konversationsstück, im besten Sinne. „Es ist toll, so ganz auf das konservative Element setzen zu können“, sagt er. Bei Moritz Peters dürfte das heißen: auf die Sprache.
„Der Vorname“, am 30.1., 5.2., 12.2., 19.2. und 26.2. je von 19.30 Uhr bis 0 Uhr online über die Webseite des Theaters abrufbar. Karten gibt es ebenfalls auf der Webseite.
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