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Ab Montag bleiben Potsdams Kneipentische bis Ende November leer.
© Andreas Klaer

Potsdamer Reaktionen auf Teil-Lockdown: Niemand will der Pandemietreiber sein

Ab Montag werden auch in Potsdam Gaststätten, Kultur- und Freizeiteinrichtungen zum zweiten Malin diesem Jahr geschlossen. Die Branche ist entsetzt – und sieht sich zu Unrecht Restriktionen ausgesetzt.

Potsdam - Mit Kritik, Unverständnis und Enttäuschung haben Potsdams Wirtschafts- und Gastroverbände sowie Kultureinrichtungen auf die einschneidenden Maßnahmen reagiert, die Bund und Länder am Mittwoch zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beschlossen haben. 
„Weitergehende Einschränkungen im Hotel- und Gaststättengewerbe, bei Kultur und Freizeit sowie den Dienstleistungsbranchen lehnen wir ab, da diese bereits geeignete Maßnahmen ergreifen und funktionierende Hygienekonzepte seit Monaten umsetzen“, erklärte Peter Kopf, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern (IHK) des Landes Brandenburg am Vormittag – noch vor der Beratung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten über die weitere Verschärfung der Maßnahmen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kernpunkte des neuerlichen Lockdowns längst überall durchgesickert. Wenig später wurde das beschlossen, was Kopf zuvor abgelehnt hatte, und das sogar zwei Tage früher als geplant: Ab Montag bleiben Gastronomiebetriebe bis Ende November geschlossen, gleiches gilt für Theater, Kinos, Opern- oder Konzerthäuser, Schwimmhallen sowie den Amateur- und Freizeitsport. 

IHK spricht von Stigmatisierung

Kopf hatte zuvor von einer Stigmatisierung gesprochen, „vor allem, weil nicht wissenschaftlich nachgewiesen“ sei, dass die vom Lockdown betroffenen Branchen und Einrichtungen die „Treiber der Pandemie“ seien. Aufgrund der dramatisch steigenden Infektionszahlen in Deutschland sei es nachvollziehbar, dass Maßnahmen ergriffen werden müssten, so Kopf. Gleichzeitig aber müsse das öffentliche Leben „so weit wie möglich aufrechterhalten“ werden. Gesundheitsschutz und wirtschaftliche Aktivität schlössen sich nicht aus, so der IHK-Vertreter. 

Ähnlich äußerte sich Olaf Lücke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Brandenburg (Dehoga): „Die Restaurants und Hotels sind nicht die Pandemietreiber“, sagte er den PNN. Ein zweiter Lockdown wäre „ein Rückschlag für die Branche“. Die Infektionen in der Gastronomie seien zu vernachlässigen, so Lücke. Viele sähen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Die Maßnahmen wie das Einhalten von Abständen und der Verzicht auf Sitzplätze seien eingehalten worden. „Deshalb wächst das Unverständnis in der Branche.“ Viele Betriebe kämen nicht mehr über den Winter, befürchtet Lücke. Die Politik müsse daher „vollumfänglich für den Schaden aufkommen“.

„Das trifft uns massiv“, sagte Carsten Rettschlag, Inhaber des Restaurants Juliette. Vier Wochen am Stück, das sei „heftig“, so der Gastronom. Für ihn ist die Entscheidung nicht nachvollziehbar. Man halte sich an alle Vorgaben. Den Grund für die starke Zunahme der Infektionszahlen sieht er in privaten Feiern und anderen Hotspots. Er und andere Gastronomen halten es nicht für gerechtfertigt, „dass wir das alle mit ausbaden müssen“. Dass die Gastronomie noch einmal so hart betroffen sein würde, damit hätte er nicht gerechnet. „So langsam wird für alle die Luft oben sehr eng“, so Rettschlag. 

Unverständnis im Thalia-Kino und im Filmmuseum

Eine zweite Schließung sei „katastrophal“, sagte auch Christiane Niewald, zuständig für die Programmplanung des Thalia-Kinos, den PNN. Das Haus sei immer noch dabei, die Defizite durch den letzten Lockdown wieder aufzuholen. „Da jetzt schon wieder einen Cut zu machen, ist fatal.“ Richtig nachvollziehbar findet Niewald die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung und der Länderchefs nicht. „Im Kino hat sich bisher niemand angesteckt“, sagte Niewald. Nach jeder Vorstellung werde desinfiziert, zwischen den Sitzen gebe es immer zwei freie Plätze, außerdem herrsche im Kino bis auf die Sitzplätze Maskenpflicht.  Im Potsdamer Filmmuseum ist man vom Nutzen einer Schließung ebenfalls wenig überzeugt. Alle Hygienemaßnahmen würden eingehalten, sagte Sprecherin Christine Handke. „Es ist noch keine Infektion hier im Hause passiert“, betonte sie. Zwar sei das Haus durch einen weiteren Lockdown nicht in seiner Existenz bedroht. Aber für die freien Kulturschaffenden sei die Lage dramatisch.

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HOT-Intendantin ist enttäuscht

„Ich bin enttäuscht und traurig“, sagte Bettina Jahnke, Intendantin des Hans Otto Theaters, in einer ersten Reaktion. Noch am Vortag hatte sie gemeinsam mit sieben anderen Kulturinstitutionen Potsdams in einem Schreiben an die Politik appelliert, keine weiteren Einschränkungen im kulturellen Bereich zu veranlassen. Gemeinsam hatten die Akteure auf die „funktionierenden Hygienekonzepte“ verwiesen, die in den letzten Monaten erstellt worden waren, um sichere Räume für das Publikum zu schaffen. „Jetzt fangen wir wieder von vorne an“, kommentierte Jahnke. „Ich als Theaterleiterin und Künstlerin finde das bitter. Wir haben uns viel Mühe gegeben.“ 

Lindenpark sagt Halloween-Party ab

Das Jugendkultur- und Familienzentrum Lindenpark reagierte bereits und sagte das für Samstag geplante und ausverkaufte Halloween-Fest ab. Vizechef Reiko Käske sprach von einem „schwierigen Spagat“. Einerseits gehe es um Verantwortung, andererseits sei es wichtig, das Thema Kultur nicht unter den Tisch fallen zu lassen. Käske bezweifelte, dass ein zweiter Lockdown die richtige Lösung ist: „Produziert man damit nicht woanders unkontrollierbare Ereignisse?“ 

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