Christian Dittloffs Roman "Das weiße Schloss": Die freie Elternschaft von Morgen
Der Berliner Autor Christian Dittloff hat mit seinem Debütroman "Das weiße Schloss" eine faszinierende Zukunftsvision einer modernen Elternschaft geschrieben. Im Potsdamer Viktoriagarten stellte er das Buch vor.
Potsdam - Eine Frage muss Christian Dittloff sich regelmäßig stellen lassen: Weshalb gerade er? Weshalb kommt gerade ein Mann Mitte dreißig, kinderlos, auf die Idee einen Roman über Mutterschaft zu schreiben? Die Antwort hat er am Donnerstagabend im Potsdamer Viktoriagarten parat. Dort las er aus seinem Debütroman „Das weiße Schloss.“
Schnell wird klar, weshalb Viktoriagarten-Inhaberin Stefanie Müller davon spricht, dass „man zu diesem Buch nicht keine Haltung haben kann.“ Denn Dittloff entwirft darin eine zwischen Utopie und Dystopie changierende Welt, deren Kerngedanke sich vielleicht am ehesten so formulieren lässt: Was wäre, wenn Mutterschaft ein sozial anerkannter Beruf wäre, von dem sich gut leben ließe?
Die beiden biblischen Hauptfiguren Ada und Yves wollen ein Kind – irgendwie zumindest. Denn beide wollen ihre hedonistischen Lebensstile nicht dem Austragen oder der Erziehung eines Kindes opfern. Das titelgebende Weiße Schloss bietet den Ausweg: gut bezahlte, medizinisch auf höchstem Niveau kontrollierte, faire Leihmutterschaft, die das traditionelle Familienmodell nicht zuletzt in der Hinsicht sprengt, dass die Leihmutter über die Geburt hinaus Teil der Familie wird. „Das Weiße Schloss“ webt auf diese Art und Weise ein Sicherheitsnetz in die Leben seiner Kunden. Schwangerschaft und Kindererziehung werden zur bequemen Simulation.
Dittloff erzählt all das mit sprachlichem Feinsinn und – darin liegt das sowohl pikante als auch provokante Moment des Romans – ohne moralische Wertung. Seinem Erzählstil gelingt der scheinbar paradoxe Brückenschlag, den Figuren dadurch gerecht zu werden, dass er sie zum einen auf angenehmer Distanz hält, sie aber gleichzeitig so fein zeichnet, dass sie innerhalb der Simulation nicht nur authentisch, sondern nachvollziehbar werden.
Der besondere, doppelbödige Charme der Dittloff'schen Lesung am Donnerstagabend gründet darin, dass er ohne Pathos und mit angenehm hörbuchartiger Stimme all das en passant liest, so als wäre es das Natürlichste, das Alltäglichste, das Nicht-Besondere und dem Text dadurch eine weitere Simulationsebene verleiht: Normalität ist die scheinbare Abwesenheit des Ungeheuerlichen.
„Das Weiße Schloss“, so erzählt Christian Dittloff, sei nach einem „einjährigen Rechercherausch“ im Wesentlichen in drei Monaten an verschiedenen Orten der brandenburgischen Provinz – Zehdenick, Wiesenburg und Strodehne – entstanden, „Schreiborte“, an die Dittloff sich wohl bald wieder zurückziehen wird, um am nächsten Roman zu arbeiten.
Weshalb nun ausgerechnet er, männlich, Mitte dreißig und kinderlos dieses Buch schreiben musste, beantwortet er wie folgt: Er habe „Das Weiße Schloss“ als Simulation einer nahen Zukunft geschrieben, von der er hofft, dass sie, weil sich die Verhältnisse der Gegenwart – die Selbstbestimmung der Frau, Mutterschutz und Gleichberechtigung – verbessern werden, nicht eintreten muss.
Christoph H. Winter