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Rainer Ehrt un sein „Der ratlose Fährmann“ aus dem Jahr 1991.
© Andreas Klaer

Rainer Ehrt im Potsdamer Café Matschke: Der ständige Verführer

Ein "Bilderbuffet" nennt der Kleinmachnower Künstler Rainer Ehrt seine aktuelle Ausstellung im Café Matschke. Gezeigt werden 50 Bilder aus all seinen Schaffensperioden, dabei ist Erotisches und auch Fontane. 

Da sitzt er, der Theodor Fontane. Auf einer Bank unterm Birnbaum. „Wo auch sonst?“, ist gleich ein erster Gedanke beim Betrachten, „Nicht besonders originell“, ein böser zweiter. Doch die Radierung des Kleinmachnower Künstlers Rainer Ehrt mit dem simplen Titel „Fontane unterm Birnbaum“ ist mehr als nur eine Illustration zu Fontanes Kriminalgeschichte. Genau genommen ist sie gar keine, sondern vielmehr eine pfiffig ironische Sicht auf den – in diesem Jahr hoch gefeierten – Schriftsteller.

Bei Ehrt sitzt Fontane unterm Birnbaum und beobachtet eine Dame.
Bei Ehrt sitzt Fontane unterm Birnbaum und beobachtet eine Dame.
© Andreas Klaer

Zu sehen ist sie ab heute Abend im Café Matschke gemeinsam mit 49 weiteren Werken von Ehrt. „Bilderbuffet“ heißt die Werkschau, in der Bilder aus allen Schaffensperioden und in allen Stilen des 58-Jährigen zu sehen sind. Originale sind allerdings keine dabei, Rainer Ehrt hat sich auf Druckgrafiken beschränkt, limitierte Reproduktionen seiner Werke, die er mit seiner hauseigenen historischen Druckpresse selbst herstellt.

Fontane als Frauenliebhaber

Fontane ist dabei im Café Matschke gleich mehrfach anzutreffen. Nicht unbedingt wegen des anstehenden 200. Geburtstages des Schriftstellers, sondern wegen Ehrts Liebe zur Literatur. Als Mann, der die Frauen liebt, hat er Fontane gleich zweimal dargestellt. Unter dem erwähnten Birnbaum sitzt er zwar neben einem Pfarrer, seine Aufmerksamkeit gilt allerdings einer Dame, die im Baum herumklettert. In einem anderen Bild – auf dem Fontanes Haltung offensichtlich dem Fontane-Denkmal in Neuruppin nachempfunden ist – sitzt er einer vollkommen nackten Frau gegenüber. Eine Anspielung auf die vielen weiblichen Protagonistinnen Fontanes? Oder gar auf die merkwürdigen gynäkologischen Ratschläge, die er Ehefrau Emilie gab?

Rainer Ehrt: "Fontane mit Muse"
Rainer Ehrt: "Fontane mit Muse"
© Rainer Ehrt

Mythische Erotik

Die Nacktheit, das Erotische, darf bei einer Ausstellung von Ehrt ohnehin nicht fehlen. Immer mit einer leicht mythischen Nuance, immer gelungen. So wie die verschiedenen Medusa-Darstellungen in blassem Rot, in denen die Schlange nicht unbedingt für die Sünde steht, wie Ehrt sagt. Auch seine Illustration zu Brechts Gedicht „Gegen Verführung“ birgt eine gewisse Erotik: Eine ebenfalls rote Dame mit wildem Haar und langem Arm greift nach einem zusammengekauerten Kerlchen in Schwarz. Die Frau als ständige Verführerin, eine etwas altbackene männliche Perspektive, die man Ehrt vorwerfen könnte – wirkten seine Frauen nicht gleichzeitig immer stark und selbstsicher. Unterdrückt sind sie nie, vielmehr scheinen sie zu sagen: „Hier, sieh mich an. Schön bin ich, aber haben darfst du mich nicht.“

„Gegen Verführung“ von Rainer Ehrt. 
„Gegen Verführung“ von Rainer Ehrt. 
© Andreas Klaer

Überhaupt ist es eigentlich Ehrt, der verführt: Mit seinen Bildern. Einem schon älteren aus den späten 80er Jahren, ganz in Grün gehaltenem etwa. Statuen aus dem Park Sanssouci sind darauf abgebildet. Unten hockt ein Pan, oben drüber blubbert ein Karpfen. Das Bild entstand vor der großen Sanierung der Potsdamer Schlösser und Gärten, wie Ehrt erklärt. Vermoost sieht Sanssouci darauf aus, aber auch märchenhaft, wie aus einem Traum.

Eine Biographie in Bildern

Tatsächlich geträumt hat Ehrt ein großformatiges Bild, das kurz nach dem Anschlag auf das World Trade Center 2001 entstanden ist. Darauf ist das römische Kolosseum zu sehen, das in Manhattan aufgebaut wird. Ein kleiner Ikarus versucht, darin zu landen – ohne Mythologie geht es bei Ehrt eben nicht. Ohne die Preußen auch nicht, mit denen der Künstler eine „Hassliebe“ verbindet, wie er sagt. Friedrich II. findet sich in vielen seiner Bilder – einmal auch in Gesellschaft von Fontane.

Das „Bilderbuffet“ sei für ihn auch eine Art Biografie, wie Ehrt sagt. Beim Aufhängen der Bilder am gestrigen Donnerstag fallen ihm zu jedem Bild Erinnerungen ein, ständig entdeckt er eines, das noch älter ist als ein eben Gezeigtes. Aus den 90er-Jahren stammt zum Beispiel eine Lithographie des ersten Hummers, den Ehrt nach der Wende gegessen hat – und über die er selbst ein bisschen lachen muss. Sie trägt den Titel „Was vom Hummer übrig blieb“. 

"Der rastlose Fährmann".
"Der rastlose Fährmann".
© Andreas Klaer

Ebenfalls kurz nach DDR-Ende entstand „Der rastlose Fährmann“, der zusammengesunken in einem Boot sitzt und seinen Weg nicht kennt. „Ähnlich ging es mir damals auch“, sagt Ehrt. Aber es ging immer weiter, bis heute entstehen Bilder und Kunstbücher, die Ehrt im März wieder auf der Leipziger Buchmesse präsentieren wird.

>>Vernissage zu „Bilderbuffet“ heute um 19 Uhr im Café Matschke, Alleestraße 10.

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