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„In jedem Sinne schön“. So beschreibt Theodor Fontane den Markusplatz in Venedig, auch wenn er von der Stadt insgesamt nicht allzu überzeugt ist. 
© Jens Kalaene/dpa-Zentralbild

Theodor Fontane und seine Abneigung gegen Italien: Der nörgelnde Tourist

Italien war und ist das Sehnsuchtsland vieler Künstler. Vor allem Schriftsteller zog es immer wieder dorthin und auch Theodor Fontane besuchte das Land zwei Mal.  Inspiriert hat es ihn allerdings nicht.

Der erste Reisetag beginnt mit einem Kampf gegen Ungeziefer. Als Theodor Fontane 1874 das erste Mal nach Italien reist, muss das Hotelzimmer in Verona zunächst von allerlei Tierchen befreit werden. „Unterkunft gefunden in Colomba d’oro“, ist dazu in den Tagebucheintragungen seiner Frau Emilie zu finden, mit der er die Reise gemeinsam unternimmt. „Zimmer 36 machte anfangs einen so bedenklichen Eindruck, daß ich es mit dem Licht in der Hand absuchte und einiges Kleinzeug (Spinnen, Spinnweb, Ohrwürmer, Gnitzen) verbrannte.“

Fontane selbst erwähnt die Reise in seinem Tagebuch nur kurz, schreibt aber lange Briefe an Karl und Emilie Zöllner, ein befreundetes Ehepaar, dem er viel über die Reise erzählt. Zwei Mal reiste Fontane nach Italien, das Sehnsuchtsland so vieler Schriftsteller – sein Sehnsuchtsland wurde es allerdings nicht. Die erste Reise unternahm er vom 30. September bis 20. November 1874 gemeinsam mit seiner Frau Emilie. 50 Tage war das Ehepaar dabei insgesamt unterwegs und besuchte Verona, Venedig, Florenz, Rom sowie Neapel. Die Kinder blieben in der Zeit zu Hause: Iwan-Michelangelo D’Aprile vermerkt in seiner Fontane-Biographie „Ein Jahrhundert in Bewegung“, dass die vierzehnjährige Tochter Martha in der Zeit bei Freunden untergebracht wurde, während der achtzehnjährige Sohn Theodor den zehnjährigen Bruder Friedrich sowie die Berliner Wohnung hüten musste. Seine zweite Italienreise unternahm Fontane vom 3. August bis 6. September 1875. Diesmal reiste er allein und besuchte Norditalien.

Fontane schrieb lange Briefe über seine Italienaufenthalte an Karl und Emilie Zöllner, ein befreundetes Ehepaar.
Fontane schrieb lange Briefe über seine Italienaufenthalte an Karl und Emilie Zöllner, ein befreundetes Ehepaar.
© Bernd Settnik/dpa

Italienische Kultur inspiriert ihn nicht

Besonders bekannt sind sie nicht, diese beiden Reisen, obwohl sie nach den Englandbesuchen Fontanes größten Auslandaufenthalte waren. „Wahrscheinlich liegt es daran, dass der Output nicht so groß war“, vermutet Peer Trilcke, Leiter des Potsdamer Theodor-Fontane-Archivs. Über Italien sind keine Gedichte entstanden, in seinen Romanen reisen die Figuren zwar dorthin, aber auch das wird immer nur kurz erwähnt. „Italien hat ihn nicht inspiriert“, sagt Trilcke. Lediglich ein Artikel ist unter dem Titel „Ein letzter Tag in Italien“ im Jahr 1874 in der Vossischen Zeitung erschienen. „Tatsächlich hat Fontane auch eine längere Abhandlung über italienische Kunst und Malerei verfasst“, sagt Trilcke. Allerdings ist das Original seit 1945 verschollen. Eine Abschrift liegt zwar im Deutschen Literaturarchiv in Marbach, veröffentlicht hat Fontane sie allerdings nie. Wahrscheinlich auch aus Respekt vor den Alten Meistern.

Fontane ist zwar als Kunstkritiker tätig, schreibt allerdings nur über Zeitgenossen. Zur italienischen Kunst äußert er sich lediglich im Privaten.„Au fond ist alles tief langweilig“, schreibt Fontane etwa über die Kunstwerke in Venedig am 10. Oktober 1874 an die Zöllners. „Und als ich schließlich in der kleinen Dogen-Kapelle einem Albrecht Dürerschen Christuskopfe begegnete, athmete ich auf; dieser eine Kopf repräsentiert in meinen Augen mehr wahre Kunst, als alle Tintorettos zusammengenommen.“

War nicht so sehr begeistert von Italien: Theodor Fontane.
War nicht so sehr begeistert von Italien: Theodor Fontane.
© Zenodot Verlagsgesellschaft GmbH/ Gemälde von Carl Breitbach

Neapolitaner sind für ihn Gesindel

Venedig selbst findet er zwar hübsch, „aber es repräsentirt doch nicht die Form der Schönheit, die ich dauernd vor Augen haben möchte. Dazu ist mir, rund heraus gesagt, die ganze Geschichte doch zu schmutzig.“ Lediglich über den Markusplatz und die angrenzende Piazzetta gerät er ins Schwärmen: „Hier ist nicht nur alles interessant, malerisch, poetisch, hier ist auch alles in jedem Sinne schön.“ In Rom gefallen ihm die Ruinen besser, als das Prunkvolle, die vielen Kirchen überfordern ihn – wie überhaupt die vielen Eindrücke der Stadt. „An Fleiß und Eifer haben wir es nicht fehlen lassen, aber der Stoff ist endlos“, schreibt er am 31. Oktober 1874 an die Zöllners. Außerdem stört ihn in Rom „ein Dünkel“, die Neapolitaner bezeichnet er in einem Brief vom 14. August 1875 gar als Gesindel.

„Er ist der klassische nörgelnde Tourist“, sagt Peer Trilcke. Abgesehen davon, dass er oft kränklich ist, kann er sich an die regionale Küche nicht recht gewöhnen. Auch nicht beim Besuch von Norditalien, dessen Bewohner er immerhin als „Kulturvolk“ beschreibt: „Einmal dem ganzen Schrecknis von Knoblauch-Cotelettes und entsprechender ,Casi’ verfallen, ist man auf vier Wochen ruiniert. Nur unverwöhnte Mägen und Nasen dürfen sich nationalen Studien hingeben“, schreibt er ebenfalls am 14. August 1875 aus Lecco an seine Frau. Schon bei seiner ersten Reise ist das Paar etwa in Venedig lieber in „ein gutes deutsches Kneipenlokal“ eingekehrt, in der „das Bier ausgezeichnet“ ist. So ist es in Emilies Aufzeichnungen zu lesen.

Zwei Reisen nur für die Karriere

Nun stellt sich die Frage, warum Fontane mit Mitte 50 überhaupt noch nach Italien aufbricht, wo ihm doch Schottland und die heimatliche Havel so viel mehr gefallen. Iwan-Michelangelo D’Aprile stellt in seinem Buch die These auf, dass er sich mit den Reisen für die so heiß ersehnte Sekretärsstelle an der Berliner Akademie der Künste qualifizieren wollte. Ohne Abitur und akademische Karriere erfüllte er nämlich nicht unbedingt die Einstellungsvoraussetzungen. Er hoffte durch eine italienische Bildungsreise diese Lücke zu schließen – was funktionierte. Dass Fontane die Stelle 1876 nach nur wenigen Wochen aus Unzufriedenheit niederlegen würde, wusste er während seiner Reisen ja noch nicht.

>>Iwan-Michelangelo D’Aprile ist am 29. August um 19 Uhr zu Gast im Theodor-Fontane-Archiv, Große Weinmeisterstraße 46/47 und diskutiert mit Demokratieforscherin Hedwig Richter zum Thema „Der politische Fontane: Wahl-Spezial“

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