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Bedroht. Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen.
© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Aus Hass entsteht Gewalt: Beleidigungen und Bedrohungen sind normal geworden

Kolumnist Klaus Brinkbäumer beunruhigt die gewalttägige Sprache von Populisten, Politikern und Medien in den USA und auch in Sachsen. Kolumne „Spiegelstrich“.

Es geschieht in den USA, es geschieht in Deutschland, und weil es in Amerika früher begann und vorangeschritten ist, könnten wir in Deutschland etwas lernen, falls wir das wollten. Verniedlichung wird kaum helfen.

Dass die Bundesrepublik das angeblich soziale Medium Telegram nach acht Jahren staunender Ignoranz um Selbstauskünfte bittet, ist ein Fortschritt und bleibt lieblich.

Die Antwort aus Dubai ist gleichgültiges Schweigen. Kanzler Olaf Scholz möchte nicht sogleich eine Polarisierung des frisch von eben ihm regierten Landes diagnostizieren.

„Weil eine lautstarke Minderheit jetzt sehr radikal vorgeht, dürfen wir nicht für die gesamte Gesellschaft eine Spaltung unterstellen“, sagte Scholz dem ARD-Team Tina Hassel und Oliver Köhr.

Das Wörtchen „gesamte“ ist geometrisch und rhetorisch schief: Wenn eine Axt bloße 20 Prozent eines Holzscheits vom Rest trennt, so tut sie doch, was sie tun soll, und spaltet.

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Zunächst in die USA. In der Hauptstadt Washington sind Beleidigung und Bedrohung normal geworden. Wer dort auf der demokratischen Seite ein Amt hat, fürchtet und erlebt ständige Diffamierung und verbale Gewalt, Frauen mehr als Männer, denn ein großer Teil des Hasses hat mit Misogynie zu tun. In jenem Land, das auf andere Weise als Deutschland gleichfalls eine Geschichte der Gewalt hat, erklärt heute die eine Partei die Mitglieder der anderen zu Verrätern.

Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.
Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.
© Tobias Everke

In Ohio spricht Josh Gandel, ein Republikaner, der für den Senat kandidiert, von der „Tyrannei“ der amtierenden Regierung, die Impfungen empfiehlt (nicht vorschreibt). Bei einer Veranstaltung der Republikaner in Idaho fragte ein Mann, wann er die Demokraten abknallen dürfe. „Wie viele Wahlen stehlen diese Leute noch, ehe wir sie töten können?“ Das seien „angemessene Fragen“, sagten anwesende Abgeordnete.

[Klaus Brinkbäumer ist Programmdirektor des MDR in Leipzig. Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter.]

Kyle Rittenhouse tat es, erschoss in Wisconsin zwei Demonstranten, wurde freigesprochen. Neu ist, dass ein Wahlsieg der anderen Partei nicht mehr akzeptiert, sondern zu Lüge und Betrug erklärt wird, weshalb der Ex-Präsident Trump die Menschen verteidigt, die am 6. Januar das Kapitol gestürmt haben, um ihn wieder ins Amt zu bringen.

Jene Gewalt, die in der einzig realen Wirklichkeit nicht weniger als die Demokratie attackiert, wird in der Weltsicht der Gewalttätigen zum Gegenteil erklärt: zum Mittel, das notwendig sei, um die Demokratie zu verteidigen. So heikel ist die politische Gegenwart, so brüchig die nordamerikanische Republik.

Ein stilvoller, unaufgeregter Machtwechsel

Unsere nicht, noch nicht. Der Berliner Machtwechsel war stilvoll, unaufgeregt. Wenn die „Bild“-Zeitung gegen Wissenschaftler hetzt, eint der Protest die Gesellschaft, mit Ausnahme der via Telegram und Facebook Hetzenden. Aber im Wahn sind auch Teile der deutschen Gesellschaft verfangen.

Medien und Politiker zündeln, profitieren, zündeln noch ein bisschen mehr. Kommentatorinnen, die fürs Impfen argumentieren, erhalten Morddrohungen, der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer sowieso. Auf Telegram, so die „SZ“, werde von Polizisten schwadroniert, die den Befehl bekommen hätten, auf Demonstranten zu schießen.

Es raunt mächtig, das meiste ist frei erfunden, es folgt die Verabredung zum bewaffneten Kampf. Eine „hemmungslose Eskalation“ beobachtet Stephan Kramer, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Thüringen, „Mord- und Gewaltfantasien haben exzessiv zugenommen."

Es bleibt halt nicht bei Worten. Beim Sturm auf das amerikanische Kapitol gab es fünf Tote. Real war auch der Fackelmarsch zum Haus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping.

Klaus Brinkbäumer

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