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Brandenburger Straße in Potsdam.
© Andreas Klaer

Infektionszahlen steigen weiter, Krankenhäuser in Sorge: Potsdam ist zurück im Corona-Krisenmodus

In Krankenhäusern werden Covid-Betten und Regelversorgung knapp. Das Gesundheitsamt braucht noch mehr Hilfe. Gastronomie, Hotellerie und Kultur stellen sich auf die 2G-Regel ein.

Potsdam - Die Corona-Zahlen in Potsdam erreichen Negativ-Rekordwerte. Am Freitag meldete die Stadt am zweiten Tag nacheinander mehr als 100 Infektionen. 104 Ansteckungen kamen hinzu, am Donnerstag waren es 116 - das ist der zweithöchste Tageswert seit Beginn der Pandemie. Nur am 22. Dezember 2020, mitten in der zweiten Welle, war mit damals 130 Ansteckungen eine höhere Zahl gemeldet worden. 

Angesichts des rasanten Anstiegs scheint es nur eine Frage der Zeit, bis die damals schon hohen Inzidenzen von um die 300 überschritten werden. Am Freitag lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Potsdam bereits bei 275,7. Innerhalb von einer Woche ist das ein Plus von rund 90 Prozent. Zugleich beschloss die Landesregierung am Donnerstag neue Gegenmaßnahmen, vor allem massive Einschränkungen für ungeimpfte Erwachsene ab Montag. Sie können auch mit Negativtest beispielsweise nicht mehr in Gaststätten, Theater, Kinos oder Freizeitbäder.

Die PNN geben einen Überblick, was dies alles für Potsdam bedeutet.

Wie sind die Reaktionen auf 2G in der Gastronomie?

Gemischt. Julian Pawelczyk, Geschäftsführer des „Alex“ am Platz der Einheit, befürchtet keine weiteren Einbußen. „Als die kostenlosen Schnelltests im Oktober beendet wurden, haben wir rund 15 Prozent weniger Umsatz gemacht. Aber wir haben auch jeden abgewiesen, der keinen Nachweis vorzeigen konnte, auch wenn er nur einen Kaffee trinken wollte", sagte er. Als eine nahe Arztpraxis an einem Tag noch Impfdosen übrig hatte, hätten sich „18 Mitarbeiter auf einen Schlag" impfen lassen. Man rede offen darüber: 90 Prozent der Mitarbeitenden seien geimpft.

Der sonst notorisch optimistische Großgastronom René Dost, Chef des Café Heider und der Redo-Gruppe mit zahlreichen weiteren Gaststätten, hat hingegen angesichts der Corona-Maßnahmen resigniert: „Mir ist das alles egal geworden, ich mache, was verlangt wird. Und wenn man verlangt, dass ich wegen Corona nackt durch die Bude laufe, mach' ich das auch.“ Er stört sich daran, dass die Gastronomen nun prüfen müssen, ob ihre Gäste vollständig geimpft oder genesen sind: „Allein dafür muss ich einen Mitarbeiter bereitstellen.“ Das kommende Jahr, befürchtet er, „wird für uns alle noch viel schlimmer“.

Vielerorts in Potsdam gilt nun die 2G-Regel
Vielerorts in Potsdam gilt nun die 2G-Regel
© Andreas Klaer

Wie bewertet die Hotelbranche 2G?

In der Potsdamer Hotellerie wird die Entscheidung der Landesregierung für eine 2G-Pflicht in den Hotels mit Zustimmung aufgenommen. „Ich begrüße die klare Entscheidung“, sagte Burkhard Scholz, Geschäftsführer und Inhaber des Inselhotels auf Hermannswerder, den PNN. Die Politik müsse aber eine Änderung vornehmen: „Wenn Gäste nur in unser Haus dürfen, wenn sie genesen oder geimpft sind, muss das auch für unsere Mitarbeiter gelten.“ Es sei „Nonsens, wenn wir den Impfstatus der Gäste kennen, die aber nicht erfahren sollen, ob die Mitarbeiter vollständig geimpft sind“. Seine Mitarbeiter tauschten sich darüber offen aus, daher wisse er, „dass fast alle vollständigen Impfschutz haben“.

Im Kongresshotel am Templiner See, sagte Geschäftsführerin Jutta Braun, werde beim Check-in konsequent kontrolliert, ob Gäste geimpft oder genesen seien. Die Verschärfung von der bis jetzt gültigen 3G- zur 2G-Regelung werde ihrer Einschätzung nach „nur wenige Gäste von einer Buchung abhalten“. Die Mitarbeiter seien zu mehr als 90 Prozent geimpft oder genesen. Es müsse darum gehen, flächendeckende Lockdowns zu verhindern, appellierte der Landestourismusverband.

Wie sehen es die Kulturbetriebe?

Im kommunalen Hans Otto Theater sieht man sich vorbereitet - obwohl Intendantin Bettina Jahnke sagte, dass sich das Publikum in einer Umfrage eigentlich für 3G ausgesprochen habe. Gleichwohl wolle man die Abstände zwischen den Zuschauergruppen trotz 2G nicht verringern, also weiter Plätze frei lassen, "schon für das Sicherheitsgefühl".

So sieht man es auch im Babelsberger Thalia-Kino. „Selbst wenn wir das Kino jetzt voll auslasten könnten, wenn alle 2G nachweisen könnten, würden wir das nicht tun. Die Fallzahlen sind einfach zu hoch“, sagte Thalia-Chefin Daniela Zuklic den PNN. „Wir werden unsere bisherige Abstandsregelung von einem Meter beibehalten.“ Die Kontaktdaten würden gleich an der Tür erfasst, ohne Impfnachweis gebe es keinen Zugang. Erst am Sonntag musste ein junger Mann, der seinen Impfausweis vergessen hatte, umkehren.

Grundsätzlich sei die Umsetzung für das Publikum machbar, hieß es auch aus dem Babelsberger Lindenpark von Sprecher Reiko Käske. Im Waschhaus in der Schiffbauergasse oder auch im Nikolaisaal waren 2G-Formate schon umgesetzt worden. Mit Blick auf die Mitarbeiter der Kulturbetriebe gilt laut Land weiter 3G, Ungeimpfte müssen sich täglich testen.

Wie geht man mit 2G im Schwimmbad blu um?

Von den Stadtwerken als Betreiber des Bades am Brauhausberg hieß es dazu: Im Sportbad könne weiter 3G gelten, im Familienbad und der Sauna werde hingegen 2G eingeführt. Details werde man am Wochenende auf der Internetseite mitteilen.

Wie soll 2G kontrolliert werden?

Dafür sind Behörden wie das Ordnungsamt zuständig. "Der Kontrollaufwand wird steigen", sagte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) am Mittwochabend im Hauptausschuss. Bei den vergangenen Corona-Wellen hatte das Amt dann andere Aufgaben, etwa das Knöllchenschreiben, entsprechend zurückgefahren. Eine Rathaussprecherin ergänzte, Hinweise zu Verstößen könnten dem Ordnungsamt jederzeit telefonisch oder per E-Mail angezeigt werden - entweder unter Tel.: (0331) 289 16 42 oder unter Ordnung-Sicherheit@rathaus.potsdam.de.

Immer wieder hatte es in sozialen Medien zuletzt Berichte gegeben, dass auch in Potsdam unter anderem Gastronomen den Impf-, Genesenen- oder Teststatus ihrer Kunden regelmäßig nicht kontrolliert hätten. Vielfach unzureichende Kontrollen bestätigten am Donnerstag auch mehrere Leserinnen und Leser unter einem entsprechenden PNN-Facebook-Aufruf zu Erfahrungen in den Gaststätten der Stadt.

Im Hauptausschuss fragte wiederum Uwe Rühling (Die Andere) nach, wie zum Beispiel in Bürgerhäusern schärfere 2G- oder 3G-Regeln eingehalten werden sollen. Schubert gab zurück: Wer den damit verbundenen Überprüfungsaufwand nicht leiste, "der wird nicht offen bleiben können".

Wie ist die Lage in den Krankenhäusern?

Angespannt. Die Zahl der Patienten in den Potsdamer Krankenhäusern steigt noch nicht rasant. Am Donnerstag wurden 30 Menschen behandelt, vor einer Woche waren es 26 bis 29. Auch die Zahl der schweren Fälle auf den Intensivstationen schwankt seither zwischen sieben und neun.

Gleichwohl sieht man im St. Josefs-Krankenhaus die Lage mit Sorge. Zwölf Betten stehen dort derzeit für Corona-Kranke zur Verfügung, zwei davon für schwere Fälle - und neun Betten sind schon belegt. "Wir sind also schon nahe an der vorläufigen Versorgungsgrenze", sagte Sprecher Benjamin Stengl den PNN auf Anfrage. Und im Vergleich zu 2020 habe man schon jetzt ein erhöhtes Aufkommen an stationären Aufnahmen ohne Corona-Bezug - also in der Regelversorgung. "Die steht jetzt auf dem Spiel."

Angesichts der hochdynamischen Corona-Lage werde man die Kapazitäten planbarer Operationen zwangsweise reduzieren müssen. Dies wird im Klinikum "Ernst von Bergmann" wie berichtet schon seit Wochenanfang praktiziert, bis zu 20 Prozent der planbaren Behandlungen sind verschoben - nicht darunter fallen zum Beispiel Notfälle oder Krebs-OPs.

Aktuell werden dort für Corona-Patienten 31 Betten freigehalten, darunter zehn für schwere Fälle. Dabei sehe man weiterhin, dass vor allem ungeimpfte Patienten mit schweren Verläufen aufgenommen werden müssten, sagte Covid-Chefarzt Michael Oppert den PNN. Allerdings gebe es auch zunehmend geimpfte ältere Patienten mit teils schweren Covid-Erkrankungen, deren Immunisierung aber schon länger als sechs Monate her sei. Die Inzidenz unter den Senioren im Alter von über 60 Jahren war in Potsdam zuletzt auf Werte um die 180 gestiegen; konkret ging es laut RKI-Zahlen um mehr als 80 Infektionen innerhalb einer Woche in dieser Altersgruppe.

Ferner werde nächste Woche der Versorgungs Cluster Corona (VCC), also der für Notlagen in der Pandemie gegründete Zusammenschluss der Kliniken in West-Brandenburg, wieder seine Arbeit unter der Leitung des Klinikums aufnehmen, kündigte Bergmann-Sprecherin Damaris Hunsmann an. So soll die Zusammenarbeit koordiniert werden, etwa wenn Patiententransporte notwendig sind. Auch der Corona-Krisenstab im Haus selbst nimmt die Arbeit wieder auf.

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Einig sind sich beide Krankenhäuser, dass sie dringend erneut zusätzliche Bundeshilfen benötigen. Daher begrüße man, dass sich die Gesundheitsministerkonferenz jüngst für die Wiedereinführung von Ausgleichszahlen rückwirkend zum 1. November ausgesprochen habe - wenn die Details auch noch unklar seien, so die Bergmann-Sprecherin. Josefs-Sprecher Stengl sagte, nur mit Hilfen habe man eine Chance, wirtschaftlich überleben zu können: "Es ist schon fünf nach Zwölf."

Daniela Zuklic, die Chefin des Thalia-Kinos
Daniela Zuklic, die Chefin des Thalia-Kinos
© Andreas Klaer

Bekommt das Gesundheitsamt Hilfe?

Ja. Zur Pandemiebewältigung haben zehn Soldat:innen am Donnerstag im Gesundheitsamt ihren Dienst aufgenommen, teilte die Stadtverwaltung mit. Und: "Weitere Kräfte werden in der kommenden Woche erwartet." Im Hauptausschuss sagte wiederum Rathauschef Schubert, die zuletzt 25 Mitarbeiter, die in der Kontaktnachverfolgung des Gesundheitsamts eingesetzt waren, würden kurzfristig auch von weiteren Mitarbeitern der Verwaltung unterstützt - etwa aus den Leihbibliotheken der Stadt.

Allerdings sei die aktuelle Lage mit allein mehr als 1700 Kontaktpersonen an Kitas und Schulen kaum mehr zu beherrschen. Er prüfe daher den Verwaltungsaufwand zu verkleinern - ob die Behörde zum Beispiel mit Allgemeinverfügungen arbeiten kann, statt jeden Quarantäne-Fall einzeln zu kontaktieren, erklärte Schubert. "Wenn wir das dürfen, könnte das entlasten."

Öffnet die Stadt wieder Impfzentren?

Nicht in der Größe, wie es in der Metropolishalle in Babelsberg der Fall war. Rathauschef Schubert sagte aber im Hauptausschuss, kleinere Impfstationen könnten durchaus sinnvoll sein. Das prüfe man. Hier müsse man allerdings noch mit den Hausärzten, die etwa Drittimpfungen verabreichen sollen, einen gemeinsamen Weg finden.

Das scheint auch nötig: Denn bei den mobilen Impfangeboten der Stadt, wie am Donnerstag organisiert von dem Händler Siegfried Grube, kamen laut Anwesenden in den vergangenen Tagen stets hunderte Interessenten, musste etliche Impfwillige auch wieder unverrichteter Dinge nach Hause gehen. 55 Prozent der Impfwilligen vor Ort kämen aus Potsdam.

Allerdings verwies eine Rathaussprecherin auf Anfrage darauf, dass durch die Gesundheitsminister der Länder die Verantwortung für die Corona-Impfungen den niedergelassenen Ärzten übertragen worden sei. Daher seien die Impfaktionen der Stadt nur als Ergänzung gedacht - in benachbarten Landkreisen würden keine solche Aktionen stattfinden. So seien Impfärzte auch nicht mehr so einfach verfügbar wie im Sommer: "Viele sind in ihren niedergelassenen Praxisstrukturen wieder stark eingebunden." Schubert sagte auch, wenn das gewünscht sei, werde man auch mobile Impfangebote für Senioreneinrichtungen mitorganisieren.

Das Potsdamer Gesundheitsamt. Hier wird das Personal knapp.
Das Potsdamer Gesundheitsamt. Hier wird das Personal knapp.
© dpa

Wie ist die Lage in Kitas und Schulen?

Ernst. Hier waren die Zahlen seit den Herbstferien regelrecht explodiert, die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Fünf- bis 14-Jährigen liegt bei rund 760 Infektionen. An mehreren Grundschulen gilt nach Infektionen wieder eine vom Gesundheitsamt verhängte Maskenpflicht, die nun ab Montag (15.11.) auch wieder an allen märkischen Grundschulen angeordnet wird.

Corona ist nicht das einzige Problem: So bestätigte bereits am Mittwoch ein Sprecher der in Potsdam mit knapp einem Dutzend Kindereinrichtungen vertretenen Fröbel-Gruppe, dass sich die Personalsituation gerade zuspitze. Rund elf Prozent der Mitarbeitenden in Potsdam sei krankheitsbedingt nicht im Dienst, hieß es auf PNN-Anfrage. Man habe den Eindruck, dass auch die normale Erkältungswelle in diesem Jahr etwas stärker zuschlage als in der Vergangenheit. Dazu kämen die derzeitigen Corona-Quarantänen und Erkrankungen.

Zuletzt hatte wie berichtet bereits der Potsdamer Kita-Elternbeirat einen Forderungskatalog für einen sicheren Kita-Betrieb veröffentlicht – so müsse es etwa verpflichtende, regelmäßige Testungen auch der geimpften Mitarbeiter in Kitas und Schulen geben. Dazu sagte der Fröbel-Sprecher, auch viele der geimpften Mitarbeiter würden sich schon jetzt regelmäßig testen wollen. „Wir stellen ihnen die benötigen Schnelltests gerade auf eigene Kosten zur Verfügung.“ Auch wisse man, dass sich viele der Mitarbeiter bereits um Termine für Booster-Impfungen bemühten.

Ebenfalls einen "hohen Krankenstand" verzeichnet das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk für seine Potsdamer Kitas. Man blicke daher mit einer "gewissen Sorge" auf die nächsten Wochen, sagte eine EJF-Sprecherin den PNN auf Anfrage.

Welche Folgen hat die Krise für die Stadtpolitik?

Die Stadtpolitik wird für Sitzungen wieder vermehrt auf Videoschalten umstellen müssen. Das machte Schubert im Ausschuss deutlich. Allerdings liege die Entscheidung zur Frage Videoschalte oder Präsenzsitzung bei den einzelnen Fachausschüssen, dies das schon in den vergangenen Wellen sehr unterschiedlich handhabten. Schubert sagte auch, wegen der freien Mandatsausübung dürfe er nicht den Impf- oder Genesenenstatus der Stadtverordneten kontrollieren. Man sei also bei Präsenzsitzungen auch auf Vertrauen angewiesen.

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