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Das Bergmann-Klinikum
© Ottmar Winter

Mehr Lohn für Mitarbeiter: Potsdam gleicht Klinikum-Verluste aus

Das Bergmann-Klinikum schreibt Millionenverluste nach der Rückkehr zur Tarifstruktur des öffentlichen Diensts: Die Stadtpolitik billigt nun einen sogenannten Betrauungsakt.

Potsdam - Gegen eine finanzielle Schieflage des Klinikums „Ernst von Bergmann“ will eine große Mehrheit der Stadtverordneten notfalls tief in die kommunale Kasse greifen. Im Hauptausschuss stimmten einzig die Vertreter von AfD und FDP nicht für die Erarbeitung eines entsprechenden Betrauungsakts, der dem kommunalen Gesundheitskonzern in den nächsten Jahren das finanzielle Überleben sichern soll. Die abschließende Entscheidung dazu sollen die Stadtverordneten noch in großer Runde treffen.

Der kommunale Haushalt wird deutlich belastet

Es geht um Millionensummen für die Stadt. Denn zwar steht im Beschlusstext der Satz im Verlauf der zehn Jahre geltenden Regelung seien durch das Klinikum und dessen Töchter „alle Anstrengungen zu unternehmen, um das Defizit und mithin den nötigen Zuschussbedarf wirtschaftlich auszugleichen.“ Doch einfach wird das nicht, wie schon in der Beschlussbegründung deutlich wird.

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Wie berichtet hatten die Stadtverordneten nach der ersten Corona-Welle und vor dem Hintergrund eines tausendfach unterzeichneten Bürgerbegehrens die Rückkehr des Bergmann-Konzerns in die Tarifbindung des öffentlichen Dienstes (TVöD) beschlossen. Doch dadurch droht das Krankenhaus in eine finanzielle Schieflage zu geraten – zumal es laut der Vorlage erst im Februar einen Tarifabschluss mit der Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund über 3,1 Prozent mehr Lohn und weitere Regelungen gegeben habe, was eine „deutliche Kostensteigerung der Ruf- und Bereitschaftsdienste“ nach sich ziehe. 

Insgesamt gehe man mit der TVöD-Einführung von zusätzlichen Personalkosten in Höhe von 5,79 Millionen Euro für das vergangene Jahr 2020 und von 8,01 Millionen Euro in diesem Jahr aus. „Diese Steigerung wird sich aufgrund der tariflichen Entwicklungen in den Folgejahren weiter erhöhen“, heißt es. Die Einnahmen aus den Krankenhausleistungen seien für das Haus aber „nicht auskömmlich“. 

Insgesamt ergebe sich allein für 2020 ein Minus von 12,6 Millionen Euro für den Konzern – dieser Fehlbetrag kann nun durch die Landeshauptstadt Potsdam auf der Grundlage des Betrauungsaktes ganz oder teilweise gedeckt werden, heißt es in der Beschlussbegründung weiter. Auch Klinik-Chef Hans-Ulrich Schmidt sagte, allein werde man den TVöD nicht stemmen können – und verwies auch die zusätzlichen Belastungen der Coronakrise, in der man wegen der dritten Welle auch schon jetzt wieder Intensivkapazitäten hochfahren müsse.

Der SPD-Stadtverordnete Heuer sagt: Kein Automatismus

Die Debatte dazu verlief im Hauptausschuss nicht grundsätzlich kontrovers. Der Linken-Stadtverordnete Hans-Jürgen Scharfenberg merkte an, mit so einem Verlustausgleich sei Potsdam die einzige Kommune „im Osten“. Sozialdezernentin und Bergmann-Aufsichtsratsvorsitzende Brigitte Meier (SPD) sagte, „im Westen“ sei das in den größeren Städten ein durchaus übliches Verfahren. Pete Heuer von der SPD betonte, mit dem Beschluss gebe es keinen Automatismus, dass die Klinikführung nun zu den Stadtverordneten kommen könne „und wir bezahlen“. CDU-Fraktionschef Götz Friederich warnte wiederum davor, dass das besagte Wirtschaftlichkeitsgebot aus dem Beschluss dazu führen könne, dass das Klinikum auf Verschleiß gefahren werde. 

Ein Problem bei der Tarifrückkehr ist wie berichtet noch, dass die Kliniktöchter für Service und Catering teilweise nicht von der Stadt bezuschusst werden können – weil dies gegen EU-Recht verstößt. Hintergrund sind die nicht-medizinischen Aufgabenfelder dieser Tochterfirmen. Hierzu heißt es im Beschluss, das Rathaus müsse nun „Vorschläge für das weitere Vorgehen vorlegen“. Jedoch haben zuletzt immer wieder Stadtverordnete der rot-grün-roten Rathauskooperation und der Fraktion Die Andere betont, dass in allen Bergmann-Töchtern der TVöD gelten solle.

Das Bergmann-Klinikum.
Das Bergmann-Klinikum.
© Ottmar Winter

Streit um Umgang mit Berufserfahrung

Wie schwierig die Tarifrückkehr im Detail ist, zeigte auch ein im Ausschuss letztlich abgelehnter Antrag der Fraktion Die Andere. Diese wollten dafür sorgen, dass Berufserfahrungsstufen, die die Beschäftigten im städtischen Klinikum erworben hätten, bei Überführung der Arbeitsverträge in den TVöD auch berücksichtigt werden. Denn weil das nicht geschehe, hätten gerade ältere Mitarbeiter finanziell kaum etwas von dem TVöD, machte eine Angestellte deutlich: „Aus einem billigen Tarifvertrag wurde ein preiswerter TVöD gemacht.“ 

Doch zur Anerkennung der Berufserfahrung sei rechtlich ein sogenannter Überleitungstarifvertrag nötig gewesen, sagte Aufsichtsratschefin Meier. Das sei aber eben nicht möglich gewesen, weil die Stadtverordneten in den TVöD-Beschluss die Formulierung „sofortige Rückkehr“ verwendet hätten, machte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) deutlich. SPD-Fraktionschefin Sarah Zalfen warnte davor, die Stadtpolitik werde mit solchen Debatten in die Rolle eines Tarifpartners gedrängt. 

Zugleich räumten sie und auch Klinikchef Schmidt ein, manche Erwartung sei enttäuscht worden – allerdings würden die Vorteile für die Beschäftigten überwiegen. SPD-Mann Heuer empfahl im Streitfall den Gang vor das Arbeitsgericht. Schmidt sagte, für Konflikte bei der Überleitung habe man auch eine eigene Schiedskommission. 

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