Kein Geld mehr aus Rettungsschirm des Bundes: Potsdams Krankenhäuser in Not
Die Corona-Lage ist weiter angespannt, eine dritte Welle droht - und die Kliniken geraten in akute Finanzschwierigkeiten. Für das Bergmann-Klinikum sind jedoch langfristige Hilfen aus der Stadtkasse in Aussicht.
Potsdam - Die anhaltend niedrige Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Infektionen in Potsdam sorgt für Probleme bei den finanziell ohnehin angeschlagenen Krankenhäusern der Stadt. Sowohl das kommunale Klinikum „Ernst von Bergmann“ als auch das katholische St. Josefs-Krankenhaus bekommen seit dem 18. Februar deshalb keine Hilfen mehr aus dem staatlichen Rettungsschirm für Krankenhäuser. Das hat Folgen, gerade mit Blick auf eine mögliche dritte Corona-Welle mit mutierten Viren. Die PNN geben einen Überblick.
Wie ist die wirtschaftliche Lage des Bergmann-Klinikums?
Dass es jetzt keine Zahlungen mehr aus dem Rettungsschirm erhält, verschärfe die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage des Klinikums deutlich, teilte das Bergmann-Klinikum auf PNN-Anfrage am Mittwoch mit. Der zweite Rettungsschirm, der seit 18. November lief, habe dem Krankenhaus „vor allem bei der Liquidität geholfen“. Dies wird nun problematisch. Angesichts der andauernden Pandemie müsse die Bundespolitik nachsteuern, fordert das Klinikum.
Eine Verlängerung des Rettungsschirms reiche nicht aus – es müssten Korrekturen erfolgen: Die Zahlungen dürften sich nicht mehr ausschließlich an der Inzidenz festmachen, denn es habe sich „über die gesamte Pandemie gezeigt, dass die Krankenhausaufenthalte deutlich nachlaufen, auch wenn die Inzidenzen der jeweiligen Region schon längst wieder gesunken sind“.
Eine Änderung will das Klinikum auch bei der Regelung, dass nur die Potsdamer Inzidenz für die Zahlungen ausschlaggebend ist, obwohl das Einzugsgebiet des Bergmann als Schwerpunktversorger viel größer sei. Zudem blieben die Kosten für persönliche Schutzausrüstungen und die Schutz-, Hygiene- und Sicherheitskonzepte bestehen. Auch könnten weitere Pandemie-Kosten auf die Krankenhäuser zukommen, dies sei noch nicht absehbar. Klar sei bereits: 2020 werde das kommunale Haus mit einem Defizit abschließen.
Wie ist die Lage in den Christlichen Kliniken in Potsdam?
Finanziell düster. Von „Millionenverlusten ohne direkten Ausgleich oder Perspektive darauf“ sprach Oliver Pommerenke, Geschäftsführer der Christlichen Kliniken, zu denen das St. Josefs, das Evangelische Zentrum für Altersmedizin (EZA) und die Oberlinklinik gehören. So seien EZA und Oberlinklinik in der zweiten Welle zwar vom Land und dessen Gesundheitsministerium zur Corona-Versorgung verpflichtet worden – allerdings ohne finanziellen Rettungsschirm, denn nach den Bundesregelungen seien sie dafür nicht qualifiziert. Zuvor wirtschaftlich gesunde Krankenhäuser seien nun in Bedrängnis, sagte Pommerenke: „Und es entsteht der Eindruck, dass durch aggressives Zuwarten des Bundesministeriums eine kalte Krankenhaus-Bereinigung forciert wird.“
Bei der Entscheidung des Landes-Gesundheitsministerium, auch Fachkliniken in die Corona-Versorgung einzubeziehen, seien Versorgungsmöglichkeiten und bauliche Strukturen ignoriert worden, kritisiert Pommerenke: „In einer reinen Fachgeriatrie zeitgleich eine Covid-Versorgung durchzuführen, ist russischem Roulette gleichzusetzen.“
So habe es in den ersten beiden Januarwochen auch diverse Infektionen auf einer Station im EZA gegeben – 25 infizierte Patienten mussten schnell in die Covid-Station des St. Josefs-Krankenhauses verlegt werden, zwei davon seien im Verlauf gestorben. Auch 18 Mitarbeitende wurden damals laut Pommerenke positiv getestet. Der Ursprung des Ausbruchs sei diffus, trotz Linelists und Kontaktverfolgung „nicht mehr eindeutig feststellbar“.
Seit vergangenem Donnerstag nun sei auch das von den katholischen Alexianern getragene St. Josefs nicht mehr vom finanziellen Rettungsschirm des Bundes gedeckt.
Seit Montag würden alle Potsdamer Häuser der Christlichen Kliniken schrittweise zur Regelversorgung zurückkehren. Ab kommender Woche könnten dann auch aufgeschobene Operationen nachgeholt werden. Ohne solche normalen Belegungsmöglichkeiten, warnte Pommerenke, sei ein finanzielles Fiasko zu erwarten, „mit nicht absehbaren Folgen für die regionale Gesundheitsversorgung“. Im Klartext: Die Lage könnte sogar dazu führen, dass gerade kleinere Krankenhäuser in so ernste Schwierigkeiten geraten, dass sie aufgeben müssen.
Was bedeuten die wirtschaftlichen Probleme im Bergmann-Klinikum für den Stadthaushalt?
Potsdam muss künftig für sein Klinikum tief in die Tasche greifen – denn parallel zur Pandemie mit ihren wirtschaftlichen Folgen hat die Stadtpolitik bekanntlich die Rückkehr des Klinikums zum Tarif des öffentlichen Dienstes (TVöD) beschlossen. 13,7 Millionen Euro Tarif-Mehrkosten könnte die Stadt jährlich aus der Stadtkasse übernehmen müssen. Potsdam will dies über einen so genannten Betrauungsakt regeln. Dies erklärte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) am Mittwochabend im Hauptausschuss.
Die Zuschüsse in Millionenhöhe sollen jeweils fest im Stadthaushalt verankert werden. Dafür wird das Klinikum von der Stadt mit der medizinischen Versorgung in der Landeshauptstadt betraut. Schubert sagte, die Summe der Zuschüsse könne jedes Jahr unterschiedlich ausfallen, es solle lediglich eine Obergrenze festgelegt und dann eine genau Abrechnung vorgenommen werden. Nächste Woche will Schubert den Stadtverordneten einen Entwurf für den Betrauungsakt vorlegen, im Mai solle er beschlossen werden.
Vorteil für das Klinikum beim Betrauungsakt: Es entfallen jährliche Debatten mit Kämmerer Burkhard Exner (SPD) und der Stadtpolitik über die Zuschusshöhe; zudem muss das Bergmann nicht in Vorleistungen gehen, was weitere Liquiditätsprobleme schaffen könnte. Spannend wird, über wie viele Jahre sich Potsdam mit welcher Summe an das kommunale Klinikum bindet – und welche Auswirkungen dies auf andere Vorhaben hat, die aus dem Haushalt finanziert werden müssen. Rechtlich betrachtet darf der Betrauungsakt bis zu 15 Millionen Euro umfassen - jährlich. Und das für insgesamt zehn Jahre.