Kompromisse gesucht: Potsdam droht Platz auf Roter Liste der Unesco
Der Streit zwischen der Denkmalbehörde und der Stadt Potsdam um die geplante Bebauung am Babelsberger Park beschäftigt nun die Unesco-Kommission in Paris.
Babelsberg - Für Potsdam ist die Gefahr eines Eintrags auf der Liste der gefährdeten Welterbestätten erneut gestiegen. Weil im Streit zwischen der Stadt Potsdam und den übergeordneten Denkmalbehörden um die Dimensionen eines Wohnungsbauprojektes am Babelsberger Park nach wie vor keine Einigung erzielt wurde, hat Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (SPD) den Fall an die Unesco-Kommission an Paris gemeldet. Das bestätigte Ministeriumssprecher Stephan Breiding auf PNN-Anfrage.
Damit ist in dem seit fünf Jahren schwelenden Konflikt eine neue Eskalationsstufe erreicht. Sollte Potsdam bei seiner Planung bleiben und die Baumassen nicht reduzieren, müsse die Pariser Kommission über das weitere Vorgehen entscheiden, sagte Michael Kummer, Mitglied des Internationalen Rates für Denkmalpflege (Icomos) den PNN. Das Gremium berät die Unesco in Welterbefragen. Die Unesco-Kommission werde dann einen „externen nicht-deutschen Gutachter“ mit einer Prüfung beauftragen, erklärte Kummer. Im schlimmsten Fall droht Potsdam danach ein Eintrag auf der Roten Liste. Man hoffe aber nach wie vor auf eine einvernehmliche Lösung, sagte Kummer. Auch Breiding und die Stadt bekräftigten auf Anfrage, man befinde sich weiterhin in Gesprächen und suche nach einem Kompromiss.
In der Pufferzone
Gestritten wird wie berichtet über die Ausdehnungen eines Wohnungskomplexes, den der Berliner Investor BMP Immobilienentwicklung zwischen Humboldtring und Havelufer parallel zur Nuthestraße errichten will. Das rund 30.000 Quadratmeter große Areal liegt in der engeren Pufferzone um das Welterbe, in der besonders strenge Bauvorschriften gelten. Geplant sind dort rund 270 Wohnungen, der in Arbeit befindliche Bebauungsplan mit der Nummer 145 weist dafür drei Baufelder aus. Der Konflikt dreht sich um das westlichste dieser drei, WA1 genannt (siehe Grafik), auf dem rund 80 Wohnungen entstehen sollen. Es liegt in einem Grüngürtel und ist auch im derzeit gültigen Flächennutzungsplan als Grünfläche ausgewiesen.
Icomos, die Schlösserstiftung und Brandenburgs Landesdenkmalamt können, nachdem der Investor bei den anderen beiden Baufeldern etwas abgespeckt hat, mit deren Dimensionen leben, fordern aber, dass dafür WA1 komplett unbebaut bleibt. Das wiederum lehnt die Stadt bislang ab, unter anderem mit Verweis auf den in der Stadt herrschenden Wohnungsmangel. Die Denkmalexperten hingegen sehen in einer Bebauung dieser Teilfläche eine irreparable Schädigung der Welterbestätte.
„Letzte freie Landschaftsbrücke"
Bereits vor knapp einem Jahr hatte deswegen der Vizepräsident des Deutschen Nationalkomitees von Icomos, Christoph Machat, einen geharnischten Brief an die Potsdamer Bauverwaltung geschrieben. Das fragliche Gebiet sei die „letzte freie Landschaftsbrücke zwischen dem Park Babelsberg, der Havel und der Potsdamer Stadtmitte“, das sogenannte Potsdamer Fenster, schreibt Machat. Diese landschaftliche Verbindung sei für die Qualität des Parks Babelsberg von großer Bedeutung, „ihre Störung gefährdet den außerordentlichen universellen Wert der Welterbestätte ,Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin’“. In seinem Schreiben sprach Machat der Baubehörde das Verständnis für die Belange einer Welterbestätte ab: „Jegliche lokale Handlung“ in Bezug auf dieses Erbe müsse sich „besonderen und erhöhten Maßstäben der Beurteilung stellen“. Die Stadt hingegen erwecke den Eindruck, es handele sich um ein „gewöhnliches denkmalpflegerisches und stadtplanerisches Thema“. Dass diese „letzte freie Landschaftsbrücke“ durch die geplante Bebauung des westlichen Baufeldes tatsächlich geschlossen würde, zeigen auch die Höhensimulationen über diesem Artikel, die ein Vertreter des Landesdenkmalamtes am Donnerstagabend in der Sitzung des Potsdamer Stadtforums vorstellte.
Kompromiss wird gesucht
Der damalige Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatte als Reaktion auf Machats Brief im vergangenen Jahr zwar von einer „unangemessenen Drohung“ gesprochen, im gleichen Atemzug aber auch weitere Zugeständnisse in Aussicht gestellt. Seit damals ist man aber offenbar keinen Schritt weitergekommen, sodass Münch als zuständige Ministerin die Causa nun verfahrensgemäß nach Paris melden musste.
Derweil ringen die Beteiligten weiter um einen Kompromiss. Finanzielle Folgen hätte eine Streichung des westlichen Baufeldes nicht: Es gebe keinerlei Schadensersatzpflicht gegenüber dem Investor, sagte eine Rathaussprecherin auf Nachfrage. Man sei in Gesprächen, allerdings sei bislang „noch kein einigungsfähiger Kompromissvorschlag“ entwickelt worden, erklärte sie.
Ob ein solcher gelingt, ist fraglich. Für den Investor ist das an der Havel gelegene Baufeld das lukrativste. Dass er darauf verzichtet, ist schwer vorstellbar. Für die Denkmalpfleger ist aber die komplette Streichung des Baufeldes der letzte mögliche Kompromiss. Er erkenne den Willen der Stadt, eine Lösung zu suchen, sagte Kummer. Auf der anderen Seite scheine man im Rathaus aus dem Glienicker Horn aber nichts gelernt zu haben. Dessen Bebauung hatte Potsdam, ebenso wie das Potsdam-Center Ende der 90er-Jahre, beinahe auf die Rote Liste der Unesco gebracht. Drei solcher Fälle seien für eine deutsche Welterbestätte sehr ungewöhnlich, betonte Kummer. „Potsdam ist da sehr konfliktbeladen.“
Peer Straube
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