UNESCO-Welterbe in Potsdam: Jakobs: „Diese Drohung ist unangemessen“
Potsdams Welterbestatus ist in Gefahr. Oberbürgermeister Jann Jakobs reagiert verschnupft auf die Kritik - schließt jedoch Zugeständnisse am Humboldtring nicht aus.
Potsdam/Babelsberg - Pikiert und verschnupft, aber nach der harschen Kritik des Internationalen Rates für Denkmalpflege (Icomos) offenbar zu Zugeständnissen bereit: Angesichts des drohenden Verlustes des Welterbetitels für die Stadt Potsdam wegen geplanter Wohnbauten am Babelsberger Park setzt Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) auf weitere Verhandlungen. „Wir werden das nicht leichtfertig von der Hand weisen, was da an Bedenken geäußert wird“, sagte er den PNN auf Anfrage. Das Verfahren für die Bebauungsplanung für die strittige Fläche am Humboldtring sei noch nicht beendet.
Zugleich nannte Jakobs die Drohung von Icomos, Potsdam könne wegen des Projekts auf die Rote Liste gefährdeter Unesco-Welterbestätten gesetzt werden, eine Überreaktion: „Ich halte diese Drohung für unangemessen.“ Icomos berät die Unesco, die Potsdams Park- und Schlösserlandschaft 1990 zum Welterbe erhoben hatte.
80 Wohnungen bedrohen Welterbe-Titel
Über einen Brandbrief des Vize-Chefs von Icomos Deutschland, Christoph Machat, hatten die PNN am Samstag exklusiv berichtet. Dieser hatte der Potsdamer Baubehörde – im Einklang mit der Schlösserstiftung – unter anderem vorgeworfen, dass bei dem Bauprojekt keine Abwägung zwischen wohnungswirtschaftlichen und denkmalpflegerischen Belangen stattgefunden habe. Konkret geht es um eine Fläche an der Nuthestraße, wo ein Berliner Investor rund 270 Wohnungen plant – in der Pufferzone zum Welterbe, wo die Bauvorschriften strenger sind. Die Welterbehüter und auch das Landesdenkmalamt fordern, dass auf einen Teil der Bebauung und konkret 80 Wohnungen verzichtet wird, weil sonst die letzte Sichtachse vom Babelsberger Park in die Innenstadt zerstört würde. Dass die Stadt einen Verzicht bisher ablehnt und dafür den Verlust des prestigeträchtigen Welterbetitels in Kauf nehme, sei vollkommen unverhältnismäßig, hatte auch die auf Baurecht spezialisierte Anwaltskanzlei Dombert in einer Stellungnahme für die Schlösserstiftung argumentiert.
Jakobs sagte hingegen, die Stadt habe ordentlich abgewogen und sich mit Bedenken auseinandergesetzt. Gleichwohl sei der Meinungsbildungsprozess „in dieser zugespitzten Situation“ noch nicht abgeschlossen. Im September sei ein weiteres Gespräch mit Icomos geplant. Vorher werde es keine Entscheidung geben – eine Vorlage für die Stadtverordneten über die Pläne sei erst Ende des Jahres zu erwarten, sagte Jakobs.
2009 wurde Dresden der Welterbetitel nach dem Bau einer Elbbrücke entzogen
Unterschiedliche Reaktionen kamen aus der Stadtpolitik, in der auch schon seit Jahren über das Projekt gestritten wird – SPD, CDU/ANW und große Teile der Linken hatten dafür, die Grünen und Die Andere dagegen votiert. Die SPD blieb am Wochenende bei ihrer Linie. SPD-Fraktionschef Pete Heuer bezeichnete die Kritik gegenüber den PNN als „nicht neu und nicht richtig“ – „alter Wein in neuem Schlauch“. Fakt sei, dass keine Sichtbeziehungen gestört würden, da die geplanten Bauten hinter einem Waldsaum „nicht zu sehen sein werden, was aufwendige Simulationen bestätigt haben“. Daher brauche die Stadt laut Heuer eine Überprüfung durch die Welterbe-Hüter nicht zu fürchten – befasst wäre letztlich die Unesco-Kommission in Paris, die 2009 zum Beispiel schon der sächsischen Landeshauptstadt Dresden den Welterbetitel wegen eines Brückenbaus entzogen hatte. Das hatte aber nach Angaben der Kommune keine Auswirkungen auf Tourismus und Wirtschaft. Jakobs wiederum sagte, die Drohgebärde mit der roten Liste könne sich auch verschleißen. Zudem habe sich die Unesco mit dem Entzug des Titels für Dresden auch selbst keinen Gefallen getan, fügte er hinzu.
Der Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg verwies wiederum darauf, dass im Zuge der Planungen bereits die Bebauung reduziert worden sei. Daher seien Bedenken sehr wohl berücksichtigt worden. Zwar müsse man die Äußerungen von Icomos sehr ernst nehmen, „aber es gibt eben auch einen städtischen Entwicklungsbedarf, den man damit in Übereinstimmung bringen muss“. Daher dürfe man nun auch nicht vorbehaltlos sagen, „da wird nicht gebaut“. Denn die Frage sei, ob sich das Wohnungsbauprojekt bei einer weiteren Reduzierung überhaupt noch rechne. So soll unter anderem ein Anteil Sozialwohnungen entstehen, die dann in Gefahr wären, hatte die Bauverwaltung in der Vergangenheit argumentiert.
Grünen-Fraktionschef Peter Schüler: Rote Liste des bedrohten Welterbes für Potsdam eine „unfassbare Blamage“
Zurückhaltend äußerte sich CDU/ANW-Chef Matthias Finken. Die Pläne würden ohnehin noch öffentlich ausgelegt, dann könnten auch Bürger ihre Änderungswünsche vorbringen. Die Fraktion werde auch die Argumente von Icomos sorgsam abwägen, sagte Finken.
Hingegen sieht sich Grünen-Fraktionschef Peter Schüler in seiner schon lange währenden Kritik an dem Bauvorhaben bestätigt. „Die Bedeutung für das Weltkulturerbe ist unzureichend berücksichtigt worden.“ Das Vorhaben müsse verkleinert werden – zumal laut Plan extra noch ein im Flächennutzungsplan als Grünfläche geschütztes Areal zu Bauland umgewandelt werden solle, das aber einen wichtigen öffentlichen Uferbereich bilde. Wohnungen könne man auch anderswo bauen, machte Schüler deutlich: „Die Stadt weist an vielen Orten Wohnbauflächen aus, so dass die Priorität hier anders gesetzt werden sollte.“ Der Unesco-Status sei eben nicht nur eine Auszeichnung, sondern eben mit der Verantwortung verbunden, dieses einmalige Welterbe nicht nur für die Potsdamer zu erhalten. Sollte Potsdam auf die Rote Liste des bedrohten Welterbes kommen, wäre dies eine „unfassbare Blamage“, so Schüler weiter. Der im September scheidende Oberbürgermeister Jakobs hingegen unkte, als es um die Frage ging, ob er einen Verlust des Welterbetitels fürchte: „Solange ich OB bin, werden wir diesen Status jedenfalls behalten.“
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Kommentar: Im Potsdamer Stadtgebiet sehen Experten noch Platz für mehr als 15 000 Wohnungen. Potsdams Welterbe-Titel für den Bau von 80 Wohnungen aufs Spiel zu setzen, ist deshalb keine gute Idee, kommentiert PNN-Redakteur Henri Kramer.
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