Auch die aktuellen Beiträge sind rechtswidrig: Muss die Stadt Potsdam noch weitere Kita-Gebühren zurückzahlen?
Die Stadt zahlt derzeit die bis Mitte 2018 zu hoch angesetzten Kita-Beiträge an Potsdamer Eltern zurück. Doch auch die aktuellen Gebühren sind rechtswidrig. Die will das Rathaus aber nicht erstatten.
Potsdam - Gerade hat die Potsdamer Stadtverwaltung mit der Rückzahlung der bis Mitte 2018 zu hoch angesetzten Kitagebühren an tausende Familien begonnen – doch nun gibt es neuen Streit zwischen Rathaus und Elternvertretern, die weitere Ansprüche anmelden. Anlass ist die Feststellung des Bildungsministeriums, wonach auch die aktuelle Höhe der Gebühren rechtswidrig ist. Der Grund nach Ansicht des Ministeriums: Die Stadt hat bei der Beitragsberechnung beim Punkt Betriebskosten Durchschnittswerte der mehr als 120 Kitas der Stadt verwendet. Deshalb wird gerade ein neues Regelwerk für die Kitagebühren erarbeitet – doch eine freiwillige Rückzahlung wie bei den Elternbeiträgen bis Mitte 2018 schließt die Stadt dieses Mal aus.
Kita-Elternbeirat empfiehlt zu klagen
Das bringt den Kita-Elternbeirat auf die Palme. „Wer das reguliert haben will, muss klagen“, empfahl der Beirat jetzt im sozialen Netzwerk Facebook. Die Elternvertreterin Wiebke Kahl, die maßgeblich die bis 2018 zu hoch angesetzten Kitagebühren mit aufgedeckt hatte, sprach dort von einem „Riesenskandal“. Doch die Stadt weist die Vorwürfe zurück. Rathaussprecherin Christine Homann teilte jetzt auf PNN-Anfrage mit: „Eine rechtliche Grundlage ist derzeit nicht gegeben, die eine Rückzahlung an Eltern haushaltsrechtlich rechtfertigen würde.“
Rückblick: Das Landesbildungsministerium hatte sich wie berichtet bereits im Dezember 2018 in einem Gespräch mit Jugendamtsmitarbeitern festgelegt und erklärt, dass auch die seit Mitte 2018 gesenkten Kitagebühren auf einer ungesetzmäßigen Kalkulation beruhen – wegen der besagten Durchschnittswerte bei den Betriebskosten. Natürlich sind manche Kitas im Betrieb teurer als andere, sei es wegen des Sanierungszustands, abzustotternder Kosten für eine Modernisierung oder des pädagogischen Konzepts, wenn beispielsweise eine kostenintensive Sauna für die Kinder betrieben wird. Nach Angaben des Ministerium muss künftig bei den Kosten mindestens je nach Träger kalkuliert werden, was unterschiedliche Beiträge in verschiedenen Kitas bedeuten würde und von der Stadtspitze daher abgelehnt wird. Eine andere Möglichkeit wäre, bei der Kalkulation von den niedrigsten Betriebskosten auszugehen – entsprechend würden die Gebühren vermutlich sinken und die Stadt müsste den Restbetrag ausgleichen.
Rathaus prüft mehrere Möglichkeiten
Rathaussprecherin Homann sagte, man prüfe derzeit mehrere Wege, wie mit der Situation umgegangen wird: Man erstelle dazu verschiedene Varianten samt ihrer finanziellen Auswirkungen. Im August – nach Beginn des neuen Kitajahres – werde man den Stadtverordneten einen Vorschlag machen. Obendrein muss die Stadt bei den neuen Beiträgen die Änderungen berücksichtigen, die sich aus dem „Gute-Kita-Gesetz“ der Bundesregierung ergeben (PNN berichteten). Damit sollen mehr einkommensschwache Eltern als bisher gänzlich von Gebühren befreit werden.
Dass das Bildungsministerium die nun bemängelte bisherige Praxis der Gebührenkalkulation jahrelang nicht moniert hatte, hatte die Stadtspitze bereits heftig kritisiert. Dieser Aspekt findet sich auch in der jetzigen Argumentation, warum es dieses Mal keine Rückzahlung geben soll: So habe das Ministerium der Stadt und auch den anderen kreisfreien Kommunen „auf wiederholte Nachfrage“ im April eine rechtliche Einschätzung übermittelt und erklärt, diese Ausführungen müssten „bei der weiteren Gestaltung der Elternbeitragsregelungen der Stadt Potsdam“ beachtet werden, so Stadtsprecherin Homann. Daher plane man nicht, für die Zeit seit Mitte 2018 rückwirkende Änderungen vorzunehmen. Dagegen steht eine Aussage eines Vertreters des Ministeriums in besagtem Gesprächsprotokoll aus dem Dezember 2018, wonach der Verstoß gegen das Kitagesetz auch „rückwirkend geheilt/ behoben“ werden müsse.
Stadt lässt es auf Eltern-Klagen ankommen
Die Stadt bleibt dennoch hart. Eine Rückzahlung könne, wenn überhaupt, auch nicht singulär durch die Stadt erfolgen, „sondern müsste Folge einer formalen Anweisung seitens des Landes an alle Kommunen im Land Brandenburg sein, da das deutliche Gros aller Städte bereits seit Jahrzehnten mit Durchschnittwerten über alle Kindertageeinrichtungen hinweg kalkuliert“, so die Stadtsprecherin. Kurz gesagt: Das Land müsste alle Kommunen zur Rückzahlung verpflichten, so die Auffassung der Stadt.
Damit lässt man es auf Klagen von Eltern ankommen - anders als bei der jetzt in die Wege geleiteten freiwilligen Rückzahlung, bei der die Sorge vor einer Klagewelle eines der Hauptargumente für diese Lösung war. Allerdings haben die Kommunen gerade Rückwind: So hat jüngst das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in einem wegweisenden Urteil viele Elternforderungen für unbegründet erklärt, teilweise im Gegensatz zu Vorinstanzen. Ferner kostet die aktuelle Rückzahlung die Stadt bis zu 45 Millionen Euro, was das Finanzpolster der Kommune empfindlich trifft – allerdings hatte man auch jahrelang von den zu hoch angesetzten Gebühren profitiert.
Auch bei der begonnenen Rückzahlung liegen Stadt und Elternbeirat über Kreuz – weil der Beirat den Eltern zuletzt empfohlen hatte, mit der Antragstellung erst einmal zu warten. „Von Seiten der Stadt sind wir dafür kritisiert worden, den ganzen Prozess nun nicht mehr mitzutragen“, teilte der Beirat dazu mit. Doch die Abtretungserklärung, mit der Eltern auf weitere Ansprüche in Sachen Beitragsrückzahlung verzichten müssen, sei misslich formuliert. Mit der jetzigen Fassung würden Anstragsteller auf alle möglichen Ansprüche verzichten, kritisierte der Beirat. Den Umgang mit dieser Kritik ließ das Rathaus zunächst offen.
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