Finanzreform in Brandenburg: Millionenlöcher für Potsdam und andere Kommunen
Der Haushalt der Stadt Potsdam droht in eine noch größere Schieflage zu geraten, als dies angesichts der Coronakrise absehbar war. Die Stadtspitze sieht die Verantwortung beim Land Brandenburg.
Potsdam - Neben den schweren finanziellen Auswirkungen der Coronakrise müssen Potsdam und andere Städte im Land Brandenburg nun dauerhaft noch mit weiteren Einbußen fertig werden. Denn wegen Änderungen beim Finanzausgleich innerhalb des Landes Brandenburg fürchtet die Stadt Potsdam allein für die Jahre 2022 bis 2024 ein Gesamtminus von mehr als 22 Millionen Euro.
Das rechneten Oberbürgermeister Mike Schubert und sein Finanzdezernent Burkhard Exner (beide SPD) den Stadtverordneten am Mittwochabend im Hauptausschuss vor - und verbanden das mit Kritik am Agieren des Landes, das das Vorgehen verteidigt.
Exner: "Ein Schlag ins Kontor"
Hintergrund ist ein so genannter Vorwegabzug, den das Land ab nächstem Jahr bei den Kommunalfinanzen vornehmen wolle. Diese Entscheidung des Landesfinanzministeriums sei ein „weiterer Treiber“ für die kommunalen Finanzdefizite, monierte Exner. „Bei uns kommt dann entschieden weniger an.“ Das konterkariere auch die kommunalen Corona-Rettungsschirme und sei ein „Schlag ins Kontor“. Betroffen seien auch andere größere Städte in Brandenburg, hieß es.
Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) präsentierte am Donnerstag den Auslöser für Schuberts Ärger - ihre Behörde meldete einen "Durchbruch" bei den Verhandlungen zum kommunalen Finanzausgleich. Das Ziel der vereinbarten Maßnahmen sei „die Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Kommunen unter gleichzeitiger Beachtung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes“, hieß es auch mit Blick auf die finanziellen Belastungen der Coronakrise.
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Demnach bestätigte das Ministerium auch, dass mit Hilfe des besagten Vorwegabzugs die Kommunen im nächsten Jahr 60 Millionen Euro weniger erhalten sollen, 2023 und 2024 gehe es um 95 Millionen Euro. In einer gemeinsamen Erklärung von Lange mit dem brandenburgischen Innenministerium, dem Städte- und Gemeindebund sowie dem Landkreistag hieß es aber auch, es gebe noch offene Punkte - etwa beim horizontalen Finanzausgleich. Wie strittig dies alles ist, zeigt auch ein Zitat von Oliver Hermann, Präsident des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg: "In vielen Städten, Gemeinden und Ämtern wird der zur Flankierung vereinbarte Vorwegabzug mit schmerzhaften für die Bürgerinnen und Bürger spürbaren Einschnitten verbunden sein."
Schon 2022: 5,4 Millionen Euro weniger
Das fürchtet auch Potsdam. Konkret geht es in der Landeshauptstadt laut Exner zunächst um 5,4 Millionen Euro weniger im Jahr 2022, in den Folgejahren jeweils um 8,5 Millionen Euro. Damit werde man im Jahr 2022 wohl ein Minus von 42 Millionen Euro einfahren, prognostizierte Exner. Auch die Hoffnung, dass man in den Folgejahren weniger hohe neue Schulden würde machen müssen, wäre so dahin.
Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) sagte, dies überfordere selbst die finanziellen Möglichkeiten der Landeshauptstadt - die eigentlich Investitionen für ihr Wachstum vornehmen müsse. Bisher hatte die Stadtspitze eigentlich den Kurs ausgegeben, dass man die Coronakrise ohne größere Streichungen durchstehen könnte, indem etwa das Investitionstempo gedrosselt werde. Diese Strategie sei aber angesichts der neuen Millionen-Löcher endlich, sagte Schubert.
Lange wiederum betonte in der Mitteilung, das Finanzausgleichsgesetz müsse in einem regelmäßigen Turnus überprüft werden. Dafür habe ein finanzwissenschaftliches Gutachten der Universität Leipzig die entsprechenden Geldbeziehungen zwischen Land und Kommunen in den Jahren 2016 bis 2019 untersucht und Handlungsempfehlungen für die Zukunft ausgesprochen.
Exner hält Gutachten für fehlerhaft
Doch die Grundlagen dieser Studie hatte die Stadt Potsdam bereits Anfang der Woche infrage gestellt. So hatte Exner in einer Mitteilung dem Land vorgeworfen, beim Schuldenstand von Kommunen wie Potsdam würde das Ministerium einem „schwerwiegendem systemischen Denkfehler“ aufsitzen. So werde der Schuldenstand von zum Beispiel Eigenbetrieben wie dem Kommunalen Immobilienservice, der für Potsdam unter anderem alle Schulen baut, nicht für die Analyse der Finanzen betrachtet. Das habe sich laut dem Kämmerer erst wieder bei dem besagten Gutachten gezeigt, dass sogar noch größere Einschnitte vorgeschlagen habe.
Exner weiter: „Wir dürfen nicht zulassen, dass das Land vor allem die Städte schwächt, die als Mittel- und Oberzentren eine Vielzahl von kommunalen Leistungen nicht nur für ihre Bürgerinnen und Bürger, sondern für die Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinden auch in ihrem Umfeld erbringen.“ Unter anderem verwies er auf kommunale Krankenhäuser. Zudem arbeite das Gutachten laut Exner mit Zahlen aus den Jahren 2016 bis 2019 - also vor der Pandemie. Die dadurch entstandene Notlage müsse berücksichtigt werden.
Auch die schon in Eigenbetrieben angehäuften Schulden von Kommunen wie Potsdam seien in dem Gutachten nicht berücksichtigt - so könne das Land sogar feststellen, dass die kommunale Verschuldung angeblich sinke. „Damit führt man die Öffentlichkeit in die Irre“, so Exner. So werde die Pro-Kopf-Verschuldung in Potsdam von 1354 Euro Ende 2016 auf 2744 Euro im Jahr 2025 wachsen, gerade wegen Schulbauten.
Potsdam-Mittelmark hält Kompromiss für tragfähig
Unklar scheint, wie gerade auch kleinere Gemeinden mit den Änderungen leben können. Gleichwohl erklärte der Vorsitzende des Landkreistages Brandenburg, der Landrat von Potsdam-Mittelmark Wolfgang Blasig (SPD): "Nach langwierigen und intensiven Verhandlungen ist es gelungen, die beiderseitigen Interessen auszutarieren und einen tragfähigen Kompromiss zu erreichen. Die Finanzministerin hat gezeigt, dass sie die Kommunen auch in der insgesamt schwierigen Lage nicht im Regen stehen lässt." Hingegen erklärte Kritiker Hermann vom Städtebund, die Kommunen stünden wegen der Coronakrise ohnehin bereits vor massiven finanziellen Einbußen in den Jahren 2023 und 2024.
Auch im Potsdamer Hauptausschuss sorgte die Nachricht für Kopfschütteln. Der Potsdamer CDU-Fraktionschef Götz Friederich fragte bereits, ob nun manche Haushaltsposten gestrichen werden müssten. Eine Antwort darauf gab es am Mittwochabend noch nicht. Potsdam will unter anderem mit Millionenbeträgen dafür sorgen, dass am kommunalen Klinikum "Ernst von Bergmann" wieder Tariflohn gezahlt wird.
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