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Wilma Schmidt (r.), Hobbynäherin aus Geltow, überreichte am Donnerstag 25 Masken an das Bergmann-Klinikum.
© Sebastian Rost

Bergmann-Klinikum ruft zum Nähen auf: Maske Marke Eigenbau

Die Stadt Potsdam und das Bergmann-Klinikum rufen zum Maskennähen auf. Die Resonanz bei den Bürgern und Handwerksbetrieben ist groß. Doch es gibt auch Kritik.

Potsdam - Das städtische Bergmann-Klinikum hat um Hilfe beim Nähen von Masken gebeten, seit Mittwoch können Bürger selbstgenähte Masken dort abgeben. Auch Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) unterstützte den Aufruf ausdrücklich. Das Material werde im gesamten Land knapper. Zwar würden die Masken momentan noch nicht gebraucht, man wolle aber gerüstet sein für den Ernstfall, erklärte er am Mittwoch.

Hunderte Handwerksbetriebe wollen helfen

Die Resonanz bei den Handwerksbetrieben in Potsdam und dem Umland war jedenfalls enorm, wie Ines Weitermann, die Sprecherin der Handwerkskammer Potsdam, den PNN am Donnerstag sagte: Auf den Aufruf zum Nähen von Masken hätten sich allein rund 40 Betriebe aus dem Bekleidungs-, Textil- und Ledergewerbe gemeldet. Insgesamt gebe es sogar hunderte Hilfsangebote unter anderem von Dachdeckern, Druckern, Raumausstattern, Tischlern, die beispielsweise Schutzbrillen oder Staubmasken aus ihren Beständen spenden wollten. „Dieses Echo ist überwältigend“, sagte Weitermann. „Eine solche Hilfsbereitschaft in Zeiten, wo viele Betriebe um ihre eigene Existenz zittern zeigt: Das Handwerk steht echt zusammen.“ Viele Unternehmer seien dankbar, dass sie in der Krise „etwas tun und konkret helfen“ können, sagt die Kammersprecherin. Das Klinikum bezahle für die Masken einen symbolischen Materialpreis von 3 Euro, „der Rest ist der Solibeitrag der Betriebe“.

Die Nähanleitung wurde in Essen entwickelt

Eine, die helfen will, ist auch Wilma Schmidt aus Geltow. Die 54-Jährige arbeitet für eine Kommunikationsagentur, betreibt als Hobby aber auch ein Nähatelier: „Nähen macht mir Spaß und wenn man dann noch etwas herstellen kann für guten Zweck – umso schöner.“ Ihre Chefin habe sie für den ehrenamtlichen Einsatz von der Arbeit freigestellt. Auch in Pflegeheimen in der Region fehle es an Schutzmasken – wie berichtet hatte der Landkreis Potsdam Mittelmark am Mittwoch zum Nähen von Masken für Pflegepersonal aufgerufen. Genäht hat Wilma Schmidt nach der von der Universität Essen erarbeiteten Anleitung, die das Bergmann-Klinikum auf seiner Homepage verlinkt hat. Dabei wird kochfester Stoff doppellagig vernäht. Über einen eingenähten Draht soll die Maske über der Nase individuell angepasst werden. Am Donnerstag gab Wilma Schmidt die ersten 25 Masken beim Bergmann-Klinikum ab.

Bieten selbst genähte Masken den erforderlichen Schutz?

Doch können selbstgenähte Masken die Einmal-OP-Masken im Klinikum wirklich ersetzen? Bieten sie den erforderlichen Schutz für Patienten und Personal? Worauf kommt es aus medizinischer Sicht an? Wie viele Masken werden im Klinikum täglich benötigt und wie ist der Bedarf in der Coronakrise gestiegen? Auf eine entsprechende PNN–Anfrage an das Klinikum vom Mittwochabend gab es bislang keine Antwort. Thomas Weinke, der ärztliche Direktor, hatte am Mittwoch vor der Presse erläutert, dass die selbst gefertigten Mund-Nasenschutzmasken „verhindern sollen, dass Übertragungsketten stattfinden“. 7000 Masken würden benötigt. Sie sollen nicht auf der Covid-19-Station eingesetzt werden. Angesichts der Lieferengpässe seien selbst genähte Masken „extrem hilfreich“.

Pflegedienst-Unternehmerin: "Wütend über diese Aufrufe"

Erhebliche Bedenken hat dagegen Stefanie Karschies: „Ich bin wütend über diese Aufrufe von den Kliniken“, sagte sie am Donnerstag den PNN. Dabei hatte sie zuerst sogar selbst zum Nähen aufgerufen. Die 44-Jährige leitet in Teltow eine Zeitarbeitsfirma für Pflegekräfte, hat 35 Mitarbeiter, die in Krankenhäusern in der Region arbeiten. Daher weiß sie, wie knapp das Material bereits ist. Gemeinsam mit zwei Mitstreiterinnen entwarf sie den Plan für eine Nähaktion. „Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“, sagt sie: „Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner.“ Für mehrere tausend Euro habe sie ökozertifizierten Stoff gekauft, über Facebook nach Nähern gesucht, die sie bezahle: „Damit die Schneidereien, die im Moment null Einnahmen haben, Geld verdienen.“ Die Hilfsbereitschaft sei toll.

Hygienestandards könnten nicht eingehalten werden

Dass das Bergmann-Klinikum trotz Millionenumsatz nun aber um Spenden bittet, hält sie für unverantwortlich. Wenigstens entsprechend zertifizierter Stoff müsse bereitgestellt werden, fordert sie. Gutwillige Helfer würden sonst möglicherweise Geschirrtücher oder Bettlaken vernähen – auch nach einer Kochwäsche sei nicht sichergestellt, dass die Maskenträger nicht Farbpartikel oder Tierhaare aufs Gesicht bekommen. Die ohnehin niedrig bezahlten Pflegekräfte müssten ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, ärgert sich Karschies: „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Pflegekräfte.“

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