Forderung des Historikers Manfred Gailus: Kritiker an Konzept für Garnisonkirchturm beteiligen
In Anbetracht der hohen Kosten für den Wiederaufbau des Garnisonkirchenturms sollte die Nutzung neu verhandelt werden. Das sagt ein Wissenschaftler des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin.
Potsdam - Kritiker des Wiederaufbaus des Potsdamer Garnisonkirchturms sollten nach Auffassung des Historikers Manfred Gailus an Konzepten für dessen Nutzung beteiligt werden. Angesichts der hohen Kosten für den Turm, der seit 2017 gebaut wird und zu einem großen Teil mit Bundesmitteln finanziert wird, müsse „neu über seine Nutzung unter Beteiligung der Kritikbewegung und weiterer Initiativen“ verhandelt werden, sagte der Wissenschaftler vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd).
„Öffentliche Finanzierung verlangt nach viel breiterer öffentlicher Beteiligung an der späteren Programmgestaltung“, sagte Gailus: „Nur so erlangt das Vorhaben eine gewisse Legitimation.“
"Angemessene historische Aufarbeitung"
Die Nutzung des neuen Turms sollte zudem Bestandteil eines Gesamtkonzepts für das Areal am früheren Standort der 1945 zerstörten und 1968 abgerissenen Garnisonkirche sein, das noch entwickelt werden müsse, sagte der Experte für NS- und Kirchengeschichte: „Für die angemessene historische Aufarbeitung reicht die dort verfügbare Ausstellungsfläche nicht aus.“
Die aktuelle Situation beim Thema Wiederaufbau sehe er als „weiterhin schwierig und verfahren“, sagte Gailus: „Die Wiederaufbaupartei und die Kritikbewegung stehen sich weiterhin ziemlich unversöhnlich gegenüber. Das mag man bedauerlich finden, aber es ist so.“
Das inzwischen vorgestellte Konzept der Garnisonkirchen-Stiftung für die geplante Ausstellung im Turm weise, soweit es auf der Internetseite erkennbar sei, „erhebliche Fortschritte gegenüber früheren Selbstdarstellungen zur Garnisonkirchen-Geschichte auf“, sagte Gailus: „Die Darstellung orientiert sich inzwischen näher an den historischen Tatsachen und weicht weniger vor unangenehmen Themen aus.“ Das Konzept lasse dennoch „an vielen Stellen noch zu wünschen übrig“. Schmerzhafte Themen würden weiter „ausgespart oder unangemessen geschönt“.
"Geschoben, gezogen oder getrieben"
Der evangelischen Kirche attestierte Gailus insgesamt Fortschritte bei der Aufarbeitung ihrer NS-Geschichte. In vielen Fällen müsse sie jedoch „leider immer wieder geschoben, gezogen oder getrieben werden, um sich diesen 'unangenehmen Dingen' zu stellen“, sagte der Historiker: „Die kirchliche Aufarbeitung ist nicht beendet.“
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Am Freitag und Samstag befasst sich eine Tagung in Berlin mit dem Thema Garnisonkirche und Nationalprotestantismus. Davon erwarte er sich auch „Impulse für die zukünftige Ausgestaltung des Gesamtensembles am Erinnerungsort Garnisonkirche Potsdam“, sagte Gailus. (epd)
Yvonne Jennerjahn