Bauprojekt in Neu Fahrland: Kritik an dichter Bebauung
Der Ortsbeirat lehnt die Pläne des Quarterback-Projektes für die Insel Nedlitz ab. Potsdams Chefstadtplaner verteidigte das Vorhaben.
Potsdam - Ländlichen Charakter erhalten oder dichter bauen? Über diese Frage zur Zukunft der Insel Nedlitz diskutierte der Ortsbeirat Neu Fahrland am Dienstagabend, als die Stadtverwaltung ihre Empfehlung zur Leitentscheidung vorstellte, wie die bisherige Brache westlich der Tschudistraße künftig bebaut werden soll. Geplant ist, dass durch den Leipziger Projektentwickler Quarterback ein neues Ortszentrum mit Wohnungen, kleinen Geschäften, einem Park und Freizeitflächen entstehen soll.
Deutlichster Unterschied zu den bisherigen Entwürfen: Der dreigeschossige Häuserriegel, der westlich der Tschudistraße geplant ist, rückt rund drei Meter von der Straße ab, um mehr Platz für eine Baumreihe, Geh- und Radwege sowie für die Straßenbahn zu ermöglichen. Damit werde der Straßenraum aufgewertet und aufgelockert, sagte Erik Wolfram, der den Fachbereich Stadtplanung der Landeshauptstadt leitet: „Es wird kein schluchtartiger Straßenraum entstehen.“ Ein freier Blick auf das Fährgut Neu Fahrland sei so gewährleistet, die Höhe der dreigeschossigen Gebäude würden Lärmschutz für die dahinterliegenden Häuser bieten.
Rund 200 Wohnungen könnten entstehen
Abgesehen davon bleibt im aktuellen Entwurf vieles beim Alten: Geplant sind 13 Gebäude mit 29 200 Quadratmeter Bruttogeschossfläche, der Großteil ist dreigeschossig, vier Gebäude verfügen über ein viertes Staffelgeschoss, das Haus an der Westspitze der Insel ist fünfgeschossig. Besonders an dieser „Höhendominante“ hatten sich viele Anwohner:innen gestört, Wolfram gab jedoch zu bedenken, dass die Insel von der Straße zum Ufer einen Höhenabfall von rund sechs Metern habe: „Damit sind die fünf Geschosse an der Inselspitze ungefähr so hoch wie die drei Geschosse an der Tschudistraße“. Etwa 200 Wohnungen könnten entstehen, dies hänge von der Wohnungsgröße ab, sagte Matthias Piper von Quarterback. Eventuell könnte auch eine Kita gebaut werden.
38 Prozent der Fläche würden öffentliche Grünanlagen, Spielflächen, Straßen und Wege, so Piper. Das Unternehmen, das zu 40 Prozent der Deutsche Wohnen gehört, werde in die Entwicklung dieser öffentlichen Flächen fünf Millionen Euro investieren und sie der Stadt widmen, also praktisch schenken. Auch eine Tiefgarage oberhalb des Wasserspiegels ist geplant. Bislang hatte das Unternehmen von 400 Stellplätzen gesprochen.
Mehrheit für eine dichtere Bebauung
Die jetzige Empfehlung sei das Ergebnis eines Werkstattverfahrens, so Wolfram. Daran hatten etwa Vertreter:innen der Stadtverwaltung, des Ortsbeirates Neu Fahrland, der Investor Quarterback und mehrere Stadtverordnete teilgenommen. Einstimmigkeit habe es nicht gegeben, so Wolfram, aber es habe sich eine Mehrheit für eine dichtere Bebauung mit Mietwohnungen und öffentlichen Flächen gegenüber einer niedrigeren und kleinteiligeren Bebauung abgezeichnet.
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Das jetzige „Konzept Leitentscheidung“ sieht eine Geschossflächenzahl von 0,5 bis 0,8 vor. Besonders diese Entscheidung und die Festlegung auf 29 200 Quadratmeter Bruttogeschossfläche ernteten massive Kritik aus dem Ortsbeirat: „Der Aufstellungsbeschluss von 2014 zum B-Plan sieht maximal eine Geschossflächenzahl von 0,2 bis 0,5 vor, dies wurde 2019 von einer Mehrheit der Parteien in der Stadtverordnetenversammlung bestätigt“, sagte Ortsvorsteherin Carmen Klockow (Bürgerbündnis). Laut dem ursprünglichen Entwurf seien maximal 15 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche möglich. „Sind Ihnen Beschlussvorlagen so viel wert wie der Wind von gestern?“, fragte Klockow Wolfram empört. Das Werkstattverfahren habe sie als nicht demokratisch empfunden.
Furcht vor Verlust des ländlichen Charakters
Auch andere Anwohner:innen äußerten sich ablehnend und befürchteten, dass der ländliche Charakter der Insel Nedlitz verloren gehe: „Eine Geschossflächenzahl von 0,8 ist fast Innenstadt, gegenüber vom Rathaus zum Beispiel sind wir bei 0,9 – wir sind hier am äußersten Stadtrand, das passt nicht zusammen“, sagte Sven Slazenger. „Wie man gerade hier auf den Gedanken kommen kann, so dicht zu bauen, ist mir völlig unverständlich“, sagte ein anderer Anwohner. „Und da bin ich nicht der einzige, Sie werden noch erleben, was die für einen Aufstand machen werden!“ Tatsächlich hatte sich zuletzt eine Bürgerinitiative gegründet, die Klagen gegen die Pläne angedroht hatte.
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Wolfram verteidigte den Entwurf und verwies auf die Formulierung im Aufstellungsbeschluss, dass gut begründete Abweichungen möglich seien – dies sei geschehen: „Wir bewegen uns absolut in diesem Beschluss, der keine endgültige Festlegung auf diese Zahlen vorsieht.“ Im Vergleich zu anderen Wohngebieten falle die Baudichte gering aus und ermögliche vielen ein Wohnen in grüner Umgebung. „Aus meiner Sicht ist das hier nicht der äußere Stadtrand, das wäre eher Uetz“, sagte Wolfram. „Hier haben wir einen Ortsteil in guter Lage mit guter Anbindung.“ Diana Waberski vom Fachbereich Stadtplanung sagte: „Wollen wir über Baumasse reden oder über die Nutzung?“
Klockow kritisierte auch, dass die Nordumgehung für Neu Fahrland nicht Teil des Entwurfs ist und nie ernsthaft geprüft worden sei. Wolfram widersprach: „Die Nordumgehung wurde geprüft, die Verkehrsplanung geht davon aus, dass die Tschudistraße für den zu erwartenden Verkehr ausreicht.“ Der Anwohner Jörg Büchner hingegen befürchtete ein Verkehrschaos. Noch ist über die Pläne nicht final entschieden: Am Dienstag werden sie in zweiter Lesung im Bauausschuss besprochen, im Januar folgt die Entscheidung der Stadtverordneten.