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Der Turm der Garnisonkirche wird aktuell wiedererrichtet. Der Bau begann  Ende 2017.
© Sebastian Rost

Konflikt um Garnisonkirche: Kann das Kreativquartier der Ersatz fürs Rechenzentrum sein?

Bei dem Neubau fehle es an Mitbestimmung, so die Kritik beim Stadtforum. Die Garnisonkirchen-Stiftung will unterdessen das Kosmos-Mosaik erhalten - aber ohne den DDR-Bau.

Von Florian Kistler

Potsdam – Die Fronten um die Zukunft von Garnisonkirche und Rechenzentrum in der Potsdamer Innenstadt bleiben verhärtet. Das zeigte sich bei der Sitzung des Stadtforums am Donnerstagabend. So sehen die Nutzer des DDR-Baus das als Ersatz geplante neue Kreativzentrum auf dem Gelände der alten Feuerwache am Langen Stall mit großer Skepsis, wie Anja Engel vom Rechenzentrum deutlich machte. Der von einem Privatinvestor geplante Neubau sei für sie kein Ersatzort, da eine Mitbestimmung „schon jetzt nicht mehr möglich“ sei, weil die Stadt das Projekt aus der Hand gegeben habe, kritisierte Engel. Als die Pläne zuletzt auch Nutzern des Rechenzentrums vorgestellt wurden, seien nur drei von ihnen daran interessiert und anwesend gewesen. Engel sagte, sie würde auch selbst nicht in das neue Kreativzentrum umziehen.

Ein Stück „gewachsene Stadt“

Das Rechenzentrum dagegen sei ein „Stück gewachsene Stadt, das durch Jung und Alt lebt“, mit nun weit mehr als 300 regelmäßigen Nutzern. Und weiter: „Viele Jugendliche sagen, das sei der coolste Ort der Stadt.“ Wenn man diesen Weg weitergehe, könne das Rechenzentrum zum „sozialkreativen Herzen“ im Zentrum der Stadt werden. Ihr sei klar, dass die zehn Millionen Euro teure Sanierung aus ökologischen Gründen notwendig, aber eben auch möglich sei. „In Zeiten des Klimanotstands ist der Abriss eines funktionierenden Gebäudes mit intensiver Nutzung der Stadtgesellschaft nicht mehr tragbar“, so Engel. Das Gebäude müsste nach jetziger Planung ab 2023 zugunsten eines Wiederaufbaus des Kirchenschiffs der Garnisonkirche abgerissen werden.

Wieland Eschenburg, Vorsitzender der Stiftung Garnisonkirche, auf der Baustelle zur Errichtung des Turms der Garnisonkirche.
Wieland Eschenburg, Vorsitzender der Stiftung Garnisonkirche, auf der Baustelle zur Errichtung des Turms der Garnisonkirche.
© Sebastian Gabsch PNN

Das soll auch so geschehen, machte der Vorsitzende der Stiftung Garnisonkirche, Wieland Eschenburg, deutlich. Er sagte: „Wir tragen die Verantwortung für das, was auf unserem Grundstück geschieht. Dieser Verantwortung werden wir uns stellen.“ Einen Leerstand wolle man nicht entstehen lassen. Es sei kein Geheimnis, dass für das Kirchenschiff noch keine Nutzungsidee beschlossen wurde. „Erst wenn wir tragfähige Ideen haben, kann untersucht werden, was finanziell erforderlich ist“, so Eschenburg. Und auch dann erst könne man über finale Fragen der Architektur diskutieren. 

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Zum Erhalt des Rechenzentrums und damit auch zur Zukunft des denkmalgeschützten Mosaiks „Der Mensch bezwingt den Kosmos“ sagte Eschenburg, dass das Kunstwerk zwar an dem historischen Ort erhalten bleiben solle - dafür brauche es aber das Rechenzentrum nicht. „Ich kann mir gut vorstellen, dass das Mosaik weiter an der Ecke Breite Straße / Dortustraße bestehen bleibt“, so Eschenburg. Dass die Nutzer des Rechenzentrums auch bei einem Teil-Erhalt des Baus in den Räumlichkeiten bleiben, halte er aber für unrealistisch. Die Nutzer könnten im neuen Kreativquartier ein Zuhause finden, niemand werde auf die Straße gesetzt. Mit der Duldung des Rechenzentrums bis 2023 habe man seinen Teil dazu beigetragen. Im neuen Kreativquartier könnten die Nutzer ohnehin „neue und noch bessere Wege“ als im Rechenzentrum gehen.

Während der Diskussion kam auch die Frage auf, wie eine Wiederherstellung des Stadtkanals ermöglicht werden solle, ohne die Dortustraße verbreitern zu müssen. Projektspezialist Harald Kümmel von der Stadtverwaltung sagte, dass es nicht unmöglich sei, das Rechenzentrum stehen und den Kanal wieder entstehen zu lassen.

Kreativzentrum und Rechenzentrum nicht im Widerspruch

Arnold Bartetzky vom Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa in Leipzig sprach sich in seinem Vortrag beim Stadtforum für den Erhalt des Rechenzentrums aus. Es sei „kein großartiger Bau“, aber wenn es Nutzer gebe, „die den Bau lieben“, wäre es falsch, ihn abzureißen. Das neue Kreativquartier und ein Erhalt des Rechenzentrums stünden für ihn nicht in einem Widerspruch zueinander. Gleichzeitig sei aber auch der von Gegnern geforderte Baustopp für den Turm der Garnisonkirche nicht richtig. „Das ist kein Disneyland, nichts ist falscher als dieser Vorwurf“, so Bartetzky über die Rekonstruktion. Man werde in Potsdam im Nachhinein sehen, dass „diese Höhendominante“ gefehlt habe.

Nach dem Bau des Kirchturms plädiert Bartetzky aber für eine Pause. Man könne dann über ein Kirchenschiff nachdenken, doch man sollte den Platz vorerst nicht bebauen. „Kein riesiges Museum, kein Kirchenschiff, sondern erst einmal die Offenheit genießen und die Fläche beispielsweise mit kleinen temporären Bauten bespielen“, so Bartetzky.

Das Vorgehen, die Innenstadt „vom Kopf auf die Füße“ zu stellen, komme aber in der heutigen Zeit unter Begründungszwang, unter anderem auch aus ökologischen Aspekten. „Bauen produziert ein Drittel des CO2-Ausstoßes“, so Bartetzky. Man könne inzwischen nicht einfach nach 20 Jahren Gebäude wieder abreißen, weil sie einem nicht gefallen. Hinzu kämen auch die politischen Belastungen der Garnisonkirche. Sie sei als Bau historisch „kontaminiert“. Es werde schwer, sie "zu einem Friedensbau umzuprogrammieren".

Bruch in der Architektur könne zu „Peinlichkeiten führen“

Die Forderung nach einem Bau, der den historischen Bruch am Ort zum Ausdruck bringt, sei sehr heikel und könne architektonisch zu „Peinlichkeiten führen“. „Das kann man machen, es ist aber eine plakative Geste, die sich schnell verbraucht.“ Bartetzky plädierte zudem dafür, den Bau nicht vom Architekten Daniel Libeskind planen zu lassen, wofür er von den Anwesenden Applaus erhielt: „Er ist ein Architekt, der sich nur um sein Ego schert und den Nutzerinteressen überhaupt nicht interessieren.“ Ein Museum mit 1000 Quadratmetern Nutzfläche nur für die Geschichte der Garnisonkirche an dieser Stelle hält Bartetzky ebenfalls für wenig sinnvoll und am Bedarf vorbei.

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), der mit Libeskind zur Gestaltung des Umfeld des Turms in Kontakt steht, will das Thema in den nächsten Wochen „mit Nachdruck vorantreiben“, wie er sagte. Er habe den Stadtverordneten zugesagt, einen gemeinsam von Nutzern des Rechenzentrums und der Stiftung Garnisonkirche getragenen Vorschlag für das weitere Verfahren vorzulegen. Er selbst plädiere nicht für eine Wiese, sondern für ein drittes Gebäude. Und er stellte die Frage, ob es reicht „die beiden Mythen“, das Rechenzentrum und die Garnisonkirche, gegeneinander zu halten - oder ob es nicht an der Zeit sei, auch die neuen „30 Jahre Stadtgeschichte an diesem Ort abzubilden“.

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