Die Corona-Lage in Potsdam am Donnerstag: Kampf gegen drohende Virus-Mutationen
Mit tausenden Corona-Spucktests will Potsdam schneller Corona-Infektionen in Kitas und Schulen entdecken. Die Stadt stellt eigene Regeln auf, um die besonders von der Pandemie heimgesuchten Pflegeheim-Bewohner zu schützen.
Potsdam - Angesichts der bundesweiten Ausbreitung von hochinfektösen Mutationen des Coronavirus will die Stadtverwaltung im Alleingang die Potsdamer Bevölkerung besser schützen. Einen entsprechenden Maßnahmenplan für Kitas, Schulen, Seniorenheime, das Rathaus sowie die kommunalen Unternehmen stellte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) am Donnerstagnachmittag bei einer digitalen Pressekonferenz vor. Dabei machte er mit Blick auf das Land Brandenburg deutlich, dass er sich auch von dort mehr Hilfe für solche Schutzmaßnahmen erhoffe. Die Strategie der Stadt beruht dabei vor allem dem Kauf zehntausender Spuck-Schnelltests, die laut Stadt eine „hohe Sensitivität und Spezifität“ besitzen. Für mehr Transparenz soll eine eigenen Corona-Ampel für die Landeshauptstadt sorgen. Die verschärften Regeln, auch mit Blick auf Seniorenheime, werden in Allgemeinverfügungen festgehalten. Die PNN geben einen Überblick, was ab 1. Februar geplant ist.
Dramatische Zahlen aus Senioreneinrichtungen
Die zweite Corona-Welle hat auch in Potsdam vor allem Pflegeheime stark getroffen. 70 Prozent der Potsdamer Corona-Toten seit Herbst seien Bewohner:innen von Pflegeeinrichtungen gewesen, sagte Sozialbeigeordnete und Krisenstabschefin Brigitte Meier (SPD). Seit Anfang November 2020 sind in Potsdam nach Angaben der Verwaltung 144 Menschen an oder mit Corona gestorben, gut 100 von ihnen waren Bewohner von Pflegeheimen. Es sei eine „dramatische Lage“, die sich durch die Verzögerungen beim Impfen noch rund zehn Wochen hinziehen werde, so Meier. Jeder zweite der aktuell 194 Menschen aus Potsdam, die an oder mit Covid-19 verstorben sind, stehe in Verbindung mit einer Pflegeeinrichtung, von 19 stationären Einrichtungen in der Stadt seien zwölf von Corona-Ausbrüchen betroffen, so Meier.
Um die Senioren in den Heimen besser zu schützen, werde Potsdam eine Allgemeinverfügung erlassen, die zunächst bis 28. Februar gelte. Ab Montag müssen alle Besucher von Pflegeheimen einen negativen Schnell- oder PCR-Test – nicht älter als 48 Stunden – vorlegen. Zudem sind FFP2-Masken vorgeschrieben. Das gelte neben Angehörigen auch für Dienstleister. Dieses Vorgehen empfehle man auch für betreute Wohngemeinschaften.
Besuch nur mit Test und Maske
Die Stadt empfehle den Einrichtungen zudem Besucherkonzepte aufzustellen, die den Gang auf das Zimmer der Senioren verbieten und stattdessen Gästeräume vorhalten. Die Erfahrungen zeigten, dass auf den Zimmern der Senioren wohl die FFP2-Masken abgenommen würden, was zur Virusausbreitung führe. Die Pflegeheimbetreiber hätten positiv auf die Pläne der Stadt reagiert – sie berichteten über Probleme mit uneinsichtigen Angehörigen, so Meier. Seit Donnerstag unterstützten zudem zehn Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen die Einrichtungen bei der Pflichttestung der Mitarbeitenden, sagte die Beigeordnete.
Bald 480 Sequenzierungen pro Woche möglich
Das Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“ beobachte die Lage konzentriert und mit Sorge, sei aber gut vorbereitet auf das Auftreten der Mutationen des Coronavirus, sagte Klinikumchef Hans-Ulrich Schmidt am Donnerstag. Auch das hochansteckende mutierte Virus sei „beherrschbar“ – wenn man entsprechende Schutzkonzepte habe und es denn auch erkenne. Deshalb sei es wichtig, konsequent zu sequenzieren, also die positiven Corona-Test auf Mutationen zu untersuchen. In ein bis zwei Wochen will das Klinikum die dafür nötigen Genom-Analysen im hauseigenen Labor durchführen können, das Gerät sei bestellt, so Schmidt. Derzeit lasse das Klinikum pro Woche 100 Sequenzierungen bei externen Anbietern erstellen, auch im Auftrag des Gesundheitsamtes. Bislang seien auf diesem Wege 100 Proben sequenziert worden, 70 Ergebnisse lägen vor, darunter kein Nachweis eines mutierten Virus. Mit eigenen Gerätschaften sollen 480 Untersuchungen pro Woche möglich sein.
Klinikum soll offen bleiben
Bei Auftreten der Mutation B117 werde das Klinikum für die betroffene Station sofort einen Aufnahme- und Verlegungsstopp aussprechen, Infizierte würden auf einer seperaten B117-Station betreut, Mitarbeiter dann täglich getestet und ein Ausbruchsteam jeden Fall „detailliert begleiten“, erklärte der Bergmann-Chef. Die Gefahr, dass das Potsdamer Klinikum – wie in Berlin bereits im Fall des Humboldt-Klinikums geschehen – aufgrund des Auftretens der Mutationen komplett schließen muss, bewertete Oberbürgermeister Schubert als nicht sehr groß. Er verwies auf zahlreiche Krankenhäuser bundesweit, die bei B117-Fällen Stationen und betroffene Bereiche isoliert hätten, wie es auch das Potsdamer Haus plane. Es sei wichtig, die Funktion eines medizinischen Schwerpunktversorgers für die Region zu sehen. Schmidt betonte, das Schutzkonzept des Klinikums, das nach dem schweren Corona-Ausbruch im Frühjahr 2020 erstellt worden war, funktioniere gut und habe sich in der zweiten Welle bewährt. Dazu gehört die regelmäßige Testung aller Mitarbeitenden und die Trennung des Klinikums in coronafreie weiße, graue und schwarze Covid-Bereiche. Dezernentin Meier sagte, man dürfe auch die Kollateralschäden durch das Schließen von Krankenhäusern nicht vergessen – wenn etwa Krebspatienten operiert werden müssen.
Auch Schulen erhalten Spucktests, Kitas sowieso
Schon ab Montag sollen die mehr als 110 Kitas in Potsdam wie berichtet wieder in den zumindest eingeschränkten Regelbetrieb gehen – die dazu nötigen ersten 5000 Corona-Spucktests kommen bereits am morgigen Freitag in Potsdam an und sollen an die mehr als 40 Träger der Einrichtungen verteilt werden. Wie Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos) präzisierte, seien die Spucktests für die Mitarbeiter verpflichtend. Die einfach zu handhabenden Tests müssen pro Woche zweimal zu Hause durchgeführt werden, nämlich am Montag und am Donnerstag. Liegt nach rund 15 Minuten das Ergebnis vor, könne auch sofort reagiert werden – ist es positiv, sei ein PCR-Test und die Quarantäne fällig. Ferner sollen Erzieher:innen, die mit Kindern im Alter von über drei Jahren arbeiten, verpflichtend eine medizinische Maske tragen. Wird in einer Kita eine Corona-Mutation entdeckt, müssen nach dem Plan der Stadt alle dort Anwesenden getestet werden – und auch das persönliche Umfeld der Infizierten.
Auch den zumindest für Abschlussklassen geöffneten Schulen und Förderschulen will die Stadt mit Spucktests helfen – damit sich Schüler bei Covid-19-Symptomen schnell und unbürokratisch selbst testen können. Die Teststrategie des Landes, dass Lehrer sich auf freiwilliger Basis testen lassen können, bilde die aktuelle Infektionsdynamik wegen der Virusmutationen nicht mehr ab, hieß es aus dem Krisenstab. Man hoffe, dass das Land Brandenburg auch in punkto Schule mehr dem Weg der Stadt mit deutlich mehr Testungen folge, machte Dezernentin Aubel deutlich. Man gehe mit dem „Modell Aubel“ einen eigenen Weg, sagte auch Schubert. So hatte Potsdam – im Gegensatz zum Land – seine Kitas bekanntlich erst geschlossen. Die Grundschulen wiederum sind generell geschlossen.
Eine Potsdamer Corona-Ampel
Grundlage für alle weiteren Entscheidungen der Stadt zur Virusbekämpfung ist ein Corona-Ampelsystem, das auf der Homepage der Stadt nun auch abrufbar ist. Damit soll ein rascher Überblick möglich sein, wie die Lage ist – anhand der aktuellen Inzidenz in der Stadt, den Fallzahlen im Umland und in Berlin und der Bettenbelegung in den Krankenhäusern. Derzeit stehen alle Ampeln auf „gelb“ – was die Beibehaltung der getroffenen Entscheidungen bedeutet. Bei einer „Grün“- Phase soll laut Schubert auch über Lockerungen entschieden werden, bei einer Inzidenz von über 200 kommt dagegen die Alarmfarbe rot zum Einsatz, dann geht es um Verschärfungen, etwa wieder um Kita-Schließungen. Dann werde auch die Notbetreuung auf 50 Prozent gedeckelt, sagte Aubel. Bislang gab es Einrichtungen, in denen mehr Kinder in der Notbetreuung waren. Über die Berechtigung entscheide jeweils das Jugendamt.
Kultureinrichtungen bleiben geschlossen
Die beiden großen kommunalen Kultureinrichtungen, der Nikolaisaal und das Hans Otto Theater (HOT), bleiben bis 31. März geschlossen. Dezernentin Aubel sagte, man habe dieses Vorgehen mit den beiden Häusern abgesprochen. Als Grund dafür nannte sie eine bessere Planungssicherheit.
Bürgerservice soll wieder öffnen
Der aktuell extrem eingeschränkte Bürgerservice im Rathaus, wozu auch die Kfz-Zulassung gehört, soll ab Mitte Februar wieder in einen eingeschränkten Regelbetrieb gehen, wenn es die Lage zulässt. Dabei soll das Personal sich zweimal pro Woche per Spucktest auf Corona untersuchen, für den Kontakt mit Bürgern müssen besondere FFP2-Masken getragen werden. Auch in den kommunalen Unternehmen wie der Energie und Wasser Potsdam, dem Verkehrsbetrieb oder der Pro Potsdam sollen für Mitarbeiter:innen mit Kundenkontakt oder in systemrelevanten Bereichen die Spucktests angeboten werden – auf Kosten der Firmen.
Inzidenzwert seit Tagen konstant über 100
In Potsdam bleibt die Zahl neuer Corona-Infektionen auf einem konstanten Niveau mit einer Inzidenz von über 110. Am Donnerstagmorgen meldete das Rathaus 37 neue Fälle, was nunmehr einer Sieben-Tage-Inzidenz von 112 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche entspricht. Seit vergangenem Wochenende verharrt die Inzidenz auf diesem Niveau. Als Zielwert, bei dem Gesundheitsämter Ansteckungsketten schnell durchbrechen können, gilt eine Inzidenz von unter 50. Die Behörde meldete drei weitere verstorbene Potsdamer im Zusammenhang mit Corona-Infektionen. Damit erhöhte sich die Zahl der Todesfälle seit Beginn der Pandemie auf 194. Die Kliniken haben mit 83 Covid-Patienten wieder mehr zu tun, in den vergangenen Tagen lag die Zahl bei um die 75. Nach wie vor werden 23 der Covid-Patienten intensivmedizinisch versorgt. Die Zahl der Potsdamer in Quarantäne beträgt 534. Nach PNN-Informationen sind rund 150 davon Kinder aus der Kita- und Grundschulnotbetreuung.
Lockdown-Mittagessen für Familien
Die im Zuge des Lockdowns begonnene Lieferung von kostenlosem Essen an finanziell schwächer gestellte Familien in Potsdam läuft derweil auf Hochtouren. Mittlerweile würden 930 Kinder täglich vom Rathaus mit einer warmen Mittagsmahlzeit versorgt, teilte die Stadtverwaltung mit. Seit dem 11. Januar wurden so insgesamt bereits mehr als 11 000 Portionen ausgeliefert – um im Lockdown den Familien von Grundschul- und Kitakindern freiwillig zu helfen. „Ich freue mich, dass wir dieses außergewöhnliche Projekt mit verlässlichen Partnern auf die Beine stellen konnten“, erklärte Bildungsdezernentin Aubel.
Mit dabei sind Unternehmen wie Blauart Catering, die Luna Restaurant GmbH, Sodexo sowie die Küche am Bisamkiez und die Fahrdienste der Firma Kortschlag sowie des Deutschen Roten Kreuzes. Nächste Woche werde die Essenlieferung an 243 Kinder eingestellt, weil diese dann zumindest wieder in die Kitas gehen könnten. Eltern, die ihre Kitakinder weiterhin zu Hause betreuen möchten und deshalb weiter das Mittagessen benötigen, sollen ihren Bedarf so schnell wie möglich unter Tel.: (0331) 289 1865 oder per E-Mail an mittagessen@rathaus.potsdam.de anmelden.
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