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Thomas Kretschmer und Michiko Iiyoshi, beide Musiker der Kammerakademie, traten mit ihren Geigen in einem Hof in Drewitz auf.
© Sebastian Gabsch

Mozart frei Haus: Kammerakademie spielt in Potsdams Hinterhöfen

In Drewitz haben zwei Musiker der Kammerakademie ein kleines Konzert gegeben. Ihr Publikum saß auf den Balkonen.

Potsdam - Der Wind fängt sich im großen Innenhof in Drewitz, sonst ist es sehr still Freitagnachmittag. Aber gleich wollen hier zwei Musiker der Kammerakademie (Kap) ein kleines Open-Air-Konzert geben. Zwei Geigen, mit Mikrofon und Lautsprecher, damit die Musik auch bis an die letzten Fenster dringt. „Mobile Konzerte“ heißt das Projekt, bei dem je zwei bis fünf Musiker im Freien für die Anwohner spielen. 

Wenn die Menschen nicht ins Konzert gehen können, kommt das Konzert eben zu den Menschen, dachten sich die Orchestermitglieder, die seit Wochen weder gemeinsam auftreten noch proben dürfen. Nur über Videoprojekte sei man in Kontakt geblieben, so Orchesterleiterin Nadja Reimer. Und irgendwann sei diese Idee entstanden. „Wir haben im Fernsehen gesehen, wie die Leute in Italien auf ihren Balkonen standen, Musik machten und hörten, und wir dachten, so etwas müssen wir auch tun.“

Für Anwohner und Passanten spielten die beiden Geiger kostenlos Bartók und Vivaldi.
Für Anwohner und Passanten spielten die beiden Geiger kostenlos Bartók und Vivaldi.
© Sebastian Gabsch

Musiker spielen wieder regelmäßig

Das war im April. Wegen der strengen Vorschriften wurde daraus erstmal nichts. Aber seit Mitte Mai spielen sie regelmäßig. Zwei Mal in der Woche finden drei kurze Konzerte nacheinander an verschiedenen Orten eines Kiezes statt. Weil es kein öffentlicher Straßenraum sein darf, finden die Konzerte auf privatem Gelände, dem von sozialen Einrichtungen, bei Genossenschaften oder bei der Pro Potsdam statt. Drewitz lag nahe, weil Kap-Musiker hier seit Jahren mit Kindern der Grundschule am Priesterweg arbeiten und Projekte wie die Stadtteiloper leiten.

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Ein bisschen Stadtteiloper könnten auch diese Minikonzerte sein, wenn die Drewitzer nur nicht so schüchtern wären. Italienische Begeisterungsstürme gibt es in der Wolfgang-Staudte-Straße nicht. Aber wenn man genau hinschaut, sieht man, wie sich Fenster und Balkontüren öffnen, während der Soundcheck läuft. Michiko Iiyoshi und Thomas Kretschmer werden beobachtet. Auch von den zwei Familien mit Kindern in der Sitzgruppe. „Wir wohnen gleich hier“, sagt eine Frau und zeigt auf den Block hinter ihr. Das Konzert sei eine schöne Abwechslung, sonst passiere ja nur wenig für alte Menschen und Kinder, findet sie. 

Der Mann erinnert sich, dass schon in der vergangenen Woche Musiker hier waren. Mit Flöten. Die Geigen gefallen ihm besser. Emilie, neun Jahre alt, mag Flöten und Geigen und diese am liebsten laut. Sie hat noch nie selber Musik gemacht. Jetzt breitet sie die Arme aus und tanzt einige Sekunden lang, vielleicht zu Mozarts Türkischem Tanz. Außerdem spielen Thomas Kretschmer und Michiko Iiyoshi Stücke von Vivaldi, Bartók, einen Tango und amerikanische Volksmusik.

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Zettel in Hausflure gehängt

Der Wind fährt manchmal ins Mikro, aber das macht nichts. Wäsche flattert, jemand bringt Müll raus. Teenager radeln vorbei und bleiben dann doch stehen. Ein Mann sagt: „Ich komme gerade von der Arbeit, da kann man sich das ja mal anhören, auch wenn ich sonst eher Rockmusik höre“. Wie viele auf Balkonen und hinter Gardinen auf das Konzert gewartet haben, sei schwer zu schätzen, sagt Reimer. 

Das Minikonzert war Teil der Reihe „Mobile Konzerte“, das die Musik zu den Menschen bringt.
Das Minikonzert war Teil der Reihe „Mobile Konzerte“, das die Musik zu den Menschen bringt.
© Sebastian Gabsch

Am Tag zuvor hatten sie Zettel in die Hausflure gehängt. Der Zuspruch bei den Konzerten sei sehr unterschiedlich, in der Asta-Nielsen-Straße, wo viele Senioren wohnen, hätten diese kleine Geschenke, Süßigkeiten und 10-Euro-Scheine, vom Balkon geworfen. Hier gibt es nur zaghaften Applaus, keiner scheint sich recht zu trauen. Nach dem letzten Stück packen die Geiger und Orchesterwart Maik Meier die Technik in den Transporter, für den nächsten Hof. „Schade, dass es vorbei ist“, sagt dann doch der Mann, der eigentlich nur Rockmusik mag.

Die Minikonzerte sollen fortgesetzt werden, so bald wie möglich auch auf öffentlichen Plätzen, vielleicht am Brandenburger Tor oder im Volkspark, so Nadja Reimer. Dann soll auch dazu eingeladen werden – das gehe aber erst, wenn Veranstaltungen erlaubt sind.

Bewerbungen für kommende Spielorte unter info@kammerakademie-potsdam.de oder Tel.: (0331) 23 70 527

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