Bilanz nach 16 Jahren als Potsdamer Oberbürgermeister: Jann Jakobs: Der Mann für die Mitte
Nach 16 Jahren im Amt wird Oberbürgermeister Jann Jakobs am Freitag feierlich verabschiedet. Wie hat er Potsdam geprägt, welches Erbe hinterlässt er, welche Fehler hat er gemacht? Zeit, Bilanz zu ziehen.
16 Jahre – so lange hat einst Helmut Kohl Deutschland regiert. Und Jann Jakobs Potsdam. Eine Stadt, die sich in diesem Zeitraum so rasant verändert hat wie wohl kaum eine andere in Deutschland. Einst gebrandmarkt als Zuhause des „Jammer-Ossis“, heruntergekommen und finanziell zerrüttet, ist Potsdam nun „heimliche Hauptstadt der Republik“ und die Stadt mit der höchsten Lebensqualität jenseits des Weißwurst-Äquators. Immobilien kosten mittlerweile so viel wie in Hamburg, und mit dem Museum Barberini gibt es – neben Sanssouci – einen Anziehungspunkt für Publikum aus ganz Deutschland, ja sogar aus der ganzen Welt. Nun sagen nicht wenige, diese teils atemberaubende Entwicklung der einstigen preußischen Residenzstadt sei ohnehin nicht aufzuhalten gewesen – da könne selbst die Lokalpolitik nicht viel falsch machen. Doch ist es tatsächlich so? Glänzt und strahlt Potsdam derart trotz Jann Jakobs? Oder wegen ihm? Hat er es vermocht, die Stadt für dieses massive Wachstum zu rüsten – wo es nun eng wird, Verkehrschaos und Wohnungsmangel herrschen, die soziale Spaltung größer ist denn je?
Über die großen Erfolge und die großen Krisen
Ein vollständiger Rückblick auf eine solch lange Amtszeit ist schwierig bis unmöglich. Zumal ob des Tempos und der Ereignisdichte, die Potsdam vorzuweisen hat. So bleiben die Wegmarken in Erinnerung, die großen Erfolge und die großen Krisen. Die Momente, in denen sich gefühlt ein Kreis schloss – oder ein Fenster für eine Entscheidung öffnete.
Wenn es etwas gibt, das Jakobs’ Amtszeit geprägt hat, dann könnte es seine oft der ostfriesischen Herkunft zugeschriebene Sturheit sein. Hatte er sich auf eine Haltung festgelegt, dann war das auch erst einmal so. Das ging manches Mal gut aus, manches Mal nicht. Im jahrelangen Ringen um die Potsdamer Mitte war die politische Unverrückbarkeit des Oberbürgermeisters sicher von Vorteil.
Mit Jauch beim Wiederaufbau auf einer Wellenlänge
Jakobs hat es sich zum Ziel gesetzt, der Stadt ihr Herz, das jahrelang eine Brache samt provisorischem Blech-Theater war, zurückzugeben. Dafür gab es lange wenig (landes)politische Unterstützung. Der Journalist und TV-Moderator Günther Jauch, leidenschaftlicher Potsdamer und mit dem Oberbürgermeister immerhin beim Wiederaufbau der Mitte auf einer Wellenlänge, hatte 2001 das Fortunaportal auf den Platz gesetzt – und dort stand es erst einmal, so allein wie Jakobs am Anfang seiner Amtszeit mit seinen Mitte-Plänen.
Pragmatismus und taktisches Geschick halfen nach den Jahren der Konflikte um den Wiederaufbau zu einem Konsens – den Weg ebnete Jakobs, indem er mit seinem größten politischen Kontrahenten, dem Linken Hans-Jürgen Scharfenberg, machtvoller Oppositionsführer im Potsdamer Stadtparlament, eine Vereinbarung traf: Wenn Potsdams Bürger sich bei einer Befragung mehrheitlich für den Alten Markt als Standort des neuen Landtags aussprechen, wird die Linke den Beschluss nicht mehr blockieren. So kam es dann auch – im dritten Anlauf stimmte die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung für den Wiederaufbau des Schlosses.
Kein Wunder, dass Jakobs heute sagt, er schätze an Scharfenberg, dass er sich auf sein Wort unter allen Umständen verlassen könne. Der Linke, ein Urgestein im Stadtparlament, aber auch im Landtag, hatte es noch mehrmals in der Hand, eine Kompromisslinie mit Jakobs zu finden – und so Potsdams Mitte zu prägen. Heute sagt selbst Scharfenberg – der bei der Oberbürgermeisterwahl 2002 nur 122 Stimmen hinter Jakobs landete – , dass der langzeitregierende Sozialdemokrat seine Sache gut gemacht habe. „Unterm Strich steht für die Entwicklung der Stadt ein dickes Plus“, so Scharfenberg, „und Jakobs hat daran einen wesentlichen Anteil“.
Zweiter Kompromiss für Potsdams Mitte
Manch Linke sehen es noch heute als Verrat, dass sich Scharfenberg und Jakobs noch einmal einig geworden sind, als es um wegweisende Entscheidungen für die Mitte ging. 2016 sammelte die Bürgerinitiative „Potsdamer Mitte neu denken“ knapp 15 000 Unterschriften gegen den Abriss der ehemaligen Fachhochschule. Das setzte Jakobs unter Druck: Über dieses Votum konnte er sich, selbst wenn es später für unzulässig erklärt würde, nicht hinwegsetzen. Erneut handelten Jakobs und Scharfenberg einen Konsens aus, den zweiten wesentlichen für die Mitte: Jakobs sagte den Erhalt des Hotels Mercure bis auf weiteres zu, dafür sollte die ehemalige Fachhochschule (FH) weichen, an ihrer Stelle entstehen auch Sozialwohnungen.
Jakobs schien sein Glück kaum fassen zu können, als das Barberini öffnete
Wenn es einen Tag der Vollendung von Jakobs politischem Großprojekt Potsdamer Mitte gibt, dann ist es der 20. Januar 2017. An diesem Tag eröffnete Hasso Plattner sein Museum Barberini am Alten Markt. Selbst der Oberbürgermeister schien das Glück kaum fassen zu können – hatte er doch einige Jahre zuvor mit einem ganz anderen Plan für ein Museum deutlich Schiffbruch erlitten: Plattner sollte das Mercure abreißen, um dort dann eine moderne Kunsthalle zu errichten. Jakobs forcierte das Vorhaben, doch die Potsdamer protestierten vehement. Fast wäre mit dem Scheitern auch das in Summen kaum mehr bezifferbare Mäzenatentum des gekränkten Plattner abhanden gekommen.
Noch immer will Jakobs den DDR-Klotz weghaben
Doch wer glaubt, Jakobs hätte sich nun vom Gedanken, das Mercure dereinst abzureißen verabschiedet, der irrt. Noch immer will er den DDR-Klotz weghaben. Warum? Auf die DDR-Architektur hat er es nicht abgesehen, auch wenn ihm Plattmacher-Politik vorgeworfen wird, die FAS schon titelte: „Besuchen Sie Potsdam, so lange es noch steht!“. Doch ein Ideologe ist Jakobs nicht. Manchmal fehlte ihm die Nähe selbst zu seinen eigenen Parteigenossen. Zur „Pizza-Connection“ seines Amtsvorgängers Matthias Platzeck, der Rotwein-Runde um Stolpe und die graue Eminenz der SPD, Rainer Speer, in der im kleinen Kreis Personal- und andere Entscheidungen getroffen wurden, gehörte er nie. Auch eine Allianz mit den Reichen und Mächtigen schmiedete Jakobs nicht.
Fast hätte die Stadtwerke-Affäre ihn das Amt gekostet
Was also treibt ihn an? Darüber rätselte Potsdam manches Mal. In der Stadtwerke-Affäre, die Potsdamer Filz offenbarte, stand er bis zuletzt an der Seite von Boss Peter Paffhausen; es fehlte nicht viel, und der Skandal hätte ihn das Amt gekostet. Er sei eben unbelehrbar, wähnten einige im Rathaus. Anlasten kann man Jakobs in diesem, aber auch in einigen anderen Fällen eher, dass er nicht hart genug dazwischen gegangen ist. Dabei geht es um die Machtstrukturen und Abhängigkeiten, die Paffhausen sich aufgebaut hatte – sie waren gut sichtbar, aber Jakobs stellte sie nicht infrage. Auch Paffhausens Pläne, mancher nannte es Größenwahn, Stararchitekt Oscar Niemeyer das neue Potsdamer Spaßbad bauen zu lassen fand Jakobs’ Unterstützung. Obwohl schnell klar war, dass die Stadt die Millionen nicht ohne Weiteres würde aufbringen können. Schließlich schob das Land den Plänen den Riegel vor.
Auch in den Konflikten um Potsdams Uferwege, besonders am Griebnitzsee, agierte der Oberbürgermeister nicht immer glücklich; er erkannte nicht rechtzeitig, dass Potsdam sich mit dem Bund hätte gütlich einigen sollen, statt darauf zu pochen, die Uferflächen günstig zu bekommen.
Potsdams Verwaltung bekam Jakobs ebenfalls nicht ohne weiteres in den Griff. TV-Moderator Günther Jauch beklagte 2007 zu recht Ungleichbehandlung und Schikane der Bauverwaltung – bei weitem nicht der einzige Bereich, in dem es an Bürgerfreundlichkeit fehlt(e). Mit der Auswahl seines Personals machte sich Jakobs gelegentlich das Regieren selbst nicht einfacher – prominentestes Beispiel ist der ungestüme und letztlich über eine Affäre gestürzte Baubeigeordnete Matthias Klipp.
Von der Villa bis zur Platte - er fand Kontakt zu vielen
Dennoch: Jakobs hat Potsdams Erfolg mitgestaltet. Er hat die Stadt richtig positioniert, mit Maß und Mitte. Er hat mit langem Atem Streit zugelassen, sich Konflikten gestellt. Von der Villa bis zur Platte, er fand Zugang zu vielen.
Fast jede Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit führte er persönlich an, und das nicht erst, seit Pogida auf die Straßen ging. Kurzum: Er hat die Latte hoch gelegt für seinen Nachfolger. Viel höher, als die meisten ihm es vor 16 Jahren zugetraut hätten.