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Matthias Klipp ist nicht mehr Baudezernent in Potsdam. Der Oberbürgermeister lässt ihn abwählen.
© M. Thomas

Suspendierung von Matthias Klipp: Getrickst, getäuscht, geschasst

Ungereimtheiten beim Hausbau, Beeinflussung seiner Mitarbeiter, desaströse Informationspolitik: Am Montag wurde Matthias Klipp von Oberbürgermeister Jann Jakobs suspendiert. Die Stadtpolitik stellt sich nun auf die Abwahl des umstrittenen Potsdamer Baubeigeordneten ein.

Potsdam - Alles ging dann ganz schnell. Bereits am Montagmittag musste Matthias Klipp Diensthandy und Rathausschlüssel abgeben. Zuvor hatte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den Baubeigeordneten von dessen Beurlaubung in Kenntnis gesetzt. Zu schwer wogen die Vorwürfe, die Klipp laut Jakobs auch nicht mehr aufzuklären imstande war. Von Reue oder gar Schuldgefühlen offenbar keine Spur: Mit „ungläubigem Staunen“ habe Klipp die Suspendierung zur Kenntnis genommen, sagte der Rathauschef.

Seit Wochen waren stückchenweise immer neue Ungereimtheiten beim privaten Hausbau des Grünen-Politikers ans Licht gekommen. Immer mehr verstrickte sich Klipp in Widersprüche, inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts auf falsche Versicherung an Eides statt.

Neue Vorwürfe durch interne Recherchen der "Soko Klipp"

Doch den Ausschlag für die Suspendierung gaben am Ende die rathausinternen Recherchen der „Soko Klipp“ unter der Leitung von Rechnungsprüfungsamtschef Christian Erdmann und der Rechtsamtsleiterin Karin Krusemark. Das Ergebnis: Entgegen seiner bisherigen Behauptung habe der Dezernent doch versucht, im Genehmigungsverfahren für sein Haus Einfluss auf die ihm unterstellte Bauaufsicht zu nehmen, sagte Jakobs. Ins Detail wollte der Oberbürgermeister nicht gehen, doch nach PNN-Informationen soll Klipp mehrere E-Mails an den Chef der Bauaufsicht, Markus Beck, sowie andere Angestellte der Bauverwaltung geschrieben und auf diese im Genehmigungsverfahren Druck ausgeübt haben.

Auch einen Architekt beauftragte Klipp offenbar erst in letzter Minute und nur pro forma: Das Haus plante er nach PNN-Informationen von Anfang an selbst. Behauptet hatte er hingegen stets, sein Architekt habe die ganze Arbeit gemacht und er habe diesen sogar ausdrücklich angewiesen, jedweden Anschein der Einflussnahme von vornherein auszuschließen. Er hatte in einer eidesstattlichen Versicherung sogar erklärt, dass er sich nicht persönlich für den Hausbau eingesetzt habe. Nun hatte die rathausinterne Ermittlergruppe nachgewiesen: Genau das Gegenteil war der Fall.

Klipp habe Jakobs getäuscht

Jakobs stand die Verbitterung am Montag deutlich ins Gesicht geschrieben. Das Wort Lügner wollte er auf Nachfrage zwar nicht in den Mund nehmen, doch habe Klipp ihn, seinen Dienstvorgesetzten, „getäuscht“, sagte der Rathauschef. Daher werde er selbst auch den Abwahlantrag stellen. Da die Kommunalverfassung zwischen der Antragstellung und der Abstimmung eine mindestens sechswöchige Frist vorsieht, werde die Stadtverordnetenversammlung über Klipps Schicksal als Baudezernent wohl erst im November entscheiden, sagte Jakobs. Zwei Drittel – also 38 der 57 Kommunalparlamentarier – müssen zustimmen, damit die Abwahl erfolgreich ist. Parallel will das Stadtoberhaupt vor dem brandenburgischen Innenministerium ein Disziplinarverfahren anstrengen. Dabei geht es auch um die Bezüge des Dezernenten. Im Falle einer erfolgreichen Abwahl bekommt Klipp immerhin bis zum Ende seiner Amtszeit – heute sind das noch genau zwei Jahre – 75 Prozent seines Gehalts. Kürzungen im Zuge des Disziplinarverfahrens sind aber möglich.

Dass Klipp tatsächlich abgewählt wird, darf fast als sicher gelten. Jakobs hatte am Nachmittag die Fraktionschefs über die Gründe für Klipps Rauswurf informiert, in der Bewertung war man sich weitgehend einig: Das Verhalten des Dezernenten ist unentschuldbar. Das Vertrauensverhältnis sei nicht nur zwischen Klipp und dem Oberbürgermeister, sondern auch zu den Stadtverordneten und den Angestellten der Bauverwaltung „stark gestört“, sagte SPD-Fraktionschef Mike Schubert. Die Sozialdemokraten bilden gemeinsam mit CDU, Grünen und Potsdamer Demokraten die regierende Rathauskooperation. Noch im Juli habe Klipp die Umstände seines Hausbaus völlig anders geschildert, als nun aufgedeckt worden sei.

Schwerwiegendster Vorwurf: Einfluss auf Genehmigungsverfahren

Grünen-Fraktionschef Peter Schüler sagte, dass Klipp „erwiesenermaßen Einfluss auf das Genehmigungsverfahren“ genommen habe, sei für ihn der schwerwiegendste Vorwurf. Es sei nicht tolerierbar, dass ein Beigeordneter sein Amt in dieser Weise benutze. Für CDU-Fraktionschef Matthias Finken sind „die Fakten eindeutig“. Klipps habe sich angreifbar gemacht, seine Vorbildfunktion habe entscheidend gelitten. Der Oberbürgermeister müsse dafür sorgen, dass die Stadtverwaltung glaubwürdig und vertrauensvoll bleibt. Peter Schultheiß, Fraktionschef der Potsdamer Demokraten, sagte, Jakobs habe so handeln müssen – auch, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Bauverwaltung wiederherzustellen, das durch Klipp erschüttert worden sei.

Alle Fraktionen der Rathauskooperation kündigten an, die Abwahl Klipps mitzutragen. Gleiches gilt wohl auch für die Linken, auf deren Stimmen es ankommen wird. Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg sagte den PNN, sollten sich die Vorwürfe gegen Klipp bestätigen, sei der von Jakobs gestellte Abwahlantrag auch für die Linken „nachvollziehbar“.

Es ging nicht mehr nur um das zu große Haus

Zweifel daran scheint es keine mehr zu geben. Dass Klipps Haus neun statt wie von ihm behauptet nur fünf Quadratmeter zu groß gebaut wurde – darum ging es gar nicht mehr. Auch nicht um die zahllosen Widersprüche zwischen seinen Angaben in der eidesstattlichen Erklärung vor dem Berliner Landgericht und den Feststellungen der obersten Landesbauaufsicht, die Klipps Bauakte im Auftrag der Stadtverordneten geprüft hatte.

Selbst die jüngste Enthüllung, dass Klipp wohl bereits im Januar 2014 – zwei Monate vor Einreichung des Bauantrags – davon erfuhr, dass er 37 Quadratmeter Straßenland mitgekauft hatte, die er nicht in die Berechnung für seine Hausgröße hätte einbeziehen dürfen, geriet in den Hintergrund. Entscheidend war, dass Klipp offenbar versucht hat, seine Untergebenen in seinem Sinne zu beeinflussen.

Klipp versprach damals "knallharte Transparenz"

Der beurlaubte Dezernent fühlt sich hingegen weiterhin in der Opferrolle. Er habe die nur mündlich von Jakobs geäußerten Vorwürfe, „ich hätte die Unwahrheit gesagt und doch Einfluss auf das Baugenehmigungsverfahren ... genommen“, zurückgewiesen, ließ Klipp am Montag per E-Mail verlauten. „Rechtliches und tatsächliches Gehör“ sei ihm bisher nicht gewährt worden, insofern könne er sich zu Einzelheiten nicht äußern.

Heute vor genau sechs Jahren hatte Klipp sein Amt angetreten – und schon im Vorfeld große Versprechungen gemacht. Viel Vorschusslorbeeren wurden dem ehemaligen DDR-Oppositionellen damals zuteil. Mehr Bürgerbeteiligung hatte er damals versprochen und „knallharte Transparenz“ in seiner Behörde. Und mit ihm als Beigeordneten, hatte er versichert, werde es „nicht mehr möglich“ sein, durch persönliche Bekanntschaften im Bauamt Vorteile zu erlangen. „Das läuft mit mir gar nicht“, so Klipp.

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