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Am Zaun. Die Einfriedung des Geländes rund um die Villen Henckel und Schlieffen am Pfingstberg sorgt seit Monaten für Proteste.
© Andreas Klaer

Der Fall Pfingstberg Potsdam: Jakobs beschuldigt Schlösserstiftung

Emotionale Debatte zum Pfingstberg: Oberbürgermeister Jann Jakobs positioniert sich deutlich gegen den Zaun und wirft der Stiftung schwere Versäumnisse vor.

Potsdam - Die Chancen für eine Rückabwicklung des Vertrags zwischen der Schlösserstiftung und Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner über den Park rund um die Villen Henckel und Schlieffen am Pfingstberg stehen zunehmend schlecht: Das sogenannte Nießbrauchsrecht für Döpfner sei bereits im Grundbuch eingetragen, sagte Heinz Berg, Vize-Chef der Schlösserstiftung, am Donnerstagabend bei einer von der SPD-Stadtfraktion anberaumten Diskussionsrunde zum Pfingstbergstreit. „Damit ist der Besitz übergegangen mit allen Rechten und Pflichten“, so Berg. Wie berichtet hat die Stiftung mit Döpfner einen Vertrag geschlossen, der dem Investoren als Gegenleistung für die mindestens 1,8 Millionen Euro teure denkmalgerechte Wiederherstellung des verwilderten Parks und die Sanierung der maroden Villa Schlieffen für 40 Jahre ein privates Nutzungsrecht einräumt – obwohl der Großteil des Areals laut Bebauungsplan als öffentliche Grünfläche gewidmet ist. Für Proteste von Anwohnern sorgt seit Monaten ein Zaun, der um das Gelände gezogen wurde – erst am Mittwoch hatten sich die Stadtverordneten mit großer Mehrheit für die Entfernung des Zauns ausgesprochen.

Der Zaun müsse möglichst schnell weg und das Gebiet wieder öffentlich zugänglich sein, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) bei der rund zweistündigen Diskussion im gut gefüllten Raum im Regine-Hildebrandt-Haus – in dieser Deutlichkeit hatte sich das Stadtoberhaupt bislang nicht positioniert. Jakobs ließ auch durchblicken, dass er die Begründung für den Zaun für vorgeschoben hält – „behauptet wird immer, das habe etwas mit Verkehrssicherheit zu tun“. Er sehe stattdessen die Gefahr, dass mit dem Bauzaun Fakten geschaffen wurden und sich der Investor mit den Sicherungsarbeiten nun möglicherweise Jahre Zeit lässt. „Das ist ein nicht akzeptabler Weg“, betonte Jakobs. Die Stadt prüfe derzeit, „mit welchen verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten wir dafür sorgen, dass schnell Verkehrssicherheit hergestellt wird“.

Schwere Versäumnisse bei der Vertragsverhandlung

Die Schuld für die momentane Situation sieht Jakobs bei der Schlösserstiftung, der er schwere Versäumnisse bei den Vertragsverhandlungen vorwarf. Die Stadt hätte beteiligt werden müssen, kritisierte Jakobs – der Vorwurf blieb unwidersprochen stehen. Die Stiftung habe den Vertrag mit Döpfner geschlossen, ohne zu klären, wie die öffentliche Zugänglichkeit geregelt werden soll: „Es ist vollkommen offen gelassen worden, wie man mit den Anforderungen des Bebauungsplanes umgeht“, so Jakobs weiter. Zumindest eine Vorbehaltsklausel zu dieser Frage hätte in den Vertrag gehört. Stattdessen bleibe der Vertrag so unbestimmt, dass Döpfner den Park auch nur „einmal im Jahr – am Tag des Denkmals“ für Besucher öffnen brauche. „Die Vertragspartner sind ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen“, schimpfte das Stadtoberhaupt. Als Ergebnis stehe man nun vor einer Situation, die weder Stiftung noch Stadt einfach ändern könnten.

Der Bebauungsplan sei bei den Verhandlungen stets offen Thema gewesen, sagte dagegen Heinz Berg von der Schlösserstiftung: „Döpfner wusste, welche Verpflichtungen er übernimmt.“ Der Investor habe auch zugesichert, „dass er alles einhält“ – eine Aussage, die im Publikum mit sarkastischem Lachen quittiert wurde. Auch Stiftungsrat und Kulturministerium hätten den Vertrag genehmigt. Berg verwies auch auf die gemeinsame Expertenrunde, die die Stadt nach den Anwohnerprotesten zur Suche nach einem Kompromiss gebildet hatte. Das ließ Jakobs dem Stiftungs-Vize nicht durchgehen: „Es ist ein Trugschluss, dass Sie im Nachgang eine Legitimation erhalten für den Mist, den Sie gebaut haben!“, sagte er aufgebracht.

Jakobs: "Das ist eine denkmalschützerische Fiktion"

Wie berichtet hatte die Expertenrunde eine Variante ermittelt, mit der Döpfner nach eigenem Bekunden leben könnte: Demnach würde er nicht 100 Prozent der knapp 8,5 Hektar großen Fläche, sondern rund 43 Prozent privat nutzen können – das Areal rund um die Villa Henckel würde mit einem zweiten Zaun eingezäunt, knapp fünf Hektar, 57 Prozent der Fläche, blieben öffentlich. Die Stadtspitze lehnt das als zu weitreichend ab. Laut B-Plan sind 83 Prozent des Areals als öffentliche Grünfläche gewidmet. Für eine Änderung des Bebauungsplanes werde es weder von ihm noch von der Verwaltung einen Antrag geben, bekräftigte Jakobs am Donnerstag. Er sehe dafür auch keine Mehrheit im Stadtparlament. Dennoch sieht er bei der Frage nach dem Verlauf des inneren Zauns einen Ansatz für weitere Gespräche mit Döpfner.

Der Einwurf von Stiftungsmitarbeiter Mathias Bügl, bei dem Areal habe es sich schon früher um einen großbürgerlichen Privatpark gehandelt, als der er jetzt dank Döpfner wieder hergestellt werde, brachte Jakobs erneut auf die Palme. „Das ist eine denkmalschützerische Fiktion, die hier zugrunde gelegt wird!“, sagte er. Wenn ein Privatgarten das Ziel gewesen wäre, dann hätte der Bund das Areal von vornherein nicht der Stiftung übertragen müssen, sondern verkaufen können.

Die deutliche Positionierung der Stadtspitze nahm Marco Schröder von der Pfingstberg-Initiative erfreut auf. „Wir sind für Kompromisse, aber auf der Grundlage des Bebauungsplanes“, sagte er. Mit einer Änderung des B-Planes drohe ein Präzedenzfall, nach dessen Muster weitere öffentliche Flächen privatisiert werden könnten, warnte er. Stiftungs-Vize Heinz Berg zog ein konsterniertes Fazit, konnte aber den Eindruck, die Stiftung habe die Folgen des Vertrags nicht ganz überblickt, nicht entkräften: „Es hätte so toll laufen können mit der ganzen Sache“, sagte Berg. Und: „Noch hat ja Herr Döpfner nicht hingeschmissen.“

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